Kapitel 6

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Es vergingen vier Tage ohne das geringste Lebenszeichen von Jacky. Es war, als hätten wir uns nie kennengelernt, als hätte es den Kuss im Regen nie gegeben. Ich weiss, das hört sich alles sehr deprimierend an. Es war nicht ganz so schlimm. Die meiste Zeit versuchte ich schlicht nicht an sie zu denken. Ich spielte Cello, wie immer, stritt mit Flurina, wie immer, und hörte stundenlang Musik, auch wie immer. Es hatte sich also eigentlich nicht viel verändert. Und doch, da war dieser Teil von mir, der nicht mehr war wie vorher. Mein Herz schlug nicht mehr ganz so unbekümmert, wie vor der Begegnung mit Jacky. Obschon ich mir darüber eigentlich gar keine Gedanken hätte machen sollen, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war mit ihr. Etwas stimmte nicht, ich spürte es einfach. Da war etwas, das sie mir verschwiegen hatte. Es gab etwas, das sie mir nicht erzählt hatte.

Es klingelte an der Haustür und ich rappelte mich auf. Ich wusste natürlich, wer unten stand und wartete. Michael. Wir hatten uns für diesen Abend verabredet. Er wollte mich unbedingt in einen neuen Club schleppen und ich hatte eingewilligt. Was hätte ich sonst auch den ganzen Abend lang machen sollen?

Er grinste mir entgegen, als ich die Tür aufmachte.

„Na, bereit?"

Ich zuckte nur mit den Schultern und griff nach meiner Jacke. „Denke schon."

„Ich will gleich jetzt etwas klarstellen: Ihr Name wird an diesem Abend mit keiner Silbe erwähnt, verstanden?"

„Ja, Mann, können wir gehen?" Ich hasste Gespräche über meine gescheiterten Beziehungen. Obschon das mit Jacky noch nicht wirklich eine richtige Beziehung war. Nun ja, das versuchte ich mir zumindest einzureden.

„Aber klar doch", meinte Michael fröhlich und ging zu meinem Wagen. „Fährst du?"

Ich nickte. Ich hatte sowieso nicht wirklich Lust darauf, mir die Lampe zu füllen. Das war nicht meine Taktik. Aus Erfahrung wusste ich, dass es einem am nächsten Tag nur noch mieser ging als vorher. Ich wollte meinen Frust nicht ertränken. Das war sowieso nicht möglich.

Michael schnipste ungeduldig vor meinen Augen herum. „Bist du noch da, Alter?"

Ich riss mich aus meinen Gedanken. „Ehm, ja, klar."

„Dann fahr endlich los, wir kommen zu spät!"

Es war echt nervig einen Beifahrer wie Michael zu haben. Dauernd machte er mich auf superschlaue Abkürzungen aufmerksam, die wahrscheinlich irgendwo im Busch gelandet wären, was ich ihm natürlich nicht sagte. Ich fuhr einfach daran vorbei, ohne einen Kommentar. Ich wollte keinen Streit. Ich wollte nur einen Abend lang abgelenkt sein.

Wortlos parkierte ich den Wagen und wir stiegen aus. Michaels Kumpels standen schon vor dem Eingang des Clubs und winkten uns entgegen. Ich versuchte ein fröhliches Gesicht zu machen und trat zu ihnen. Die meisten kannte ich, doch es waren auch einige Neue dabei. Wahrscheinlich Freunde von Freunden, oder so ähnlich. Ich hatte keine Ahnung, wen Michael alles eingeladen hatte. Es war mir eigentlich auch ziemlich egal.

Wir betraten das Lokal und mischten uns unter die Leute. Es lief Gute-Laune-Musik und irgendwann heiterte sich meine Miene wirklich auf. Michael hatte schon wieder etwa vier Mädchen um sich. Ich lehnte an der Bar und schaute ihm grinsend zu.

„Hallo", meinte eine junge Frau neben mir verführerisch.

Ich schaute sie nicht einmal an. „Der Typ da drüben hat sicher Interesse", sagte ich unbeeindruckt und wies auf einen Kumpel von Michael. Die Frau zog beleidigt ab. Es störte mich nicht im Geringsten.

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