Wie ich mir ziemlich viele Feinde mache und gerettet werden muss

787 47 13
                                    

Ardian

Ich hockte im Dunkeln auf der Straße, weil er mich raus geworfen hatte. Einfach so, ohne Rücksicht auf die Tatsache zu nehmen, dass es regnete. Ich meine, klar, ich hatte mein halbes Leben so verbracht, aber trotzdem war es ernüchternd, wieder hier zu sitzen, ohne Geld, ohne alles. Ich kam mir ein wenig albern vor, als ich darüber nachdachte, zur Brücke zu gehen. Sie würden mich nicht wieder aufnehmen. Ich hatte es mir sowohl mit ihnen als auch mit fast allen anderen hier verscherzt. Ich hatte die Regeln missachtet, also war es meine Schuld.

Aber aus welchem Grund Zack mich jetzt raus geschmissen hatte, wusste ich nicht genau. Wahrscheinlich hatte er einfach genug von mir und davon, dass ich sein Wasser, seinen Strom und sein Essen beansprucht hatte. 

Seufzend stand ich auf und bemerkte meinen knurrenden Magen. Ich brauchte etwas zu essen, sofort. Ich hatte kein Geld, deshalb kam nur der Supermarkt in Frage. Ich hatte mir eigentlich für 2016 den Vorsatz genommen, mit dem Klauen aufzuhören, aber na ja... was soll's. 
Es waren kaum Leute im Laden, ein Vorteil für mich. Ich wusste genau, wo sich die Kameras befanden, und wie ich mich hinstellen musste, um unbemerkt ein paar Sachen einzustecken. Ich ließ eine Oma passieren, sah dabei ihren Geldbeutel und griff danach. Ja, ich weiß, es gehört sich nicht, eine alte Frau zu beklauen, die nur von ihrer Rente lebt, aber zu meiner Verteidigung: Ich lebte von quasi gar nichts. 

Ich zog ein paar Scheine aus dem Portemonnai, die mich ein paar Tage über die Runden bringen konnten, steckte sie ein und räusperte mich. "Ma'am?"

Die Oma drehte sich um.

"Sie haben ihren Geldbeutel verloren", sagte ich und lächelte gezwungen. Ich streckte meine Hand aus und drückte ihr das Ding in die Hand. Ich wollte mich schon umdrehen, da zog sie mit ihren zittrigen Händen einen Fünfer hervor und wollte ihn mir geben. Aber ich wollte nicht noch mehr von ihr haben, ich hatte ihr bereits vierzig Euro abgeknüpft. 

"Oh, nein danke, ich brauche das nicht!", wehrte ich ab, aber sie ließ sich nicht davon abbringen und schließlich nahm ich das Geld mit missmutigem Blick. 

Ich war ganz froh, jetzt nichts mehr klauen zu müssen, vielleicht könnte ich an meinem Vorsatz doch noch festhalten, bis mir einfiel, dass Omas beklauen auch zum Vorsatz gehörte. Außerdem sah ich dann kurz vor der Kasse die Zigarettenabteilung, und wusste, dass ich nicht widerstehen könnte. Ich rauchte bereits seit ich 14 war, also seit zwei Jahren, und musste mir die Packungen immer wieder klauen, weil ich kein Geld hatte. Jetzt hatte ich zwar Geld, aber ich müsste die nächsten Tage ja auch noch irgendwas essen. Ich griff zwei Packungen, ließ sie in meinen Hemdärmel gleiten und legte das restliche Zeug auf die Kasse. Für sechs Dosen Bier, einen neuen Rucksack und drei Fertig-Sandwiches durfte ich von den 45 Euro schon knapp 30 hinblättern, und in diesem Moment war ich froh, dass ich die Zigaretten geklaut hatte. 

Ich verließ den Laden und begann sofort eins der Brote zu essen. Es hatte aufgehört zu regnen, was mir die Nacht um einiges erleichterte. Ich lief die Straße entlang und überlegte, wo ich die Nacht über bleiben sollte. Unter die Brücke konnte ich nicht, zurück zu Zack schon gar nicht und um ehrlich zu sein wollte ich das auch nicht wirklich. Sonst kannte ich hier niemanden. Ich könnte nachschauen, ob eine Schule offen wäre, oder irgendein anderes öffentliches Gebäude, entschied ich. Ich versuchte mir eine Zigarette anzustecken, was bei dem Wind fast unmöglich war, aber letztendlich schaffte ich es doch. Ich war dankbar dafür, denn es wärmte mich von innen ein bisschen. Ich brauchte eine neue Jacke, das Hemd war viel zu kalt. Ich würde mich morgen darum kümmern.
Ich hasste Köln nachts und war mal wieder neidisch auf die ganzen anderen Jungs in meinem Alter, die ein eigenes Bett hatten. Ein eigenes Bett, ein eigenes Zimmer, ein Handy, einen Laptop, aber das wichtigste, eine Familie. Es machte mich fertig, nichts davon zu besitzen, nicht mal für nur einen Tag. Ich hätte schreien können, und gegen Wände schlagen können, aber die Wunden an meinen Händen von meinem letzten Ausraster hielten mich davon ab. 

I Knew You Were Trouble | TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt