Kapitel 3 | Zori

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„Du bleibst bei mir oder Aden, egal was passiert. Hast du verstanden?", erinnerte mich mein Bruder zum wahrscheinlich hundersten Mal.

„Joel! Du nervst!", brachte ich nur frustriert hervor.

Für wie alt hielt er mich? Fünf?

Vielleicht war ich noch nie mit anderen, ohne Erlaubnis, oben gewesen aber alleine hatte ich es schon oft getan. Ich wusste genau so gut, wie man unbemerkt heraus kam aber auch was für Gefahren da oben lauern konnten, auch wenn ich noch nie wirklich welchen begegnet war.

Damit er wusste, dass ich nicht mehr zuhören würde, schaute ich mich in der nun leeren Trainingshalle um.

Sie hatte schon immer groß auf mich gewirkt aber jetzt so leer und dunkel schien sie einfach nur riesig.

Als ich Aden auf uns zuhuschen sah, hoffte ich, dass er mir nicht auch noch eine Predigt halten würde.

Sicherheitshalber stand ich jedoch auf und verschränkte die Arme.

Damit wurde ich zwar nicht größer, wirkte aber nicht ganz so winzig.

"Hi", flüstert er grinsend, als hinter ihm ein weiterer Schatten auftauchte.

July, gefolgt von Soara, die meinem Bruder einen flüchtigen Kuss auf die Lippen drückte. Danach kam auch Koel und wir waren komplett.

„Habt ihr einen bestimmten Weg geplant, wie wir rauskommen?", wollte ich deswegen wissen, damit wir endlich voran kamen.

"Natürlich Kleines. Oder denkst du, wir machen das zum ersten Mal?", fragte Koel grinsend und ging dann voran, um ihn ihr zu zeigen.

Ich ließ ihn seinen Moment und ging brav hinter ihm her, während die Anderen ihn in angespannten Schweigen folgten.

Erst als wir draußen waren und ein wenig vom Eingang weg, schien jeder erleichtert auszuatmen.

Ich genoß den Moment, mit geschlossenen Augen, in dem die frische Luft durch meine Haare wehte.

Als ich sie jedoch wieder öffnete, war mein Bruder nicht mehr neben mir.

Soviel zum Thema immer bei ihm bleiben.

„Wo ist Joel?", fragte ich deswegen an Aden gewandt.

Schließlich sollte ich bei ihm bleiben, wenn Joel nicht mehr da war.

"Soara ist auch nicht mehr da. Das dürfte auch für dich Antwort genug sein, oder?", antwortete mir July und zwinkerte.

„Verschwindest du zufällig auch noch?", rutschte es mir heraus, ehe ich etwas dagegen tun konnte.

"Ich weiß nicht. Aden, was meinst du?"

"Leute bitte. Genießt die Freiheit, die frische Luft und den Sternenhimmel. Und lasst uns etwas unternehmen", ermahnt uns Koel.

"Soll ich dir mal meine Lieblingsplätze zeigen", fragte Aden und lächelte mich an.

„Gerne", gab ich zurück und konnte mir ein grinsen nicht verkneifen.

Hatte er July gerade einen Korb gegeben? Einfach so?

Ihr Blick zeigte, dass sie darüber genau so verstört war wie ich, nur das ihre Gefühle dabei ins negative gingen.

Aden ging los und ich folgte ihm, wobei er die ganze Zeit darauf achtete, dass wir uns nicht zu weit voneinander entfernten.

"Ich liebe den Wald.", gestand er plötzlich und lächelte mich an. Doch es war kein schelmisches Lächeln wie sonst. "Ich war zwar noch ein Baby als wir von Distrikt 7 aufgebrochen sind, aber manchmal vermisse ich meine Heimat. Den Ort wo ich herkomme. Deshalb fühle ich mich hier so wohl.", er lacht und blickt mich an, "Ich klinge albern oder?"

„Nein überhaupt nicht", antwortete ich ehrlich, „Ich kenne nur das hier aber ich weiß wenn deine Eltern von den Wäldern in Distrikt Sieben erzählen. Oder meine Mom von den unendlich wirkenden Feldern in Distrikt Neun. Ich wünschte nur, es irgendwann einmal wirklich sehen zu können. Der Wald hier", ich deutete auf uns herum, während ich über einen toten, umgefallenen Baum kletterte, „Hier scheint alles tot oder gefährlich. Kein wirklicher Zufluchtsort. Und doch fühl ich mich hier frei."

"Mir geht es genauso", antwortete er, als sich sein Gesicht plötzlich vor Schmerz verzog und er dann einfach einknickte.

Panik wollte in mir aufkommen, als sich meine Beine auch schon von alleine in Bewegung setzten, um zu ihm zu kommen.

„Aden? Aden, was ist los?"

Seine Hand hob sich zuckend und er wollte mich scheinbar zurück halten.

Da sah ich auf den Boden und entdeckte die Schlange.

Jetzt war ich Joel für seine Übervorsichtigkeit, und dass er mich gezwungen hatte, ein Messer mitzunehmen, dankbar.

Ohne groß darüber nachzudenken, fixierte ich das Tier und stach zu. Kurz zuckte sie noch, doch dann konnte ich die tote Schlange ein wenig wegtreten, so dass ich sie noch sehen konnte, ehe ich mich zu Aden kniete.

„Verdammt. Wo hat sie dich erwischt?", versuchte ich zumindest für Aden ruhig zu wirken.

Gleichzeitig schaute ich mich aber auch in der Dunkelheit um, ob ich jemanden der Anderen sehen konnte.

Aden antwortete mir nicht.

Stattdessen rollten seine Augen nach hinten und er begann zu zucken, während sich kalter Schweiß auf seiner Stirn sammelte.

Da schrie ich nach meinem Bruder.

Es dauerte nicht lange, da kamen Koel und July zu uns, wobei mich letztere anschrie, was ich mit ihm gemacht habe.

Dann kam endlich Joel.

"Was ist passiert?", fragte er sofort und blickte panisch von mir zu Aden.

„Eine Schlange hat ihn gebissen", meinte ich wimmernd und zeigte auf das Tier, „Ich kenn sie nicht. Ich weiß nicht wie giftig sie ist!"

"July, Koel, ihr müsst meinen Vater informieren. Zori, mach seine Brust frei", kommandierte mein Bruder, wobei er unglaublich meinem Dad glich. Ich tat was er gesagt hatte, während er aus seinem Rucksack eine Täschchen und aus dem eine Spritze zog.

Heute war ich ihm wirklich dankbar für seine Übervorsicht. Joel legte die Spritze an, dessen Wirkstoff das Gift aufhalten würde. So konnten wir Zeit gewinnen, bis sich Ärzte um ihn kümmern konnten.

"Ich kenne die Schlange. Das Gegengift haben wir auf alle Fälle da", verkündete Soara.

„Sicher?", meinte ich unsicher, ehe ich wieder zu Joel schaute, „Wir müssen ihn zurück bringen."

"Sicher", versicherte sie mir und legte eine Hand auf meine Schulter, während sich Joel Aden über die Schulter warf und sich dann nach oben stemmte.

"Dad bringt uns um. Danach bringt uns Naneah um", murmelte er und lief dann so gut es ging los. "Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Schleich dich zurück dann erfährt er nicht, dass du auch dabei warst."

„Aber es war meine Schuld! Aden hat sich auf mich konzentriert, anstatt auf die Umgebung. Ich kann euch es doch nicht ausbaden lassen, wenn ich Schuld habe", erinnerte ich ihn, auch wenn ich wusste, dass mich Dad wahrscheinlich nie wieder raus lassen würde.

"Ich kann damit leben", versicherte mir Joel, als uns im nächsten Moment Scheinwerfer anstrahlten.

„Musst du aber wohl nicht", stellte ich trocken fest, als die Leute auf uns zu kamen.


Aden & Zori - Geheimnisse des KapitolsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt