Gefangen

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Das Schiff schwankte in der immer stärker werdenden See. Gelegentlich hob und senkte es sich in dem gleichen Takt der Wellen wieder und bereitete so manchen schon ein flaues Gefühl im Magen. Besonders einer Schottin, die die hohe See gar nicht gewohnt war. Immer dieses Schaukeln, obwohl das Schiff das größte war, was sie bisher in ihrem Leben gesehen hatte. Und auf dem aus auch eingekerkert war. Sie konnte es einfach nicht begreifen. Merida, sie, hatte gegen jemanden verloren und musste eine erniedrigende Niederlage hinnehmen. Nicht nur das. Ihr Land war geschändet und ihr Vater zu einem Sklaven von einem Wikinger gemacht worden. Und an allem war nur dieser Hicks schuld. Dieser komische Kauz von einem Wikinger, der sich als so intelligent erwies, oder auch nur so tat, was die junge Prinzessin eher vermutete. Er hatte doch nicht mehr alle Latten am Zaun gehabt, ihr Schottland anzugreifen. Sicher plante ihr Vater gerade in diesem Moment die Befreiung des Landes. Vielleicht hatten sie schon die Wikinger mit ihren fliegenden Eidechsen vertrieben und sie würden sich mit einer Flotte auf den Weg machen, um sie zu retten. Ja sie war sich sicher. Und wenn sie diesem Hicks noch einmal begegnen sollte, dann würde es anders ausgehen, als beim letzten Mal. Das schwor sie sich hoch und heilig. Dieser Kerl würden ihre Pfeile zu spüren bekommen, koste es was es wollte. Sie würde sich niemals erniedrigen lassen, niemals aufgeben und sich niemals einem anderen beugen und schon gar nicht einem stinkenden dummen Wikinger.
Aber alles Eingerede nutze am Ende doch auch nichts. Sie war hier in der Zelle. Sie konnte nicht weg. In Ketten gelegt würde sie in dieses komische Gefängnis geschleppt werden, wo sie sicher grausame Qualen erleiden müsste. Sie konnte es sich schon bildlich vorstellen. Vor allem da sie wusste, was Wikinger mit weiblichen Gefangenen gerne anstellten. Sie hatte da schon die schlimmsten Geschichten gehört und nun sollte das auch ihr passieren? Ihr Merida? Nein. So konnte das ganze doch nicht ausgehen. So konnte es nicht weiter gehen. Sie musste einen Weg hier finden auszubrechen, und das um jeden Preis. Sie müsste zurück nach Schottland, wo man sie bräuchte für eine Rebellion gegen diesen Hicks und seinem Anführer Drago Blutfaust, oder wieder noch gleich hieß. Dieser Name war ihr aber auch völlig egal, denn ihr eigentliches Ziel war der braunhaarige Wikingerjunge, der ihr Land so in Erniedrigung gezogen hatte, dass es dafür keine Flüche, keine Sprüche oder Wörter gab, mit dem man dies beschreiben könnte.
„Ach Merida....was machst du dir nur vor. Ganz sicher werden sie dich schon retten wollen. Was können da schon dieser Hicks und seine fliegenden Drachen ausrichten. Die Schotten haben immer einen Weg gefunden, ihre Angehörigen zu befreien und hier wird es nicht anders sein.", redete sie sich immer wieder ein. Sie hoffte noch. Hoffte, dass jemand kommen würde, um sie zu retten. Oder auf ein Wunder von der Schnitzerin oder sonst jenes gleichen. Irgend etwas musste doch geschehen. So konnte sie, Merida die Prinzessin, doch nicht enden. Es würde sicher jemand kommen. Nur wann und wie?
Dann auf einmal Schritte. Jemand kam ihrer Zelle näher und näher. Ein Klopfendes und ein klackendes Geräusch, wie es schon kannte. Nur hatten diese Füße, oder besser gesagt dieser eine Fuß ihre Burg und sie entehrt. Dieser Fuß und der eiserne Stumpf, der dieser Person angehörte, hasste sie zu tiefst. Und dieser Kerl schien immer näher ihrer Zelle zu kommen. Immer lauter wurden die gleichmäßigen Geräusche dieses Ganges, der ihr nur allzu bekannt vorkam. Sie merkte dabei erst gar nicht, wie ihr Herz schneller anfing zu schlagen. Wie sich ihr Puls erhöhte und ihr ein komisches Gefühl gab. Ein kalter Schauer schlich über ihren Rücken und sie fing aus irgend einem Grund an, sich tiefer in Ihre Zelle zu verkriechen, wie ein Kaninchen, das sich bei Gefahr in seinen Bau verzieht und mucksmäuschenstill abwartet, bis die Bedrohung vorbei ist.
Merida hatte vorher noch nie so etwas gefühlt. Noch nie kam ihr dermaßen solch ein eiskalter Schauer über den Rücken, dass sie dachte, ihre Knochen würden einfrieren, ihr Blut, ja gar ihr ganzer Körper. Niemals kam es ihr in den Sinn, aber wurde es immer deutlicher. Hatte sie etwa Angst? Sie Merida, die mutige Prinzessin aus Schottland, die jedem trotze und widerstand, sogar ihrer sturen Mutter? Sollte dies wahr sein, so hatte die junge Prinzessin gerade ein Gefühl entdeckt, was sie am liebsten verdrängen oder nie wieder fühlen wollte. Sie mochte diese Angst nicht und vor allem, was dies in ihr auslöste. Der Puls schon nämlich in die Höhe und ihre Hände fingen vor Pein gar an zu zittern. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie eines Tages so empfinden würde. Sie hatte sich geschworen, nie Angst zu haben. Doch das löste sich wohl gerade im Wind auf. Ja Merida musste sich eingestehen, dass sie Angst hatte. Angst vor diesem Hicks.
Dann auf einmal erreichten die Schritte ihren Zenit. Das Klacken der Prothese wurde immer lauter, bis ein junger Mann, der sich immer noch in seiner Rüstung kleidete, von der linken Seite der Zelle näherte und sofort einen hämischen Blick auf die junge Prinzessin warf, die sich sofort weiter in einer Ecke der Zelle zog. Jedoch hinderte die Fußfessel ein weiteres vordringen in die Schatten, sodass der Mann vor ihr sie nicht hätte sehen können. „Und haben wir es uns gemütlich gemacht, eure Hoheit. Du musst wissen, dass wir nicht oft hochadelige Gefangene an Bord haben. Und deine Anwesenheit hat sich schon herum gesprochen. Die Schiffsmänner schwärmen von dir, weist du?", kam es von ihm mit erhobener Stimme, die Merida zeigen sollte, wo ihr Platz hier an Bord des Schiffes war. Es war klar und deutlich. Die rothaarige Prinzessin Schottlands hatte hier nichts zu sagen. Sie dürfte wohl erst reden, wenn man ihr Das Wort erteilen würde. Doch Regeln waren Merida schon immer egal gewesen. Sie würde sich schon durchsetzen, koste es was es wollte.
„Was willst du!?", zischte sie schon fast wie eine Schlange, die man in die Ecke gedrängt hatte. Doch Hicks fing nur an zu kichern. Ein Kichern, was Merida überhaupt nicht gefiel, denn es signalisierte ihr deutlich, dass dieser Hicks nicht nur im Stande war, ihr Land und alles was sie liebte weg zu nehmen. Er konnte auch, wenn er es wollte, die auf der Stelle töten. Wann er wollte. Und im gefesselten Zustand war Merida nur mehr als wehrlos. Sie hatte ihren Bogen nicht und auch Pfeile waren ihr nicht gelassen worden. Sie hätte sich nicht wehren können. Und ganz besonders in der Situation, als Hicks sein Schwert ergriff und die Klinge ausfuhr. Plötzlich ein Flammenblitz. Der Raum um sie herum erhellte und blendete vorerst Meridas Augen, die sich der einer Eule an die Dunkelheit angepasst hatten. Sie zuckte zurück, denn sie wusste, wie gefährlich dieses besondere Schwert war. Aber war derjenige, der es führte, weitaus bedrohlicher.
Hicks hielt Inferno direkt auf die kleine Prinzessin. Er wusste, dass sie sehr von sich hielt und ihr wollte er mal eine kleine Lektion erteilen, dass sie nicht selbst alles ist, was sie hatte. Sie fühlte sich sicher alleine und jetzt so verängstigt, dass sie sich in den tiefsten Winkel der Zelle zurück zog, den sie erreichen konnte. Hicks wusste, dass er nun ihr Herr war. Der Herr über Leben und Tod von Merida. Wann er immer wollte, könnte er sie umbringen oder ihr andere schlimme Sachen antun. Aber das wollte er nicht. Er wollte sehen, wie sie sich macht, wenn ihr großer Mut, ihr großes Ego gebrochen werden würde. Das wäre wohl eine noch schlimmere Bestrafung für die kleine, als der schmerzvolle Tod durch Rädern selbst.
Mit dem Schwert klapperte er an den Gitterstäben. Immer heftiger und Lauter wurden die Geräusche, die auf Merida herein hämmerten. Lange würde sie das nicht aushalten. Lange nicht mehr. Doch musste sie selbst etwas tun. Sicher gab es noch Hoffnung für sie, denn sicherlich würde man sie retten kommen. So fasste sie allen Mut zusammen, den sie noch hatte und sprach Hicks direkt ins Gesicht: „Na warte du elender Wikinger: Du wirst noch dein blaues oder besser gesagt rotes Wunder erleben! Wenn meine Familie mich retten wird, werde ich die so viele Pfeile in deinen Körper jagen, bis zu qualvoll krepierst!", fauchte sie dem Wikinger ins Gesicht, der sich aber davon reichlich unbeeindruckt zeigte. Aber es war nur eine Maske, die der Waräger aufgesetzt hatte. Denn jetzt prasselte es auf Merida, wie ein Sturm der Erniedrigung, den keiner aufhalten konnte und dem niemand standhielt.
„Du glaubst also, das man dich retten wird.?...Das ich nicht lache. Keiner wird dich jemals retten können. Niemand wird es auch nur wagen, sich mir und dem Willen Dragos zu widersetzen. Dein Vater hat einen Vertrag mit mir geschlossen. Er darf in Schottland weiter herrschen, aber Drago hat jetzt das oberste Kommando und dein Väterchen muss jeden seiner befehle befolgen, sonst komm ich und dann heißt es Kopf ab. Und du....was dich anbelangt....glaubst du allen ernstes, dass deine Familie dich retten würde wollen. Sie dich doch an. Du bist egoistisch, rücksichtslos und dein Verhalten kann man schon als Barbarisch bezeichnen. Du bist der letzte Dreck. Das schwarze Schaf. Glaubst jemals, dass man dich retten wird. Sie werden wohl eher froh sein, dass ich dich weggeschafft habe!"
Das brach Merida nun endgültig das Herz. Wie konnte er nur so etwas zu ihr sagen. „Nein...sie werden mich retten!", brüllte sie unter der immer stärker werdenden Flut von Tränen, die Augen verließen und den Boden der Zelle leicht befeuchteten. „Du wirst schon sehen. Meine Familie liebt mich. Merida und dann wirst du sehen, wo du hinkommst!" - „Ach ja...dann werde ich eben wachsam sein. Und an Ohnezahn kommt eh keiner vorbei. Mein Freund beschützt mich....Und deine?.."
Dann wandte sich Hicks von der Zelle ab und ging wieder seines Weges. Merida blieb heulend zurück, mit der Tatsache, dass sie hier wirklich nichts war und das Hoffnung auf Rettung ausgeschlossen sein würde. Hier käme sie nicht mehr heraus. Sie war hier gefangen. Gefangen und für immer weggesperrt.

Hicks hingegen schritt wieder an Deck, wo er gleich den Steuermann aufsuchte. „Wann werden wir in Drakenburg ankommen?", fragte er ihn. „In zwei tagen, wenn der Wind weiter so günstig steht.", antwortete der Mann, der ein großes Rad fest in seinen Händen hielt und mit dem Leben barg, dass sie nicht vom Kurs abkamen. „Gut weiter machen...ich gehe jetzt zu Ohnezahn." Er klopfte dem Mann auf die Schulter und ging zum vorderen Deck, wo der Nachtschatten schon ungeduldig auf seinen Flug wartete. „Ja ist schon gut Kumpel. Wir fliegen eine Runde." So schwang er sich auf seinen Rücken, ließ die Prothese in den Steigbügel einrasten und erhob sich mit seinem Freund in die Lüfte...

The Dark RiderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt