Eiskalter Schnee

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Leise und sacht setzen sich kleine eisige Flocken auf meine Nasenspitze, mein Ohr und auf meine Schuhspitzen. Ich recke den Kopf in die Höhe, öffne leicht den Mund um die kalten Sterne wie Frostküsse auf meinen Lippen zu spüren. Ich kann mich nicht erinnern, wann es zuletzt in den Provinzen geschneit hat. Dort wirkt der Schnee nie strahlend, sondern scheint schon als matschige braune Masse vom Himmel zu fallen.
Hier jedoch, kann ich sehen, wie die roten Dächer der Stadt langsam verschwinden und der Schnee unsere Fußstapfen sofort wieder frisst, bevor ich auch nur Zeit habe in die von Roy zu treten, damit ich es einfacher habe.

Ich versinke bis zu den Knien und als ich denke, dass ich schon fast kollabiere, harkt sich jemand bei mir unter und zieht mich mit. Es dauert eine Zeit, bis ich meinen Kopf drehen und danach noch einige Sekunden bis ich wieder atmen kann. Duke grinst kurz, dann lässt er mich los und sein Gesicht wird so eisig, als hätte der Schnee auch ihn eingefroren. "Schaffst du es oder soll ich dich wieder an die Hand nehmen, wie ein Kleinkind?"

"Danke Offizier, aber ich schaffe es. Danke." Es ist schwer das Keuchen hinter diesen Worten zu verstecken. Er hat es sicher bemerkt, denn kopfschüttelnd geht er weiter und lässt mich zurück.

"Sag schon. Er ist wohl ein Arsch.", meint Roy, als er sich zu mir umdreht. Ich boxe ihn nur unsanft mit meinen erkalteten Händen auf den Arm. Es kann nicht fest gewesen sein, denn wo auch immer wir hingehen der Weg gleicht eher einer Wanderung, als einem kleinen Lauf zu der Trainingsstelle, wie Duke es uns beschrieben hat. Wir laufen bestimmt schon über eine Stunde und allein das, ist Training allein, finde ich.Also bin ich abgefroren und schwach. Ich könnte so schnell niemanden verletzen.

Durch das dichte weiß, kann ich sehen, dass die anderen stehen geblieben sind. Einige zittern leicht, manche pusten in ihre Hände und ich geselle mich zu Ennie, die so gut wie keine Kälte zu verspüren scheint. Jedenfalls steht sie stocksteif auf einem Fleck. Erst als ich meinen Kopf hebe, weiß ich wieso. Wir haben eine der höheren Ebenen der Stadt erreicht, die etwas außerhalb der Innenstadt liegen. Jetzt kann ich sehen, was ich bei der Anreise verschlafen habe oder mit meinen müden Augen nicht wahrnehmen konnte. Große Türme lecken an dem blassen Himmel, Lichter durchfluten die dunklen Gassen, in die die schwache Wintersonne nicht ihre Strahlen strecken kann. Und über allem, sehen wir eine flirrende Kuppel, die zwar transparent ist, jedoch Strahlung der Außenwelt abhält. Nur jetzt ist sie fast komplett erkennbar, weil der Schnee die glatte Schicht zerbricht und sie wie aufgewühltes Wasser Wellen schlagen lässt. 

Duke unterbricht den Moment, indem er sich räuspert und laut verkündet: "Wir teilen uns in Gruppen von je zwanzig Personen auf und jedes Team versucht sich in der Stadt zu verstecken. Jede Person bekommt einen solchen Zeitzähler." Er hält ein silber glänzendes Gerät in die Höhe, in dem sich das Licht bricht und mich blendet. "Ihr aktiviert ihn gleich auf mein Kommando und eine Stunde danach, gibt er ein Signal von sich. Das heißt, dass das Spiel beginnt.

Darin geht es darum, als Team so viele Zeitzähler aus den anderen Gruppen zu bekommen, wie möglich. Habt ihr einen, stoppt ihr die Zeit und packt ihn gut weg. Eure Namen sind eingespeichert, also kann ich später auswerten, wer als längstes", sein Blick schweift zu der Gruppe lachender Typen, "Und wer am kürzesten", sein Blick schwenkt zu mir, "durchgehalten hat. Bereit?"

Ennie hebt die Hand, doch spricht sofort: "Offizier, wann ist das Spiel zu Ende?"

Duke lächelt. "Nun ja, irgendwann wird ein Team gewinnen. Ihr findet euch nach und nach wieder am Trainingscenter ein. Das Team, das als letztes eintrifft, hat gewonnen."

Er gibt die Zeitzähler herum und weist uns an sie anzustecken. Bei mir heftet er es einfach sofort an meine Brusttasche und drückt mich dann zur Seite ohne mich überhaupt nur anzublicken. Ich weiß nicht, ob es mir nicht langsam auf die Nerven geht, dass er mich wie ein kleines Kind behandelt.
Roy hat uns beobachtet, aber ich versuche seine Blicke zu ignorieren.

My GhostsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt