Ich haue ab

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Nach dem Duschen zog ich Taddls Klamotten an. Sie waren sauber und frisch und rochen gut. Sie waren ganz anders als meine Klamotten. Ich blickte mich im Spiegel an und versuchte meine Haare so hinzukriegen, dass ich nicht komplett blöd aussah. Dann verließ ich das Bad und schlich die Treppe runter zurück zu Taddl. Er hatte bereits zwei Teller auf den Tisch gestellt und löffelte die Suppe hinein. Als er mich sah, lächelte er. Ich stand unschlüssig neben dem Tisch, weil ich nicht wusste, wo Taddl sitzen wollte.

"Setz dich doch!", forderte er mich auf und ich ließ mich auf einen Stuhl fallen. Taddl setzte sich mir gegenüber hin und begann zu essen. Ich tat es ihm gleich.
Es war still, nur das regelmäßige Geschlürfe von Taddl war zu hören.

"Warum bist du so nett?", platzte ich nach ein paar Minuten heraus, die Frage brannte mir schon lang auf der Zunge.

Er schaute mich ungläubig an. "Du bist sechszehn Jahre alt und hast kein zu hause. Ich hasse unser Gesellschaftssystem. Du hast besseres verdient."

"Aber du kennst mich doch gar nicht." 

"Gut genug, um zu wissen, dass dein Lebensablauf nicht fair ist."

Ich sagte nichts. Er hatte recht, aber ich wollte von niemandem abhängig sein.

"Hör zu, bitte bleib diese Nacht hier. Es soll stürmen, nachher kommst du da draußen um!"

"Bin ich fünf Jahre lang nicht, mir wirds schon gut gehen!" Ich starrte die Suppe an. "Ich bin kein hilfloses Kleinkind!"

"Aber ein hilfloser Jugendlicher."

Ich blickte wütend auf. "Das ist nicht witzig."

"Entschuldigung." 

Ich aß die Suppe weiter. Taddl hatte wahrscheinlich kapiert, dass er zu weit gegangen war, denn er blieb stumm. Ich war froh, ich wollte nicht weiter mit ihm reden. Klar, er hatte mir geholfen, aber ich mochte es nicht, mit fremden Menschen zu reden. Besonders nicht, wenn sie so neugierig waren, wie Taddl und nach Dingen fragten, die ich nicht erzählen wollte.
Als ich fertig war, legte ich den Löffel in den Teller und stand auf. 

"Wo willst du hin?", fragte Taddl.

"Ich weiß, wo ich schlafen kann.", sagte ich. "Ich bring dir die Klamotten morgen gewaschen vorbei, ist das okay?" 

"Wo willst du das denn waschen?"

"Waschsalon." Ich sah mich nach meinem Rucksack um. 

"Ich will dich nicht da raus lassen." Taddl deutete aus dem Fenster. Es regnete. 

Na toll, dachte ich. 

"Das macht mir nichts", sagte ich.

Ich hatte mich entschlossen und würde mich nicht davon abbringen lassen. Allerdings schien Taddl das nicht zu merken. Er redete immer weiter auf mich ein. Ich hatte noch nie erlebt, dass jemand so hartnäckig sein konnte, wenn es keinen Nutzen für ihn hatte. Nach ein paar Minuten des Diskutierens gab ich auf. Also nicht wirklich, ich tat nur so. Irgendwie tat es mir leid, wie Taddl sich freute und sofort hoch lief und das Bett in einem Gästezimmer fertig machte. Aber ich wusste, ich konnte mir weder Mitleid noch Schwäche leisten, also klaute ich ein paar kleine Flaschen Wasser aus dem Kühlschrank, packte sie in meinen Rucksack, zog meine Schuhe an und verließ so schnell wie möglich das Haus. 
Als ich gerade die Ecke rumging, hörte ich Taddl meinen Namen schreien und beschleunigte meinen Schritt etwas. Ich wusste, es war unfair, einfach zu gehen, aber was sollte ich denn sonst machen? 
Der Regen durchnässte mich innerhalb von Minuten, aber ich versuchte nicht darauf zu achten. Das hatte ich ewig nicht getan, also würde ich das heute auch überleben.

I Knew You Were Trouble | TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt