"Was war das bitte heute?", fragte mich Gizem, "sie kannten deinen Namen und haben uns zu sich gerufen. Hast du die Blicke der ganzen Mädchen gesehen? Ich dachte, dass sie uns die Haare rausreißen".
Wie saßen momentan in unserem gemeinsamen Zimmer.
"Ich weiß es selber nicht. Ich will heute auch echt nicht mehr darüber reden. Egal, dann kann Nesli endlich mal mit Can reden. Wir sollten schon mal das Essen vorbereiten, bevor deine Mama nach Hause kommen", versuchte ich vom Thema abzulenken, was auch einigermaßen klappte.
~*~*~
Am nächsten Tag saß ich in Bio mit Nesli und ich schaute abwesend aus dem Fenster, bis eine große Statur meine Sicht blockierte. "Hey, Elo. Wie wäre es, wenn wir mal für heute Plätze tauschen", schlug Can vor. Ich schaute auf den leeren Platz neben Umut und dann in das hoffnungsvolle Gesicht von Nesli. "Elo? Ich heiße Ela", gab ich nur von mir und packte meine Sachen. "Das ist dein neuer Spitzname. Also mir gefällt er", er lächelte wieder, ich stand sofort auf und setzte mich neben Umut. Was man nicht alles für seine Freunde tut. Oder für das Bewahren eines Geheimnisses.
"Hey", murmelte ich und packte wieder meine Sachen aus. "Was tust du hier?", er schaute mir nicht einmal in die Augen. "Dein Bruder wollte unbedingt tauschen". "Natürlich wollte er das", flüsterte er vor sich hin und bearbeitete die Aufgaben auf dem Blatt.
Als ich mein Heft aufschlug, fiel ein Zettel raus:Versuche es wenigstens. Besser, als wenn jeder von deinem Geheimnis weiß, oder? -T.
Er meinte es wirklich ernst. Das war der Moment, wo ich mir sicher war, dass ich auf ihn hören werde.
"Umut?", ich tippte ihn an der Schulter an, "kannst du mir vielleicht die Aufgabe drei erklären?". "Wie wäre es, wenn du einfach mal mit eins und zwei beginnst", er deutete auf das leere Blatt vor mir. "Oh, stimmt", ich bin so dämlich. "Außerdem glaube ich kaum, dass du meine Hilfe brauchst. Du stehst eins in Bio", meinte er. So viel zum Thema Konversation aufbauen.~*~*~
"Kommst du noch mit mir und Gizem shoppen?", fragte mich Nesli, als wir das Schulgebäude verließen. "Nein, ich muss heute arbeiten", antwortete ich und verabschiedete mich.
Ich arbeitete in einem kleinen Café, wo meist nur ältere Menschen sind oder Geschäftsleute. Mein Boss ist sehr nett, weshalb er mir auch frei gab, wenn ich für Klausuren lernen musste. Gizems Mutter - meine Tante Esra - wollte nicht, dass ich arbeite, doch ich wollte nicht, dass sie mir ständig Taschengeld gibt. Es war einfach nicht richtig ihr Geld zu beanspruchen, da sie ohne ihren Ex-Mann wohnt und hart arbeitet. Ihr Ex hatte sich vor fünf Jahren von ihr getrennt und Gizem und Esra alleine gelassen.
Als ich das gemütliche Café betrat, kam mir schon mein Boss Daniel mit einem Grinsen entgegen. "Hey, Ela. Ich will dir unseren neuen Kollegen vorstellen", er trat ein Stück zur Seite und ich konnte nicht fassen, wen ich da sehe, "das ist Koray. Zeig ihm doch alles und erklär ihm, wie alles hier abläuft. Wir sehen uns nach Schichtende nochmal". Dann war er auch weg und ließ mich mit Koray zurück. Der Koray aus der Clique, den ich bis jetzt noch nicht kennengelernt habe. "Na, Ela?", er lächelte mich an. "W-was tust du hier?", tut mir Leid, wenn ich so direkt frage, aber es gab tausende andere Jobs. Wieso sucht er sich ausgerechnet diesen aus? "Habe einen Job gesucht, weil ich momentan etwas Geld brauche und mein Bruder kennt Daniel, also bin ich hier. Ist das ein Problem für dich", fragte er amüsiert. Ich schüttelte nur meinen Kopf und bewegte mich in Richtung Personalraum, legte meine Tasche weg, zog die Jacke aus und legte meine Schürze um. Auf dem Weg zu Koray holte ich einen Stift und einen Notizblock. "Folg mir einfach für zehn Minuten, dann weißt du bestimmt, wie es abläuft. Wenn mal keiner von uns in der Nähe ist, um dir zu zeigen, wie man eine bestimmte Bestellung fertigstellt, dann kannst du dort", ich zeigte auf ein Buch, "nachschauen, wie du es machst. Komm mit". Er folgte mir und stellte sich hinter die Kundin. "Guten Tag, was kann ich ihnen bringen", ich lächelte die ältere Dame einfach an, obwohl ich schlecht gelaunt war. WIESO AUSGERECHNET DIESES CAFÉ, KORAY?!
"Ich hätte gerne ein Caffé Macchiato und ein Avocado Sandwich", ich schrieb ihre Bestellung fleißig mit und schaute wieder hoch, um zu sehen, wie Koray hinter ihrem Rücken herumalberte. Ich musste mir wirklich ein Lachen verkneifen, weil seine Gesichtsausdrücke total witzig waren.
"Kommt sofort", ich machte mich auf den Weg zur Küche und Koray folgte mir wieder. Als ich ihn anstarrte, fing ich an zu lachen: "Deine Gesichtsausdrücke sind echt krass". Plötzlich fing er auch zu lachen. Letztendlich zeigte ich ihm, wie man beide Sachen machte. Er durfte diese servieren und er war echt nicht tollpatschig, wie ich es gedacht hatte.
"Was nun?", fragte er. "Chillen. Wir haben kaum Kunden und deine Kollegin Anne hat gerade die zwei Tische dort bedient".Koray: Gut. Wie läuft es mit Umut?
Wie konnte er davon wissen? Es sind nicht mal zwei volle Tage vergangen.
Koray: Wenn du dich jetzt fragst, woher ich das weiß, dann ist die Antwort 'Taner und Can'. Wir sind beste Freunde, natürlich erzählen sie mir das. Tut mir echt Leid, dass Taner dich erpresst hat, aber er meint es nicht böse. Er ist ein echt lieber Mensch.
Ela: Woher wisst ihr das mit meinen Eltern? Wer weiß es alles?
Koray: Uhm, ich, Can und Taner. Das kann ich dir leider nicht sagen.
Ela: Und du redest trotzdem noch mit mir, obwohl du weißt, was für Menschen sie waren?
Koray: Du kannst dir deine Familie nicht aussuchen.
"Danke", flüsterte ich noch und ging die Tische abräumen. Ich dachte, dass mich alle verurteilen werden.