"Okay, ich werde es dir erzählen, aber du darfst nicht durchdrehen oder wegrennen. Ich will erst alles erklären", machte mir Koray klar, als ich vor dem Café auf ihn traf. Ich nickte nur und wartete, bis er endlich loslegt, doch es kam nichts.
Ela: Willst du jetzt auch anfangen zu reden?
Koray: Ehm, ja natürlich.
Wieder machte er eine lange Pause, weshalb ich immer ungeduldiger wurde, was er natürlich bemerkte.
Koray: Ich...
Wieder eine Pause.
Ela: Du?
Koray: Ich bin...
Ela: Du bist?
Ich seufzte. Ein ernstes Gespräch mit diesem Jungen ist unmöglich.
Ela: Du bist? Was? Sprich weiter.
Koray: Du bist ganz schön temparamentvoll.
Ela: Du testest auch gerade meine Geduld, um ehrlich zu sein.
Koray: Ich bin dein Bruder? Das sollte nicht, wie eine Frage klingen. Ich meine, dass ich dein Bruder bin.
Ela: Kannst du mal Ernst bleiben? Wie kindisch kann man sein?
Koray: Das ist mein Ernst. Ich lüge nicht. Taner kennt die Geschichte von mir und er hat es ausgenutzt, um dich und Umut zusammen zu bringen.
Ela: Du hast jetzt eine Minute Zeit um mir all das zu erklären, sonst gehe ich.
Er verarscht mich, da bin ich mir sicher.
Koray: Ich wurde mit zwei Jahren adoptiert, da warst du ein Jahr alt. Meine Adoptiveltern haben mir alles erzählt: Du wurdest ständig von deinem Vater geschlagen. Beide deiner Eltern waren abhängig von Drogen. Deine Mutter verkaufte sich um sich ihre Drogen zu finanzieren. Dein eigener Vater hat sie vor deinen Augen umgebracht, als du gerade mal acht warst. Er hat dich sogar verge-
Ela: STOP! ICH WILL ES NICHT HÖREN.
Ich hasse es daran zu denken und es aus dem Mund eines anderen zu hören, war noch viel schlimmer. Ich fing an zu weinen, doch schaute Koray weiterhin an.
Koray: Zwölf Jahre haben meine Adoptiveltern, die ich als meine leiblichen Eltern ansehe, um dich gekämpft, doch die Richter meinten, dass alles in Ordnung ist. Als sie hörten, dass dein Vater abgehauen ist und du alleine gelassen wurdest, sahen sie endlich ein, dass es dir von Anfang an dreckig ging. Sie gaben deiner Tante das Sorgerecht, um Probleme zu vermeiden.
Ela: W-wieso wurde ich von dir getrennt?
Mein Weinen wurde noch lauter und unkontrollierter.
Koray: Er hat einen Zettel hinterlassen.
Ela: W-was st-stand darauf?
Koray: Ich werde wieder kommen.
Nun hockte er sich zu mir und umarmte mich fest.
Koray: Ich wusste es selber nicht. Ich dachte, dass sie meine echten Eltern sind. Sie haben es mir erzählt, damit ich nicht mit einer Lüge leben muss.
Ela: Du bist also mein Bruder?
Koray: Ja, und ich werde jetzt immer für dich da sein. Du brauchst vor nichts mehr Angst zu haben, okay?
Ich nickte nur und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
Ela: Also ist Gizem auch deine Cousine?
Ich wartete auf eine Antwort, doch er schweigte vor sich hin.
Ela: Moment. Esra ist nicht meine Tante?
Koray: Sie ist eine sehr gute Freundin von meinen Adoptiveltern, Kerim und Aylin.
Ich sagte eine Weile nichts, denn ich musste diese Informationen verarbeiten. Hat er all das Taner erzählt? Diese Tatsache enttäuschte mich, weshalb ich mich sofort von ihm löste.
Koray: Was ist los?
Ela: Du hast Taner all das erzählt? Welcher Bruder tut so etwas? Ich dachte von Anfang an, dass ihr diese Informationen irgendwo herausgefunden hat, aber mein eigener Bruder erzählt so etwas rum?!
Koray: Beruhige dich erst einmal. Taner weiß nur, dass du meine Schwester bist und adoptiert wurdest. Immerhin ist er mein bester Freund.
Ela: Das heißt, wenn jemand mein Geheimnis herausgefunden hätte, wäre nur Leuten bewusst geworden, dass ich adoptiert bin?
Daraufhin nickte er nur.
Koray: Du weißt auch bestimmt mittlerweile, wieso er das gemacht hat, oder?
Wegen Umut natürlich. Um ehrlich zu sein dachte ich, dass Taner ein schlechter Freund ist, weil er Umut anlügt, doch letztendlich wollte er ja nur helfen.
Ela: Nope, hilf mir doch auf die Sprünge.
Koray: Ela, Umut steht seit langem auf dich. Aber Umut ist jemand, der sich von der Liebe bis jetzt ferngehalten hat, deshalb hat Taner ihm geholfen. Er hat nicht als einziger bemerkt, dass Umut nur noch dich anstarrte, wenn du den Raum betreten hast.
Automatisch umarmte ich Koray.
Ela: Danke, abi (Bruder).
Koray: Nichts zu danken, meine kleine Schwester.
***
"Esra teyze?", schrie ich, als ich die Wohnung betrat, "Bist du schon zu Hause?". "Ich bin im Wohnzimmer", rief sie zurück, weshalb ich direkt das Wohnzimmer aufsuchte. Als sie mich sah, sah sie erschreckt aus.
Esra: Was ist passiert? Hast du etwa geweint?
Ela: Wann wolltest du mir sagen, dass wir nicht verwandt sind?
Ich sprach dieses Thema nicht an, um ihr Vorwürfe zu machen, immerhin hat sie mich seit dem ich 12 bin erzogen. Ich wollte eher nicht mehr mit dieser Lüge leben. Ich bin wirklich dankbar für all das, was sie getan hat.
Esra: B-bist du sauer? Und woher weißt du davon?
Ela: Nein, ich weiß, dass es euch Korays und meine Sicherheit ging. Und ja, ich weiß es von Koray.
Esra: Dann können wir das Gespräch mit Gizem führen, sie verdient es die Wahrheit zu kennen.
Jetzt muss ich nur noch mit Umut reden, aber wer will schon mit einem Mädchen etwas zu tun haben, dessen Vater ein Psycho ist und jederzeit einen angreifen kann. Ich schätze, ich muss ihn weiterhin belügen.