Duschen

92 14 8
                                    

Lauwarmes Wasser trifft mein Haar, läuft an meinem Gesicht herunter, tropft auf meine Schultern und bedeckt meinen Bauch. Ich drehe den Wasserhahn so weit auf wie es geht und trotzdem kommt es mir vor als tröpfelte er nur. Mit schnellen Bewegungen reibe ich mir den Dreck und die Müdigkeit aus dem Gesicht. Wir hätte noch ein Stunde Zeit, so erklärte man uns beim Eintreffen, dann müssten wir im Treppenhaus sein und zum Frühstück abgeholt werden. Ich kann kaum glauben, dass schon morgen ist. Ich bin todmüde, obwohl ich einige Stunden im Bus geschlafen habe, doch das auch nur, weil Roy mich jedes mal festgehalten hat, wenn der Bus über eine Bodenwelle fuhr. Natürlich war mein Schlaf unstet und unbequem. Und weil ich mich bei meiner Ankunft entschlossen hatte nicht wie alle anderen zu den Schlafräumen zu gehen, sondern den Weg zu den Duschen zu suchen,war ich fast eine der ersten im Waschraum. Die anderen sagten, dass das warme Wasser nach einigen Minuten vergangen sein. Und auch jetzt spüre ich, wie die Temperatur sinkt. Als ich die Seife aus meinen Haaren wasche, zittere ich vor Kälte. Ich fahre grob durch das verknotete Haar auf meinem Kopf und reibe die Kernseife heraus. Als ich denke, dass ich fertig bin, drehe ich den Hahn zu und wickle mich schnell in mein Handtuch. Eine Ecke schiebe ich unter den Rest,sodass mir das dünne Leinen nicht herunterrutscht. Und so nehme ich meine Klamotten und gehe mit feuchten Füßen und tropfenden Haaren zu den Schlafsälen. Die Mühe mich anzuziehen mache ich mir nicht, da uns gesagt wurde, dass uns Klamotten heraus gelegt wurden, die wir tragen müssen.

Plötzlich trifft mich etwas hart an der Schulter, ich strauchele und falle hin. Meine Knie beschweren sich und auch ohne hinzuschauen weiß ich, dass mein Ellenbogen blutet. Ich sehe, dass eine Gestalt sich umdreht und mich verdutzt anschaut. Ich blicke in das Gesicht eines jungen Mannes. Er ist vielleicht drei Jahre älter als ich. Mit einem Aufschrei ziehe ich mein Handtuch zurecht und stehe auf. „Sag mal spinnst du?"

„Entschuldigung?", fragt er und zieht eine Augenbraue hoch.

„Kannst du nicht aufpassen, wo du hingehst?"

Er scheint kurz verwirrt zu sein. „Kennen wir uns?"

„Nein und ich kann darauf gut verzichten.", rufe ich laut und klaube meine Sachen vom Boden auf. Er macht nicht mal Anzeichen mir zu helfen.

„Was läufst du auch halbnackt durch die Gegend, Soldat?" Er sagt es spöttisch und blickt mich von oben bis unten an. Ich will eigentlich antworten, aber er kommt mir zuvor: „Und nächstes mal ein bisschen mehr Respekt, sonst kommst du hier nicht weit." Und mit einem belustigtem Grinsen auf dem Gesicht lässt er mich stehen.

„Aber da du ja nicht bestimmst wie weit ich komme, ist mir das egal." Ich bin eigentlich nicht die aufmüpfige Person. Ich bin lieber still und mache meine Arbeit, doch jetzt denke ich, selbst wenn ich mich in Moment wach fühle, bin ich im Inneren ausgelaugt und müde und das hat mich anscheinend reizbar gemacht. Noch bei den Worten tut es mir Leid ihn so angefahren zu haben. Es war ein Missgeschick.

Er dreht sich an der Abzweigung in den nächsten Gang noch einmal um und das Licht der Leuchtstofflampen glänzt in seinen Augen auf.„Bist du dir da sicher?"

Und er ist weg bevor ich mich entschuldigen oder ihn fragen kann, was er damit gemeint hat.

- - -

Ein Paket mit meinem Namen drauf liegt als eines der letzten in einer Stahlbox. Ich nehme sie mit auf die Toilette, wo ich mich in einer Kabine eingeschlossen, umziehe. Es hat sich herausgestellt, dass die Schlafsäle an die dreißig Leute beherbergen können und sie sind nicht nach Geschlechtern getrennt.

Die Unterwäsche ist kratzig und rau. Ich mag die Vorstellung nicht, dass ein anderer sie bestimmt vor mir getragen hat, doch ich kann es nicht ändern. Ansonsten sind in dem Paket nur meine neuen Klamotten.Sie sind in einer ungefähren Größe eingepackt und immer zu dritt.Ein Zettel verrät mir, dass wir jede Woche ein solches Paketerhalten und die anderen Klamotten abgeben müssen. Langsam ziehe ich mir also ein dunkelgrünes T-shirt über und eine schwarze Hose an.Ich habe die kleinste Größe gewählt, die bei meinem Stapel dabei war und trotzdem sehe ich mich gezwungen die Hosenbeine umzukrempeln.Die Jacke, die ich über alles ziehe ist dünn und weil es in diesem Gebäude sehr zugig ist, nehme ich meinen Mantel und schnüre ihn fest um meine Hüften. Es sind keine Schuhe beigelegt worden, also schlüpfe ich wieder in meine abgetragenen Lederstiefel. Als ich aus der Kabine trete, kann ich im Spiegel betrachten, wie lächerlich ich aussehe. Dass also muss der Typ von eben gesehen haben. Ich sehe wegen des lockeren Shirts und der umgekrempelten Hosenbeine noch schlaksiger aus als ohnehin schon. Meine blonden Haare binde ich mir zurück und auch wenn ich gerne etwas gegen meine Augenringe tun würde, weiß ich nicht wie. Ich spritze mir noch ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht, doch das macht es nicht besser.

My GhostsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt