Dunkelheit... Nein. Die Nacht war dunkel. Für das naive menschliche Auge schwarz. Undurchschaubar. Undurchdringbar. Dabei verurteilten wir sie nur. Denn sie war keineswegs finster. Aber wir vergaßen so leicht den Mond und die Sterne. Sie leuchteten, zwar nicht so stark und hell wie die Sonne, aber sie spendeten uns Licht. Deshalb durften wir des Nachts nicht von Finsternis und Schwärze sprechen. In Wirklichkeit war sie von Schatten und Dunkelheit beherrscht.
Doch jetzt war es keine Dunkelheit, die mich umgab. Ich befand mich inmitten tiefster Schwärze. Die Finsternis hüllte mich ein. Machte mich zu einem ihrer gefangenen Sklaven. Blind. Taub. Stumm. Niemals hätte ich es gewagt sie mit einem Laut zu durchbrechen. Entweder er würde einfach verschluckt werden oder aber er machte jemanden auf mich aufmerksam, über dessen Gesellschaft ich in keinster Weise erfreut wäre.
Deshalb blieb ich still. Was für meinen eigenen psychischen Zustand aber nicht sehr viele Vorteile mit sich brachte. Seine Ängste einfach stumm herunterzuschlucken sorgte nur dafür, dass sie sich langsam aber sicher immer tiefer die eigene Seele hinab fraßen. Und irgendwann trafen sie auf Grund. Dann gab es das einstige Ich nicht mehr. Dann wurde schon so viel gefressen, dass die Seele nur noch als Schatten ihrer selbst existierte. Doch das Licht, welches diesen Schatten warf wurde von Sekunde zu Sekunde weniger. Bis es ganz erlosch. Und alleine konnte sich die herab brennende Kerze nicht retten. Nur jemand anderes konnte kommen und ihr neue Nahrung und einen besseren Platz zum brennen geben. Doch wer würde sich schon um eine mickrigen, fast vollständig abgebrannten Kerzenstummel kümmern?
Niemand. Sie war der Welt egal. Eine einzige Kerze in einem Meer aus Lichtern. Warum sich also die Mühe machen sie immer wieder vor dem Ausgehen zu retten, wenn man doch einfach bloß die nächste anzuzünden brauchte?
Es gab keinen Grund. Zumindest keinen logischen. Aber wann war der Mensch auch logisch? Er handelte immer nur aus Gefühlen und Instinkten heraus. Und einer dritten maßgeblichen Konstante. Langeweile.
Aus Langeweile gab er der Kerze Nährstoffe, damit sie wieder ein kleines bisschen auflebte. Und sobald sie dann begann sich zu erholen stellte er sie wieder alleine in die Finsternis und ließ sie von neuem sterben, nur um sie dann wieder zurückzuholen. Ihre Todesqualen und ihr Leid, wenn ihr die Erlösung verwehrt wurde verschönerten sein eigenes Leben. Gaben ihm ein Machtgefühl. Machten ihn zu einem Herrscher. Und die Kerze zu seinem Sklaven.
Ich war so eine Kerze. Alleine, gefangen in der Finsternis. Und nur darauf wartend, dass er endlich kommen würde, damit das Spiel wieder von vorne losging. Man musste es als Spiel ansehen, sonst zerbrach man daran. In der Realität würde ich einfach aufgeben, doch im Spiel konnte ich mit höherem Einsatz spielen. Nur so hatte ich bis jetzt durchhalten können. Doch der Herrscher setzte mehr und mehr seine Joker ein. Die Stimmen aus dem Hintergrund, dem Nebel, der Stille. Sie riefen nach mir, wenn ich allein war. Flüsterten mit diabolischem Gelächter, dass ich dieses Spiel niemals gewinnen könnte.
"Es kann nur..."
"...einen Gewinner geben..."
"Und dieser wurde schon..."
"...vor Beginn des Spiels..."
"...bestimmt..."
"Und du..."
"...bist es nicht..."
"Du wirst verlieren..."
"Das Spiel..."
"...deinen Körper..."
"...und deine Seele..."
'Meister?' Blinzelnd vertrieb ich die letzten Reste des Schlafes und richtete mich langsam in dem übergroßen Schaukelstuhl, der mir letzte Nacht als Bett gedient hatte auf. Ich könnte schwören, meine Schultern sehr sehr ungesund knacken gehört zu haben, aber ich war im Moment nicht in der Lage mir darüber Gedanken zu machen. Die waren nämlich noch mit meinem Traum beschäftigt. Was zur Hölle war das gerade? Ich träumte nur sehr selten. Und wenn, dann konnte ich mich nie richtig daran erinnern. Nur bruchstückhafte Bilder blieben zurück, die aber meist nach einigen Stunden völlig vergessen waren. Aber jetzt hatte ich noch alles klar und deutlich vor Augen. Was mich noch weiter verwirrte. Ich befand mich selbst in dieser unendlich erscheinenden Finsternis und doch war ich ein Zuschauer von außen. Diese Gedanken, das waren nicht meine. Sie waren körperlos, schwebten im Raum und kamen gleichzeitig aus meinem Kopf, als würde ich sie selbst erschaffen. Und doch flüsterte der Sprecher sie mir zu, als seien sie nur für mich bestimmt. Ich konnte seine Emotionen geradezu greifen, so stark waren seine Worte von ihnen geprägt. Seine Angst, seine Trauer, sein Selbstzweifel, seine Resignation und seine Wut. Ja, sein Zorn war bestialisch und doch so gut versteckt in dem Gewirr der anderen Gefühle gewesen. Als wüsste er selbst nicht, was da unter seiner Oberfläche brodelte. Als wüsste er nicht, dass er kurz davor stand auszubrechen. Wie ein Vulkan. Oder zu implodieren.
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Fire with Fire [LGBT] ✔
FantasyTo defeat fire you have to become fire... "Warum denkst du, dass ich mir ein Märchen gewünscht habe?" Verwirrt unterbrach ich meinen egoistischen, wie sehnsüchtigen Gedankengang. "Was?" "Warum denkst du, ich will einen Ritter oder Prinzen, der mich...