„Name?" Die dickliche Frau blickt nicht einmal auf, als sie einen Ausfüllbogen zu mir über den Tisch schiebt.
„Mary.", antworte ich aus Gewohnheit nur mit meinem ersten Namen.
Jetzt schaut sie doch auf und zieht eine Augenbraue hoch. Mir gefällt es nicht, wie sie mich mustert, so als könnte sie nicht wirklich glauben jemanden wie mich hier zu sehen. „Voller Name?"
Ich fasse meine Jacke, die ich mir über den Arm gelegt habe noch einwenig fester und sage eingeschüchtert wegen ihrer Blicke: „Mary Katherine Abrahams, Madam."
Sie hat ein rauchiges Lachen. „Kannst den Gang hinunter bei den anderen Platz nehmen. Füll das aus und dann wirst du aufgerufen." Bei ihren letzten Worten hat sie schon wieder abwesend auf ihrem Computer getippt. Es muss doch langweilig sein den ganzen Tag das gleiche zu tun, überlege ich. Ich an ihrer Stelle würde verrückt werden.
Schnell nehme ich das Papier und einen Stift entgegen und wende mich ab, sodass der nächste an den Tresen treten kann. „Name?", höre ich die Dicke fragen.
Mitlangsamen Schritten gehe ich den Gang in die Richtung, die sie mich gewiesen hat, entlang. Ich atme schnell und rasch. Mein Puls steigt.Ich habe nicht ein ganzes Leben trainiert um jetzt zu scheitern. Ich muss das packen. Ich war noch nie die Beste, die Schnellste, die Geschickteste. Doch ich bin klug. Ich lese viel. Ich weiß fast immer eine Antwort auf alles. Daher habe ich den technischen Test bestanden- die Prüfungen, bei denen es mehr ums Köpfchen als um Kraft geht.
Doch ich muss auch diese Art von Test schaffen, denn das alles hier tue ich für meine kleine Schwester Rose. Sie ist zehn Jahre alt und war noch ganz klein, als der Krieg in den letzten Tagen unsere Eltern nahm. Sie kann sich nicht mehr an sie erinnern, doch ich kann es und daher habe ich mich auch für diesen Weg entschieden. Ich möchte für den Frieden kämpfen. Und außerdem ist es gut bezahlt. Rose hat es verdient weiterhin zur Schule gehen zu dürfen, auch wenn das Geld der Gesellschaft und das Erbe meiner Eltern langsam knapp wird. Jetzt muss ich Geld verdienen. Ich muss für sie da sein. Ich muss sie beschützen.
Der Flur endet in einer weiten Empfangshalle.Von ihr aus gehen verschiedenen Türen in Büros ab. Es ist verhältnismäßig leise in diesem Raum voller Menschen. Es wird sich flüsternd unterhalten und nur manchmal sticht ein Lachen aus der Menge hervor. Ich kenne solche Orte. Es ist wie in einer Bibliothek. Es ist nicht notwendig, dass man leise redet, doch man tut es, weil ein dämmriges Gefühl in der Brust sitzt, dass es nicht zulässt, dass man auch nur einen lauten Ton von sich gibt.
Einige der Versammelten blicken kurz auf, nicken mir zu oder lächeln sogar.Die meisten aber mach sich diese Mühe nicht einmal.
Ich suche mir einen freien Platz in der Ecke, lasse meinen Rucksack zu Boden gleiten und setze mich an die Wand gelehnt hin. Ich fülle das Blatt aus indem ich es gegen einen meiner Oberschenkel drücke.Danach trinke ich einen Schluck aus einer Wasserflasche, die herum gegeben wird und wippe mit den Fersen. Es werden Namen aufgerufen,Nummern und manchmal auch Befehle. Es öffnet sich hier und da einen Tür und schließt sich wieder. Es wird zu einem monotonen Rhythmus,der mich ein bisschen schläfrig macht. Ich rechne mir aus, dass ich noch gut anderthalb Stunden habe bis ich aufgerufen werde und rolle meine Jacke zu einem Kissen zusammen. Ich bin so erschöpft. Die Zugfahrt hierher war lang und kräftezehrend, zudem das lange Warten.Ich hasse es untätig herumzusitzen. Also klemme ich mein provisorisches Kissen zwischen meinen Kopf und die Wand und ziehe die Beine an.
Meine Lieder sind schwer. Ich nicke weg.
- - -
„Hey.Rutsch mal."
Eine Stimme reißt mich aus dem Halbschlaf in den mich die eintönigen Stimmen der Menschen um mich und die warme Heizung neben mich gewiegt haben. Sie gehört einem großen Mädchen mit dunklerer Hautfarbe.Sie schiebt meinen Rucksack mit ihrem Fuß beiseite und setzt sich neben mich. Ich setze mich auf. Während meines Schläfchens bin ich immer weiter hinunter gerutscht, bis ich zusammengekauert auf dem Boden lag.
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My Ghosts
Teen FictionEr legt die Hand genau an die Stelle, die er eben geschlagen hat. "Diese Erinnerungen machen dich nicht schwächer. Sie machen dich stärker." Ich fasse nach seinen Fingern und streife sie ab. "Aber was ist wenn ich zu viele habe? Was ist wenn sie mi...