Mein Rücken ist verkatert und meine Muskeln steif, als ich die dünne Decke von meinen Schultern streife und meine Füße über die Bettkante schwinge. Der Boden ist eiskalt. Ich gähne laut und hebe die Arme, bevor ich meine Augen wirklich öffnen kann. Doch statt des dunklen Raumes, den ich früher mit meiner Schwester in der Auffangstation geteilt habe, sehe ich den riesigen Schlafsaal, in dem noch alle Lichter ausgeschaltet sind. Vor einigen Sekunden dachte ich noch, dass ich nur aus einem Albtraum aufgewacht bin, in dem ich weit entfernt von allem Bekannten zur Soldatin werden wollte um meine Schwester zu beschützen und mir dabei leider meinen Vorgesetzten zum Feind gemacht hatte, der keine Möglichkeit ausließ um mich zu schikanieren. Aber jetzt merke ich, dass ich diesem Traum nicht entflohen, sondern mit meinem Erwachen direkt hinein gestolpert bin.
Mir gegenüber schläft Ennie noch immer tief und fest. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich noch eine Stunde Zeit habe, bis die anderen aufstehen, deshalb greife ich schnell unter mein Bett und ziehe eine kleine Tasche und meine Klamotten hervor.
Der Weg zum Waschraum ist nicht lang, aber trotzdem schaffe ich es mich jedes Mal dorthin zu verlaufen. Ich bin seit vier Tagen hier und kann die Korridore immer noch nicht voneinander unterscheiden.Irgendwann finde ich ihn dann doch und bin froh darüber, dass ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzen kann. Langsam putze ich mirdie Zähne und versuche den bitteren Geschmack loszuwerden, der mir schwer auf der Zunge liegt, wenn ich daran denke, was mich heute wieder erwarten könnte. Ich wusste, dass es hier nicht einfach werden würde und man sagte mir, dass ich mir nie meinen Ausbilder zum Feind machen sollte, denn sonst wäre das Leben hier unangenehm.Doch die letzten Tage waren nicht nur unangenehm - sie waren grauenhaft. Ich habe mehr gearbeitet als die anderen, meine Schichten in der Küche waren länger und ich wurde beleidigt und bloßgestellt.Jeder meiner Kameraden muss spätestens gestern erkannt haben, dass ich nicht nur so aussehe, als könnte ich nichts, sondern es auch nicht kann. Duke lies mich Klimmzüge machen bis ich zusammenbrach und beschimpfte mich danach als Schwächling. Fast hätte ich geweint, doch die Röte in meinem Gesicht hat schon Bände gesprochen.
Nur Ennie und die Gruppe, die sich meine Freunde nennen, die ich aber kaum kenne, halten zu mir. Doch ich habe ihnen verboten für mich einzutreten, denn ich will nicht, dass sie unter meiner Schwäche leiden.
Langsam ziehe ich das dünne Hemd und die Hose aus, die ich zum Schlafen trage und die Klamotten von gestern über. Sie sind noch sauber und nur ein heller Fleck am Knie deutet darauf hin, dass ich hingefallen bin.
Ich bin nicht wütend - bin zu müde überhaupt etwas zu fühlen.In den ersten zwei Tagen dachte ich, dass ich das hier schaukeln werde - kann, wenn sich die ersten Spannungen legen, aber langsam kommt mir die Gewissheit, dass ich nach der ersten Runde hierraus fliegen werde. Ich habe keine ganzen zwei Wochen mehr das hier zupacken und dann muss ich gehen und da ich weiß, dass Offizier Duke mich hasst und mich nie durchlassen wird, will ich gar nicht, dass ich irgendeine Bindung zu irgendwem hier aufbaue. Das alles würde nur Schmerz bedeuten. Daher mache ich mich früher fertig als die anderen, gehe später ins Bett, spreche nicht beim Essen, stelle mich nicht zu ihnen und gehe allem und jedem aus dem Weg.
Ich packe meine Sachen wieder zusammen, als die ersten Frühaufsteher zu den Duschen kommen. Langsam gehe ich zurück zu meinem Schlafsaal. Diesmal folge ich den Stimmen und schaffe es nach einer falschen Biegung sofort wieder den richtigen Gang zu finden. Ich stecke meine Sachen wieder in meinen Rucksack unter dem Bett und drehe mich danach zu Ennie. Obwohl überall Bewegung herrscht und die gesprochenen Worte immer lauter werden, schläft sie wie ein Stein. Ich packe sie an der Schulter. „Ennie, Ennie." Ich rüttle sie. „Aufstehen.Es ist Zeit."
Sie aber zieht sich die Decke über den Kopf und murmelt nur. Ich überlege ob ich Wasser holen und es ihr über den Kopf gießen soll,wie Alex es gestern getan hat, aber der Gedanke an ihre hasserfüllten Blicke lassen mich diese Überlegung ganz schnell ausschlagen. Aber zu einem erneuten Versuch sie wach zu bekommen, kommt es nicht, denn Steve kommt durch die Gänge der Betten gesprintet und wirft sich auf seine Schwester. Dabei ruft er: „Aufgestanden, mein Herzblatt."Ihre Antwort ist ein gellender Schrei und eine Faust auf seiner Nase.„Du Arschloch, ich bin doch wach."
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My Ghosts
Teen FictionEr legt die Hand genau an die Stelle, die er eben geschlagen hat. "Diese Erinnerungen machen dich nicht schwächer. Sie machen dich stärker." Ich fasse nach seinen Fingern und streife sie ab. "Aber was ist wenn ich zu viele habe? Was ist wenn sie mi...