Kapitel 10: Tödliche Wahrheit

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Ich stoppte.
Und starrte ihn an.
Er sah eigentlich aus wie Feder, nur dass er weiß war und seine Augen bernsteinfarben. Seine Flügel waren grau mit einem leicht silbernem Schimmer.
"Steintänzer.", sagte ich atemlos.
Ich wusste nicht woher ich seinen Namen so plötzlich kannte, aber ich wusste mit einem Schlag alles über ihn und hatte alle Erinnerungen wieder im Kopf.

Wir standen auf einer unendlich weiten Fläche, die an einen gerodeten Acker erinnerte. Steintänzer stand zu meiner Rechten und tänzelte unruhig hin und her. Ich schaute mich um, doch auf der ganzen Fläche war niemand zu sehen und auch keine Anzeichen von irgendetwas zu finden.
In weiter Ferne sah man Berge, aber es würde Wochen brauchen dort hin zu gelangen.
Ich drehte mich ruckartig um.
Ich hatte ein Geräusch gehört.
Zuerst konnte ich nichts erkennen, doch dann nahm ich einen schnellen Schatten aus meinen Augenwinkel wahr, drehte und sprang auf Steintänzer in einer einzigen Bewegung und mit dem selben Gedanken hoben wir ab in den dunstigen Himmel.
Der Nebel umhüllte uns bald und so flogen wir ins Ungewisse, geleitet vom Gedanken zu entkommen. Doch uns wurde bald klar, dass das nicht der Ausweg war.
Wir wissen kaum noch, wo oben und unten ist, wir müssen warten bis der Nebel verschwunden ist.
Aber sie lauern auf uns.
Dann werden wir eben kämpfen. Wir können das schaffen, zusammen. Aber hier oben werden wir uns verlieren und sterben.
Da unten könntest du auch sterben.
Man kann immer sterben, aber hier im Nebel ist es wahrscheinlicher, als da unten. Du weißt, dass wir kämpfen können!
Na gut.
Schon schlug Steintänzer eine neue Richtung ein und flog gen Boden. Er flog in kleinen Kreisen, Stück für Stück abwärts und ließ sich dann das letzte Stück gerade gleiten, bis er auf dem Boden aufsetzte. Ich schwang mich herab und spürte meine Haare fliegen. Sie wellten sich sanft und wurden vom Wind zum Herumwirbeln getrieben. Ich hörte ein Geräusch.
4 Uhr.
2.
3.
Steintänzer und ich sprangen beide zur Seite und ich spürte den Wind, den der schwarze Schatten verursachte, als er uns verfehlte.
Dann stand die Welt still und ich betrachtete unseren Feind.
Es war Ravenna.
12 Uhr.
Jetzt.
Und schon wirbelte Ravenna auf uns zu, doch sie knallte nur gegen eine gewaltige Schutzwand, die ich errichtet hatte.
Ich hielt die Wand aufrecht und schmiss sie mit beiden erhobenen Händen nach rechts, während ich selbst nach links flog und mich gekonnt über meine rechte Schulter abrollte.
Okay?
Perfekt.
Wir brauchten nicht viel, um uns zu verständigen.
En, rechts!
Ohne zu Zögern sprang ich nach rechts, wissend, dass er mir gerade das Leben rettete und sich auf den schwarzen Schatten stürzte.
Ich wusste auch, dass er sterben würde, wenn ihm niemand half.
Auch wenn er mich dafür anschreien wird.
Ich rannte auf Ravenna zu und wusste, dass sie mich kommen sah. Sie drehte sich unter Steintänzer weg und wollte ihm soeben einen Dolchstich versetzen, als erneut die Welt stehen blieb, ich ihr das Messer aus der Hand schlug und gegen eine plötzlich aus dem Nebel vor uns aufgetauchte Wand schmiss.
Man hörte einige Knochen brechen und ich sah schon ihren Gegenschlag, auf den ich reagieren wollte, als mich etwas zurückzog und auf den Boden warf.
Ich versuchte mich aufzurappeln, doch ich wurde abermals zurückgeworfen und nach hinten gestoßen. Es war ein Windstoß, der mich zurückwarf und erneut meine Haare in Wallung brachte.
Ohne etwas durch den Nebel erkennen zu können wusste ich, wer hier war.
Ich spürte ihn.
Was soll das?!
Ich bekam keine Antwort, doch dass hatte ich erwartet.
Er wollte nie, dass ich in Gefahr geriet.
Er wollte mich vor allem immer beschützen, doch ich hatte so langsam keine Lust mehr, wie ein Baby behandelt zu werden, wenn ich doch genauso gut kämpfen konnte.
Ich stand fest entschlossen auf.
Aber wiederrum stellte sich mir jemand in den Weg.
Wag es ja nicht. Wir haben das hier unter Kontrolle, aber das ist eine Nummer zu groß für dich, Enya.
Steintänzer bring sie nach Hause.
Feder stand ebenso entschlossen vor mir, wie ich entschlossen war zu kämpfen.
Woher wollt ihr das wissen?! Wir hatten alles super unter Kontrolle bis jetzt!
Bevor Feder reagieren konnte, rannte ich an ihm vorbei.
Mir war absolut bewusst, dass ich um ein vielfaches schneller war als er.
Ich war ein Gepard.
Dagegen kommt niemand an.
Ich verwandelte mich zurück und schaute mich um, doch ich sah nur dicke Nebelschwaden um mich herum. Also folgte ich meinem Gehör. Rechts. Vorwärts. Ein Stückchen noch.
Ich sah Ravenna auf mich zufliegen.
Diesesmal war ich aber nicht darauf vorbereitet.
Ich wusste, dass ich eine Dummheit begangen hatte.
Wieso bin ich nur so stur?
Ich hatte keine Zeit, mich darüber aufzuregen, ich musste nachdenken, lange würde die Zeit nicht mehr stehen bleiben.
Doch mir fiel nichts ein.
Ich war wie angewurzelt und konnte nicht rennen. Deshalb sah ich nur Ravenna mit ihrem Dolch auf mich zurennen.
Unfähig irgendetwas anderes, sinnvolles, zu tun, sah ich sie an und beobachtete, wie ihr Gesicht auf mich zu raste. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen.
Ein Grinsen, wie nur eine Krähe es konnte. So voller Vorfreude auf den Tod ihres Gegners, voller Erfüllung durch ihren bevorstehenden Sieg.
Und ich war ein kleines Würmchen.
Früher hatte es immer jemanden gegeben, der mich beschützt hatte, doch jetzt hatte ich mich selbst für groß genug gehalten und musste nun die schmerzhafte und tödliche Wahrheit einsehen.
Mein Tod wird eine gerechte Strafe für meine Dummheit.
Ich schloss die Augen und wartete auf meine Erlösung.
Und da kam sie.
Ich wurde nach hinten geschleudert und spürte etwas Spitzes. Doch es berührte mich kaum.
Vielleicht wollte Ravenna warten, bis ich meine Augen aufmachte, damit sie dem Tod entgegen sehen könne.
Also öffnete ich meine Augen und fand ein völlig anderes Bild vor, als ich es erwartet hatte.
Ich lag auf dem Boden und auf mir lag er mit dem Rücken zu mir, einen Dolch in der Brust, welcher diese vollständig durchbohrte und mich leicht streifte.
Ich keuchte vor Entsetzen und Wut.
Ich kniete neben ihn.
Ich schaute seine Brust an und hatte bei dem Versuch, ihn zu Schultern genug Probleme, als ich den Schatten wieder wahrnahm. Ich hörte das höhnische Lachen Ravennas und sah zwei silberne Dolche in ihren Händen aufblitzen.
Ich legte ihn so sanft und schnell es ging ab und wandte mich Wutentbrannt Ravenna zu.
Ich stellte mich schützend vor ihn.
Ich beschütze dich.
Ich hörte nur ein schwaches Keuchen hinter mir, das mir Tränen in die Augen trieb. Doch ich biss die Zähne zusammen und machte mich bereit.
"KOMM DOCH!", schrie ich Ravenna entgegen.
Ravenna hielt wenige Meter entfernt inne und ich bemerkte, dass sich der Nebel langsam verzog.
Ich drehte kurz meinen Kopf und sah Feder und Steintänzer mit drei der dunklen Geschöpfe kämpfen.
Ich schaute wieder auf Ravenna und dachte verbittert nach, doch ich hatte keinen Einfall. Keinen Plan. Nichts.
Ich bin verloren.
Nein! Ich muss ihn beschützen!
Und dieser Gedanke brachte mich auf eine ganz spezielle Idee.
Ich brach in Tränen aus und schwankte.
Er wird sterben, wegen dir.
Ich hörte die Worte in mir wiederhallen und ihre Wirkung war grenzenlos.
Der Schmerz durchdrang alle meine Sinne und lähmte sie.
Dann klappte ich zusammen, fiel zu Boden, als letzter Gedanke eine brilliante Idee, die umzusetzen versucht hatte.
Ich spürte, dass Ravenna nun neben mir stand.
Jetzt war es nur noch eine Frage, wem sie zuerst das Leben nehmen wollte. Ich spürte ihren Atem an meinem Ohr, während sie ihre Abschiedsworte flüsterte.
"Tschüss, Prinzesschen. Schlaf gut, auf Ewig."
Sie holte aus zu ihrem finalen Schlag, der meinen Tod bedeutete.
Das war der Moment auf den ich gewartet hatte.
Ich hob meine Arme und zog alles aus ihr heraus.
All die Magie, als die Macht.
Es floss wie ein unaufhörlicher Fluss aus ihr heraus, durch meine Hände.
Sie schrie und konnte sich nicht bewegen, sie war machtlos.
Ich bündelte all die Kraft in meinen Händen und schleuderte sie gegen Ravenna.
Ravenna flog, so weit, dass ich nicht sah, wo sie landete, doch ich hörte den dumpfen Schlag von ihrem Aufprall, gefolgt von dem Krachen ihrer Knochen.
Mein Plan war aufgegangen.
Doch bevor ich mich zum nächsten Punkt wenden konnte, hörte ich einen Schrei.
Es war nicht Ravenna.
Aber es war auch eine Krähe.
"Netra.", sagte ich emotionslos und so leise, dass es niemand anderes hören konnte.
Meine Gedanken wirbelten sofort wieder umher.
Was wenn Netra jetzt angreift?
Oder die ganze Armee?
Ich hätte keine Chance.
Wir würden sterben. Alle.
Doch ich spürte etwas anderes, dass mich ungemein beruhigte.
Netra war mit ihrer Mutter und den dunklen Geschöpfen abgehauen.
Ein Triumphgefühl erfüllte meinen Körper und ich sah Feder und Steintänzer herbei eilen.
Ich drehte mich nun zu dem wichtigsten in meinem Leben zu.
Die Person, die sich für mich geopfert hatte und die ich nun retten musste.
Ohne ihn hätte mein Leben keinen Sinn.
Ich schaute ihm ins Gesicht.

Doch es war weg.
Alles war weg.
Die Erinnerung war zu Ende.
Ich brach auf der Erde zusammen und Feder und Steintänzer beäugten mich besorgt.
Unter Tränen versuchte ich mich zu fassen und zu berichten, was passiert war, doch ich scheiterte.
Ich hatte keine Kraft mehr, sei es weil meine Muskeln nicht wirklich existent waren oder weil ich schon wiedr daran gescheitert war, meinen Verlobten, meinen Freund, meine Seele, meine andere Hälfte, meine bessere Hälfte, mein Leben, zu erkennen.
Wieso kann ich mich nicht an dich erinnern?
Ich weinte. Und ich fand kein Ende und keine Erfüllung darin.
Ich hatte nicht das normale Gefühl, das tröstende Gefühl, dass einem das Weinen normalerweise gab.
Ich fand es nicht. Es kam nicht.
Ich fiel einfach immer weiter.
Immer weiter in ein schwarzer Loch, unendlich und dunkel.
Mich suchten die düstersten Gedanken heim.
Wenn ich jetzt von Selbstmord sprechen würde wäre es eine mehr als freundliche und milde Beschreibung für diese Gedanken.
Ich fiel und fiel und fiel langsam in eine Trance traurig seltsamer Melancholie, die mich von innen heraus verspeiste und schluckte.
Dass mich in Wirklichkeit die beiden Samtdrachen zurückgebracht hatten und Kristzn mir ein Schlafmittel gegeben hatte, hatte ich nicht mitgekriegt, aber dass war was man mir am nächsten Tag erzählte.
Durch meinen erneutigen Zusammenbruch hatte Kristzn ein bestärkendes Argumemt gesehen, um ihn am Leben und mich zu ihm zu lassen.
Erstens hatte sich dabei auch tatsächlich durchgesetzt.
Allerdings bezweifelte ich, dass es Kristzn war, der Drace überzeugt hatte.
"Das war Ketzia.", sagte ich zu Pinto, der gerade die Wache übernahm.
Ich hatte es am liebsten, wenn Pinto die Wache machte, da es sich bei ihm am wenigsten nach einem ernsthaften Job anfühlte, sondern mehr wie ein Freund der zum Plaudern vorbei kommt.
Mir missfiel der Gedanke, dass man mich bewachen musste, da ich sonst Dummheiten begehen könnte, wie zum Beispiel Selbstmord.
Ich sah mich nicht als suizidgefährdet, auch wenn die letzte Nacht nicht das beste Beispiel dafür war.
Ich hatte noch die Hoffnung, dass ich mich an ihn erinnere und er aufwacht.
Und solange ich diese Hoffnung habe, bringe ich mich auch nicht um.
Über etwas anderes dachte ich jetzt besser auch nicht nach.
"Das könnte sein, sie hatte Drace wirklich mit dem Tod gedroht.", sagte Pinto amüsiert und rüttelte mich damit wach.
"Verdient, wenn du mich fragst."
Ich verengte die Augen zu Schlitzen und schaute ihn herausforderend an.
Er hob nur unschuldig die Schultern.
"Ich halt mich da raus."
"Pinto!"
Ich schüttelte gespielt enttäuscht den Kopf und hob arrogant das Kinn.
"Schau nicht so, steht dir nicht.", sagte er grinsend und kniff mir sanft in die Backe.
Ich lachte und schüttelte leicht den Kopf.
Pinto munterte mich wirklich immer wieder auf und das tat mir sehr gut.
Mein Leben verlief nicht so wie es sollte, es hatte zu viel Auf und Abs.
Es glich damit mehr einer Berg-und Talfahrt, zu der ich niemals zugestimmt hätte, doch niemand hatte mich gefragt und einfach in das Chaos gesteckt.
Ich konnte nur noch nicht sagen, ob ich der Person am Ende dankbar sein sollte oder sie verfluchen müsste.

Wer auch immer es war, hat damit eine extreme Wende in meinem Schicksal verursacht.
Wer bist du?

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Hey Hey Heyyy!
Dieses Update kam ja jetzt für meine Verhältnisse unglaublich schnell, aber ich hoffe einfach es hat euch gefallen. Ich hatte auf jeden Fall Spaß beim Schreiben, da ich wusste, dass ich mich am Ende für 180 Reads und 30 Stimmen bedanken dürfte!!
Danke für alle die meine Geschichte lesen, auch wenn sie fast noch in den Anfängen steht( wir kommen so langsam dem Hauptteil entgegen, wenn man das bei einer Geschichte aucj sagen kann... :D).
Also nochmal ein riesen Dankeschön und viel Spaß weiterhin!♡

Eure Alibi♡

Unforgettable ~ MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt