Kapitel VI

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"Das Herz will, was es will und nichts kann es besänftigen."

Meine Finger hielten nicht inne, strichen immer wieder hauchzart über die schwarze Löwenmähne, deren Besitzer sich unbewusst im Schlaf an meine Brust gekuschelt hatte. Während dieser Ruhephase des Körpers waren Menschen ehrlich, nicht in der Lage zu lügen. Ihre innersten Sehnsüchte und Ängste waren so leicht zu offenbaren. Meist enttarnten sie sich sogar selbst. Wie Rileys Wunsch nach Geborgenheit und Schutz.

"Und was will mein Herz?" Ich schlief nicht. Zum einen, weil ich den jungen Mann in meinen Armen so besser beschützen konnte und zum anderen, weil mich eben jene Dialogpartnerin nicht mit ihrer Weisheit in Frieden ließ.

"Die Welt in Brand stecken. Mit ihm als dein Feuerzeug."

Ich hob meinen Blick von der schlafenden Schönheit zu einer anderen. Im Moment helleren. Leuchtenden. Diesmal schwebte der Feuergeist in Form eines Phönix neben dem Bett. Die brennenden Federn erhellten den nächtlich, düsteren Raum und warfen zuckende Schatten an die Wände. Schwarz und Grau schienen miteinander zu spielen als das Rot sie jagte.

"Er reagiert auf dich, Jason", erklang die alte, aber dennoch sanfte Stimmer voller Geheimnisse und Erfahrungen in meinem Kopf erneut.

"Er ist ein Mensch!"

"Aber keiner wie die, mit denen du vorher deine Romanzen hattest! Er ist feinfühliger. Er spürt die Grenze nicht nur, er tastet sich an ihr entlang und sucht unbewusst nach einem Weg sie zu überqueren. Das heißt er ist affin. Zu unserer Welt, und noch stärker, zu dir. Er reagiert auf deine Kraft und nimmt sie in sich auf. Er wird ein Teil von dir. Das musst du doch schon bemerkt haben!"

Seufzend ließ ich den Kopf hängen. "Ich habe es vermutet... Manchmal, da glaube ich den Funken in seinen Augen für einen Moment aufflackern zu sehen. Aber letzten Endes tue ich es aus Angst vor den Konsequenzen immer ab."

"Was ist daran so schlimm, wenn er die Grenze überschreitet?" Sie schien es wirklich nicht zu verstehen!

"Er ist ein Mensch! Es wird ihn umbringen!"

"Du warst auch mal ein Mensch und hast es überlebt." Sonst brachten mich ihre weisen, so überlegenen Augen stets zum Nachgeben. Nur jetzt nicht. Jetzt war es zu viel, zu nah, zu persönlich, als dass ich einfach auf die Worte einer ewigen, nicht menschlichen Kreatur hören könnte. War ich mir doch in all den Jahren, die ich schon mit ihr verbracht hatte nicht mal sicher, ob sie überhaupt menschenähnliche Gefühle besaß. Dafür konnte sie zu gut täuschen und lügen.

"Ich war noch ein Kind. Ein leeres Gefäß, wie du es genannt hast. In einem erwachsenen, menschlichen Körper befinden sich zu viele gepolte Energien, als dass man noch etwas hinzufügen könnte, ohne das Gleichgewicht zu stören... Und verdammt noch mal, ich bin schon dabei es zu zerstören!" Frustriert seufzend fuhr ich mir durch die Haare, bevor ich mein Gesicht in den Händen vergrub.

"Vielleicht auch nicht." Als ich wieder aufsah hatte sie ihre Form gewechselt. Nun stand eine Frau mit feuerrotem Haar und glühenden Augen vor mir. Ein langes, rotes Gewand schien sie wie einen Wasserfall zu umfließen. Sie war wunderschön. Einzig der fehlende Mund störte die perfekte Komposition.

Doch das machte mir schon lange nichts mehr aus. Angespannt und neugierig zugleich verfolgte ich wie sie ihre Hände knapp über Rileys Körper hielt, wo sie zu glühen begannen. "Es ist eher anders herum."

"Wie soll ich das jetzt verstehen?", fragte ich verwirrt, als sie ihre Hände wieder sinken ließ.

"Sein Gleichgewicht kann nicht von dir gestört werden, weil es das schon ist. Es scheint als wäre es praktisch nicht vorhanden. Irgendetwas mit gewaltiger Macht, aber dennoch menschliches hat es zerstört..." Die Narben, schoss es mir sofort in den Kopf. Wer auch immer sie Riley zugefügt hatte, war auch dafür verantwortlich.

Fire with Fire [LGBT] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt