No.3 - Münzspiele

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St.Petersburg, 18.November 1875

Die Nacht war sehr lang. Erst jetzt konnte man den Sonnenaufgang hinter den hellen, beige Vorhängen erahnen. Er warf ein sanftes Licht in den Raum und zwang meine Augen sich an die Helligkeit zu gewöhnen.

Ich war mir nicht ganz sicher, weshalb ich mein Körper nicht zum Schlafen bringen konnte. Doch selbst wenn, meine Gedanken wären ein reißender Bach aus unvollständigen Fragen, Möglichkeiten und Vorstellungen geblieben. Geändert hätte sich nichts. Diesen Abend hatte ich mich das erste mal gefragt, wie es war oder sein würde neben seiner wahren Liebe ein zu schlafen und auch wieder auf zu wachen.

Ich hatte mir einen schweren Arm vorgestellt, der auf meiner Hüfte lag und mich eng an einen starken Körper hielt. Warmen Atem an meinem Nacken. Die Wärme die mich umgeben würde.

Die Gedanken kreisten und immer wieder kamen sie bei eisig, blauen Augen zum stehen. Wie er gelächelt hatte, wie er mich angelächelt hatte, lies mich im inneren immer noch schmelzen und rot werden.

Ruckartig zog ich die Decke über mein Gesicht und fing an zu grinsen. Anastasia hatte mir vor Jahren erzählt, als Benni, ein Stallbursche, sie mit zwölf auf die Wange geküsst hatte. Sie wurde rot bei jeden Gedanken oder auch wenn er in einem Gespräch vor kam. Warum hatte ich die Erscheinungen, vor meinem ersten Kuss und nicht danach?

Mein Vater hat mich geschützter aufgezogen als meine älteren Schwestern. Doch hat er mir mehr Freiheiten gegeben als den Anderen. Es war wie ein goldener Käfig, besetzt mit Diamanten, Rubinen und den teuersten Steinen. Ich hatte alles was ich wollte, bis auf wenige Sachen auf die man erst im späteren Leben treffen würde.

Atemlos schlug ich die Decke nach hinten und atmete tief ein. Meine Glieder waren schläfrig, aber mit Mühe bewegte ich mich aus dem Bett und zog das Fenster neben meinem Nachttisch auf. Die Sonne wärmte mich ein wenig. Die Vögel zwitscherten und begrüßten den neuen Tag. Die Luft die um meine Beine zog, war kalt und erfrischend.

"Mademoiselle, ziehen sie sich etwas über, sie wollen doch nicht das sie krank werden", eine Hecktische Stimme durchdrang meine Gedanken und Hände zogen mich zurück auf das Bett. Sie starrte mich mit einem warnenden Blick an, doch aus einem Grund wusste ich das Sie mir diesen nicht wegen dem geöffneten Fenster zuwarf. Das dünne Mädchen schloss schnell die Fenster und zog die Vorhänge komplett zu. Sie nickte und ging ins Bad. Mir wurde ein Bad eingelassen, heiß und erfrischend. Als ich nach einigen Momenten in Richtung Badezimmer ging fiel mir ein kleiner viereckiger Zettel auf der auf der Kommode auf. Er trug keinen Stempel oder Namen des Absenders. Was mir mitteilen würde dass er an mich gesendet war. Mit flinken Fingern lies ich ihn im Ärmel meines Nachthemdes verschwinden. Genau rechtzeitig als das Mädchen wieder zurück kam.

"Ihr Bad ist fertig, Mademoiselle", sie senkte ihren Blick auf den Boden und faltete ihr Hände hinter ihrem Rücken. Ich nickte und versuchte den Zettel verkrampft in meinem Ärmel zuhalten. Der Raum roch stark nach Rosen und Blumen Düften. Sie folgte mir dicht an den Fersen und schloss die Tür hinter mir. "Gehen sie raus", sagte ich in einem strengen Ton, wie ihn meine Mutter immer benutzte. Das arme Mädchen versteinerte und verließ den Raum. Die Tür fiel ins Schloss. Ich wartete und hörte ob sie irgend einen verdächtigen Schachzug machen würde.

Leise hörte ich ob sie sich bewegte. Der Teppichboden schluckte einige Geräusche doch ich hielt immer noch inne. Schnell bewegte ich das Wasser, sodass es plätscherte und lief langsam zur Tür, dass meine nackten Füße auf den Steinboden zuhören waren. Die Dielen unter dem Teppichboden quietschten leicht und ihre Schritte waren dumpf wahrnehmbar. Ich presste mein Ohr an die Tür und lauschte. Sie öffnete die Fenster um das Zimmer zu lüften. Ihre Schritte überquerten den Raum und öffneten die Tür und schlossen sie gemäß. Ich atmete aus und legte das Gewand ab um in die heiße Badewanne zu steigen. Den Brief legte ich auf eine kleine Ablage neben der Wanne.

≪ Broken ~ Ein Leben in hoher Gesellschaft ≫Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt