Wunden verschwinden wie von Zauberhand

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Geschlafen hatte ich nicht, viel mehr vor mich hin gedöst. Genauso fühlte ich mich jetzt auch. Vorsichtig kletterte ich aus meinem Bett. Ich versuchte mir nichts anmerken zulassen, als ich in die Küche schlürfte. Mary erwartete mich schon. So normal wie möglich setzte ich mich und richtete mein Müsli. Mary nahm mir gegenüber Platz. „Ich weiß, dass wir noch nicht so viel gemeinsam gemacht haben", sagte sie mit einem Mund voller Müsli: „aber Rick hat mich gefragt, ob wir heute an unserm freien Tag nicht etwas gemeinsam machen wollen. Ich sage natürlich ab, wenn du willst."
„Mary, wir hatten nie ausgemacht, dass wie ständig etwas machen. Das ist schon okay. Du hast hier dein Leben und ich will mich auf keinen Fall in dein Liebesleben einmischen. Mach du was mit Rick, ich genieße meinen freien Samstag mit einem guten Buch. Ach ja, und wenn du mir vor zwölf Uhr heim kommst, dann gibt es aber Ärger. Am besten bleibst du die ganze Nacht weg." Freudig sprang Mary vom Tisch auf und räumte ihr Schüssel in die Spülmaschine. Dann kam sie zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Sie wollte gerade in ihr Zimmer verschwinden, als es an der Tür klingelte. Während ich weiter aß, öffnete sie sie und kam keine Minute später wieder in die Küche.
„Derek Hale steht vor meiner Tür und verlangt nach dir. Möchtest du mir etwas sagen?" Betont gelassen stand ich auf und ging an ihr vorbei. „Ich kenne ihn von Scott. Keine große Sache."
Ob sie mir das glaubte oder nicht spielte im Moment keine große Rolle, da sie viel zu freudig war, sich heute mit Rick treffen zu können.
So abweisend wie immer stand Derek vor der Tür. Wahrscheinlich wollte er seine Jacke wieder. „Ich hole deine Jacke", setzte ich an, als er abwinkte. „Deine... na ja, du weißt schon. Man sollte sich das nochmals ansehen." Mit einem schnellen Armwinken signalisierte ich ihm, dass er die Klappe halten sollte. „Mary geht in so einer Stunde, dann bin ich allein."
„Okay, dann komm ich dort wieder." Er drehte sich um und lief zu seinem Auto zurück. Beruhigt ging ich zurück in die Küche, wo Mary mich schon empfang. „Was wollte den Herr Hale so früh am Morgen von dir?"
„Ähm, wir waren an Silvester bei ihm und ich habe mein Armband dort verloren. Es hat doch diesen kaputten Verschluss. Ich suche es schon seit Ewigkeiten. Er hat es gefunden und vorbei gebracht."
„Ich möchte mich ja eigentlich nicht einmischen", verlegen ging Mary ein paar Schritte in der Küche auf und ab. „Aber dieser Hale. Nun, ja man hört so einiges über ihn. Was mich aber mehr skeptisch macht ist, was man nicht über ihn hört."
„Mach dir keine Sorgen. Ich kenne ihn nicht wirklich. Er hat nur das Armband vorbei gebracht. Aber solltest du dich nicht so langsam richten?" Ihr zu sagen, dass ich schon mit ihm in einem Bett geschlafenen hatte, war wohl nicht so schlau. Deswegen lenkte ich sie sofort von diesem heiklen Thema weg, in sichere Gebiete.

Eine Stunde später war Mary weg und es klingelte an der Tür. Wie zu erwarten war es Derek, der sich sofort an mir vorbei schob und in die Küche ging. Dort stellte er zwei weiße kleine Dosen auf die Theke. Dann holte er eine Schüssel und füllte sie mit Wasser.
„Was tust du eigentlich?" fragte ich ihn ein bisschen überfordert.
„Ich war bei Deaton und er hat mir hier etwas für deine Schnitte gegeben. Legt dich auf den Tisch, dann behandle ich das schnell." Wer war Deaton? Derek kam einen Schritt auf mich zu und sofort machte ich einen zurück. „Stopp. Ich habe keine Ahnung wer dieser Deaton ist, noch was dein Zeug wirklich ist. Du behandelst hier gar nichts." Abwehrend hob ich meine Hände. Dereks Stimme nahm einen beruhigenden Ton an: „Deaton ist unser Druide. Ich weiß wie das klingt, aber du musst nicht gleich so skeptisch sein. Er hilft uns schon sehr lange, vor allem meiner Familie. Wenn wir nicht weiter wissen, dann gehen wir zu Deaton. Aber solltest du mir nicht vertrauen, dann kannst du auch Scott anrufen und ihn fragen. Er wird dir es bestätigen." Das musste nicht sein. Ich wollte nicht so viel Ärger machen und dem Derek, den ich in letzter Zeit immer wieder gesehen hatte, dem vertraute ich schon. „Okay", gab ich mich geschlagen. Ich zog mein Oberteil aus und setzte mich auf den Tisch. Als ich mich hinlegte kam Derek neben mich. Er hatte unsere Küchenschere mitgebracht und zerschnitt den Verband. Dann ging es darum die Pflaster abzuziehen. Das war so schmerzhaft, dass ich mit zusammen gepressten Zähnen verlangte, dass Derek mir etwas zur Ablenkung erzählte. „Und was?" fragte er, als er ein weiteres Pflaster vorsichtig löste. „Sowas wie, dass jährlich mehr kleine Kinder an Teddybären sterben wie an echten Bären?" Was?
Kurzzeitig war ich wirklich abgelenkt. „Na ja, ich meinte eher so etwas wie, was denn das für ein Wunderzeug ist?"
„Ich habe Deaton von deinen Schnitten erzählt. Er kennt ein paar Pflanzen, die die Heilung anregen. Die Heilung wird so sehr angeregt, dass deine Schnitte nach ein paar Stunden zumindest so verheilt sind, dass sie zu sind. Man sieht sie noch, aber du dürftest eigentlich keine großen Schmerzen mehr haben." Das klang gut. Mittlerweile hatte Derek alle Pflaster auf meinem Bauch entfernt. Über Nacht hatte der Schnitt immer wieder geblutet und nun wischte Derek zuerst einmal alles sauber. Ich hatte meine Augen geschlossen gehabt, dennoch hatte ich bemerkt, dass Derek nachdenklich geworden war. Nachdem alles gereinigt war, informierte mich Derek noch: „Ach ja, Deaton meinte noch, dass die schnelle Heilung schmerzhaft sein könnte."
„Könnte?" fragte ich empört.
„Okay, ja es wird schmerzhaft", gestand Derek.
„Dann lass dir lieber eine gute Geschichte zu meiner Ablenkung einfallen."
Derek trug eine weiße Salbe auf und im ersten Moment spürte ich nichts. Ich ging schon davon aus, dass es vielleicht doch keine Schmerzen geben würde, als sie über mich hereinbrachen. Angestrengt versuchte ich nicht zu schreien. „Wie wär es, wenn du mir sagst was da in der Schule los war." Versuchte ich eine Konversation zu begingen. „Was meinst du denn?" stellte Derek sich dumm. „Da war Blut und du hast es nicht gerochen. Leugne es nicht Derek, ich habe es gesehen." Gerade wurde er fertig mit dem Auftragen und ich griff nach seinem Arm. Dadurch zwang ich ihn, mich anzusehen. Eine Weile blickte er mich an und ich dachte schon er würde nie sprechen, als er doch noch sprach. „Ich weiß es nicht." Wenn ich noch länger auf diesem harten Tisch lag, würde mein Rücken genauso schmerzen wie mein Bauch. Nachdem ich saß, zog ich Derek auf den Stuhl vor mir. „Du hast nichts gerochen?"
„Du solltest nicht sitzen" lenkte er ab.
„Beantworte die Frage." Vorwurfsvoll blickte ich auf ihn herab. „Ja ich habe es nicht gerochen, aber ich weiß nicht wieso. Ich hätte es riechen müssen." Da lag er richtig. Eigentlich hätte er es riechen müssen. Das ergab keinen Sinn. Ich sah Derek an, dass es ihn genauso beschäftigte wie mich. Bevor ich mir weitere Gedanken machen konnte, fand mein Körper es wäre Zeit zu demonstrieren, dass ihm mein Aufsetzten nicht gefallen hatte. Ein höllischer Schmerz jagte von meinem Bauch in meinen Rücken. Sofort wurde mir schwarz vor Augen. Ich versuchte mich irgendwo festzuhalten. Im letzten Moment fand ich Dereks Arm. Nach ein paar Minuten konnte ich einigermaßen wieder atmen und mein Sehvermögen kam zurück. Leider kam das nicht davon, dass der Schmerz langsam verschwand, sondern, dass ich mich an den Schmerz gewöhnte. Kurzerhand hob Derek mich hoch und setzte mich auf unser Sofa. „Warte kurz. Ich bin gleich wieder da." Er verschwand durch die Tür und ich hörte unsere Haustür. Langsam ließ ich mich auf die Seite gleiten und versuchte so normal wie möglich zu atmen. Als ich schon meinte, der Schmerz würde mich gleich wieder ausknocken kam Derek zurück. Er war nicht allein, sondern in Begleitung von Scott. Am Rande meines Schmerzes dachte ich noch, dass ich schon wieder nur im BH auf dem Sofa lag. Als Scott mich sah, eilte er sofort an meine Seite. „Oh Mann. Luci. Derek du hast gesagt, dass sie verletzt ist, aber das ist schon ein bisschen mehr. War sie denn im Krankenhaus?"
„Nein. Kannst du bitte einfach das tun um das ich dich gebeten habe? Die Salbe heilt sie, aber das ist sehr schmerzhaft."
Scott blickte zu ihm auf und nickte. Dann legte er seine Hände an meinen Bauch. Auf einmal ließ der Schmerz nach und ich bekam wieder richtig Luft. Die Adern an Scotts Arme färbten sich dunkelblau und es sah so aus, als ob er den Schmerz geradewegs in sich hineinzog. Mein Blick wanderte zu seinem Gesicht. Er hatte es schmerzhaft verzogen. Das konnte nicht sein. Nun spürte er den ganzen Schmerz von mir. Hastig richtete ich mich auf und schob seine Hände von mir. Das war nicht richtig. Er sollte nicht meinen Schmerz auf sich ziehen. Ich war ein großes Mädchen. Ich überstand das schon. „Nein. Hör auf Scott. Es ist nicht richtig, wenn du den Schmerz auf dich nimmst."
„Das geht schon", versuchte Scott mich zu überreden.
Sicherheitshalber kroch ich noch ein Stück weiter weg. Der Schmerz war wieder da, aber das war mir egal. „Scott ich weiß was das für Schmerzen sind. Es sind meine Schmerze. Ich halte das aus. Trotzdem danke." Verzweifelt blickte Scott zu Derek. Dieser zuckte mit den Schultern, dann brachte er Scott nach draußen. Als er zurückkam, baute er sich vor mir auf. „Er hätte dir helfen können. Du hättest keine Schmerzen gehabt."
„Dafür er. Ist das fair?"
Weil ich nicht weiter diskutieren konnte, da mir die Kraft fehlte, schaltete ich den Fernseher ein. Nach einer Weile kam Derek neben mich auf das Sofa.

Den ganzen Nachmittag schauten wir fern. Wirklich viel bekam ich nicht mit, da ich damit beschäftigt war weiter zu atmen. Dennoch war es ganz angenehm. Als es draußen dämmerte, schaltete Derek den Fernseher aus. Er half mir aufstehen und brachte mich in mein Zimmer. Mit seiner Hilfe legte ich mich in mein Bett. Dann fing Derek mit einem nassen Tuch an meinen Bauch abzuwischen. Nachdem er fertig war hielt er erstaunt inne. Wie bei ihm im Kofferraum fing er auch jetzt an sanft mit seinem Finger über meinen Bauch zu streichen. Es waren federleichte Berührungen. Sobald die Salbe weggewesen war, hatten auch die Schmerzen angefangen zu verschwinden. Wieder ließ Derek seine Hand kurz vor meinem BH ruhen, doch dieses Mal blickte er mir in die Augen. „Weißt du", fing er an: „Ich habe vorher noch kurz mit Scott gesprochen. Er meinte er hätte ziemlich viel Schmerz gespürt vorher bei dir. Du hast nichts gesagt, du hast es einfach ertragen."
„Ich bin ein großes Mädchen, Derek. Auch wenn du mir es vielleicht nicht zutraust, ich kann schon ziemlich was wegstecken."
Es entstand eine Pause, in der wir uns einfach anschauten. Was tat ich hier überhaupt? Ich kannte alle diese Menschen eigentlich gar nicht und doch würde ich jetzt wahrscheinlich schon alles Mögliche für sie tun. Und die Person, vor der ich am meisten gewarnt wurde oder bei der ich die meisten Gerüchte gehört hatte, mit der machte ich am meisten. Ich konnte mir eingestehen, dass ich ihn attraktiv fand und auch anziehend. Deshalb machte es mir nichts aus, dass er jetzt näher kam. Ganz im Gegenteil, mein Körper signalisierte mir, dass es mir sogar gefiel. Ein nervöses Kribbeln ergriff mich. Sein Gesicht war schon fast vor meinem, ich spürte schon seinen Atem auf meiner Haut, als wir die Haustür hörten. Erschrocken sprang ich auf. „Scheiße, Mary darf dich hier nicht sehen."
„Und wieso nicht?" empörte er sich. Kurzerhand griff ich zu einer Notlüge, um seine Gefühle nicht zu verletzten. „Meine Mom hat Mary strikte Regeln gegeben und eine davon lautete keine Jungs in meinem Zimmer." Noch bevor er etwas sagen konnte, schob ich ihn zum Fenster. „Bitte Derek. Es wäre wirklich nicht gut, wenn sie dich hier erwischen würde."
„Oh Mann und ich dachte, dass ich jetzt endlich aus dem Alter heraus sei, bei dem man aus Fenstern klettert." Ja er hatte Recht, aber es war wirklich nicht gut, wenn Mary ihn hier erwischen würde. Als er aus den Fenster war, drehte er sich nochmals zu mir um. Ich beugte mich heraus und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke." Dann schloss ich das Fenster und legte mich ins Bett. Noch bevor Mary km, war ich eingeschlafen.




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