Yoshiro

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Ich hing tagelang bloß mit Zack in Wohnung rum, aber er verhielt sich ausgesprochen ruhig. Außer zwei Mal rührte er mich nicht an, zumindest verprügelte er mich nicht. Sex wollte er trotzdem noch, und ich gab ihm was er wollte, ohne Widerworte. Er hatte meinen Finger notdürftig bandagiert und geschient, aber mir war klar, wenn er das nicht im Krankenhaus richten lassen würde, würde der Knochen schief zusammenwachsen. Anscheinend war Zack das aber herzlich egal, von daher war es mir auch egal.

Ich saß auf dem Sofa und starrte die kalte weiße Wand an, als Zack mit einem großen Typen den Raum betrat. Träge drehte ich den Kopf und betrachtete den Fremden von oben bis unten. Er trug einen Anzug, hatte müde Augen, mit dunklen Augenringen. Seine Haare waren pechschwarz und reichten ihm bis über die Ohren. Einzelne Strähnen hingen wirr in seiner Stirn. Er hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben und starrte mich interessiert an. 

"Ardy, mein Baby." Zack lehnte sich zu mir und drückte mir einen Kuss auf die trockenen Lippen. 

"Hallo", gab ich krächzend von mir und schob noch ein angewidertes "Daddy" hinterher, als er mich warnend ansah. In letzter Zeit hatte er drauf bestanden, dass ich ihn so zu nennen hatte und ich nahm es recht willenlos hin, weil ich keine Lust auf 'Streit' hatte. Aber jetzt, vor einer anderen Person, die mich anstarrte, als wäre ich ein Stück Kuchen zum Vernaschen, war es mir eigentlich nicht recht. 

"Das ist Yoshiro." Zack klopfte dem Mann auf den Rücken und grinste breit.

Erst jetzt vielen mir die eindeutig asiatischen Züge in Yoshiros Gesicht auf. Er lächelte nicht, trotzdem strahlte er eine positive Aura aus.

"Aha", gab ich uninteressiert von mir.

"Er wird demnächst auf dich aufpassen, mein Kleiner." Ich musste fast kotzen, als ich die Anrede an mich hörte. "Zu Dennis und Benni wirst du wohl nicht mehr gehen, das ist mir zu unsicher. Aber vertrau mir, egal was du unserem neuen Freund hier erzählst, er wird finden, dass ich genau richtig gehandelt habe." Zack zwinkerte mir zu. "Und ich hab ihm versprochen, dass er dich so oft benutzen kann, wie er möchte, das ist Teil seiner Bezahlung."

Ich sagte nichts, sah nur zu Yoshiro, der immer noch regungslos dort stand. Ich konnte ihn schlecht einschätzen, so ruhig, wie er war, aber er kam mir einfach nicht vor, wie jemand, der wie Zack war. Das kam mir falsch vor, es passte nicht zu seinem Image. Normalerweise erkannte ich Schläger bereits an ihrem Auftreten, ihrer Verhaltensweise. Aber dieser Mann blieb mir verborgen. 

Yoshiro setzte sich langsam neben mich und betrachtete mich eine Weile stumm. Zack hatte das Zimmer verlassen und tat irgendwas im Bad, wahrscheinlich holte er sich einen runter. Sollte mir egal sein.

"Wie alt bist du, Ardy?", fragte Yoshiro mit leiser Stimme. 

"Sechzehn", murmelte ich heiser.

"Das ist sehr jung. Wie bist du ihn die ganze Sache hinein geraten?"

Ich ignorierte seine Frage und blickte ihn stattdessen an. "Wie alt sind sie denn, Sir?"

Er kniff die Augen zusammen und ich war mir nicht sicher, ob  es ein wütender oder überraschter Ausdruck war. Wütend, weil ich nicht auf seine Frage geantwortet hatte, oder überrascht, dass ich ihn mit 'Sir' ansprach. Aber tatsächlich hatte ich es so gelernt, damals in der Schule. Ich hatte eine sehr strenge Privatschule besucht, und da war es Pflicht gewesen. Ich hatte es mir nie richtig abgewöhnen können, fremde, ältere Männer mit Sir anzusprechen.

"Fünfundzwanzig." 

Es war wohl Überraschung gewesen. 

Ich dachte nach. Neun Jahre. Das war viel, wenn man bedachte, dass es damit eigentlich illegal war, Sex mit ihm zu haben, weil ich minderjährig war. Tatsächlich war es mir aber egal, denn er sah gut aus, und so ruhig wie er war, hatte ich das Gefühl, er war ein guter Mensch, der niemanden unnötig strapazierte. Außerdem hatte ich die Hoffnung, er würde mich von Taddl ablenken können.

Taddl...


Thaddeus

Ich konnte nur an Ardian denken.

Mein Herz raste schneller, jedes Mal, wenn mir sein elfengleiches Gesicht in den Sinn kam. 

Meine Hände begannen zu zittern, jedes Mal, wenn seine gebrochenen und doch so starken Augen in meinem Kopf auftauchten. 

Mein Mund wurde trocken, jedes Mal, wenn ich seine Lippen wieder auf meinen spürte.

Ich vermisste ihn und mir wurde bewusst, wie sehr ich mich in ihn verliebt hatte. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass Ardian ein besonderer Mensch war. Wie er neben mir in der Klasse gesessen hatte, nervös und unsicher, wie er an der Tafel gestanden hatte, die Kreide in der Hand, fast weinend. Wie er mir gestanden hatte, die Wörter an der Tafel nicht lesen zu können. Wie er vor Angst einfach weggelaufen war. 

Wie er mich verteidigt hatte, alles auf sich genommen hatte, nur um mich zu retten. Nur damit mir nichts passierte. 

Wie hatte ich so etwas verdient? 

So etwas unschuldiges, wunderbares. Einen Menschen, der sich selbst aufgibt, um andere zu retten. 

Ardian war so kaputt, so zerstört und stand trotzdem immer wieder auf, nur um sicher sein zu können, dass anderen nichts passierte. 

Vielleicht war er tot. Vielleicht hing er irgendwo in einer verdreckten Wohnung bei diesem Arschloch Zack und verhungerte. Vielleicht wurde er weiter misshandelt, missbraucht, oder schlimmer, verbraucht.

Wie lange könnte er das noch durch stehen?

Wie lange würde es noch dauern, bis er nicht mehr konnte, nicht mehr wollte und wahr machte, was er mir prophezeit hatte?

Entweder er, oder Zack.


Ardian

Yoshiro war wirklich nett. 

Seine Hand lag auf meinem Oberschenkel und es fühlte sich nicht einmal bedrängend an, oder eklig. Er war näher gerutscht, aber es war nicht einengend, eher freundlich.

"Möchtest du mir erzählen, was du und Zack schon so alles gemacht habt?", fragte Yoshiro mich und blinzelte frech. 

Ich sah ihn fragend an. "Sir?"

"Intim."

"Oh." Ich starrte an ihm vorbei und überlegte. "Na ja..."

"Es muss dir nicht peinlich sein." Yoshiro lächelte. "Ich will nur wissen, was du gewöhnt bist, um dir nicht unnötig weh zutun."

Zack lachte. Ich wusste nicht, ob ich das beruhigend finden sollte und ich wusste auch nicht, ob ich wirklich von Zack und mir erzählen wollte. Aber ich überwand mich, um meinen neuen Babysitter nicht gleich wütend zu machen. 

"Also... Zack mag es sehr gern, wenn ich... 'ein braver Junge bin', wie er es ausdrückt." Ich verzog das Gesicht. "Wissen Sie, er hat Handschellen..." Ich wurde dunkelrot im Gesicht.

Yoshiro lachte leise. "Oh, ich weiß bescheid."

Ich senkte den Blick, so peinlich war mir das ganze irgendwie. Ich mochte es nicht, über Sex und andere intime Dinge zu reden. Es gehörte für mich eigentlich immer zu den Sachen, die man unausgesprochen lassen sollte.

Zack unterbrach unsere Unterhaltung, indem er sich verabschiedete, mit den Worten, dass er bald wieder da sein würde. Er wünschte Yoshiro zwinkernd viel Spaß und drückte mir einen Kuss auf die Lippen.

"Tschüss, Daddy", murrte ich und wollte mich erschießen.

Sobald Zack verschwunden war, drehte Yoshiro sich zu mir. "Okay, Kleiner. Ich helfe dir hier raus."

"Sir?", gab ich mit fragender Miene von mir.

"Ich bin ein Freund von Benni und ich werde dir hier raus helfen, okay?" Yoshiro sah mich ernst an. "Niemand hat so etwas verdient."

"Meinen Sie das ernst?" Ich wischte mir über die Nase. 

"Und wie ich das ernst meine." Er lächelte, und es war das freundlichste, was ich in den letzten Tagen gesehen hatte.

I Knew You Were Trouble | TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt