Zwei Möglichkeiten

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BERK

In den tiefen Wäldern der Insel konnte die blonde Wikingerin Ruhe finden. Ruhe vor Haudrauf, der Hicks immer noch als einen Verräter des ganzes Stammes ansah, da er es geschafft hatte, was Wikinger nie für möglich gehalten hätten. Er hatte den unheiligen Spross aus Blitzschlag und Tod gezähmt und das ganz ohne Waffen. Niemand hätte es jemals dem schwachen Hicks zugetraut, dies zu vollbringen, aber er bewies das Gegenteil.
Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie es war, als sie gemeinsam auf dem Drachen durch die Lüfte geflogen waren. Die Welt wirkte so friedlich und so frei. Dort oben in der Luft konnte sie zum ersten mal nicht die Wikingerin spiele, wie sie sie alle im Dorf kannten. Nein. Hier war sie endlich in der Lage gewesen, Hicks ihre Gefühle zu gestehen. Mit einer sanften Umarmung, so genau konnte sie sich noch daran erinnern, schlang sie ihre Arme um seinen Bauch, um sich sanft an ihm festhalten zu können. Für Astrid war es das schönste Gefühl gewesen, was sie je in ihrem bisherigen leben gelebt hatte.
Doch dann kam dieser schwarze Tag. Ohnezahn rettete Hicks aus der Arena, als dieser sich in Schwierigkeiten befand. Von da an ging alles nur noch bergab. Der Nachtschatten wurde gefangen genommen und Hicks in sein Haus eingesperrt Haudrauf war anschließend dazu bereit gewesen, den Drachen u töten, um zu beweisen, dass diese Biester durch die Tötung eines Nachtschattens nie wieder kommen würden. Doch weit gefehlt. Astrid und Hicks kannten den Grund, warum die fliegenden Reptilien ihr Dorf überfielen. Dieser riesige Drache, der alle anderen behandelte, als wären sie seine Sklaven gewesen. Astrid versuchte immer wieder die Wikinger auf dieses Problem aufmerksam zu machen, doch als Hicks endgültig hinter dem Horizont, nachdem er mit den Nachtschatten geflohen war, waren alle Hoffnungen verloren gegangen.
Und es kam noch schlimmer. Jetzt, da er weg war und Rotzbacke an seine Stelle als Nachfolger des Stammesoberhauptes antreten sollte, würde er bald Astrid vor den Altar zwingen, was sie niemals durchstehen könnte. Lieber würde sie sich das Leben nehmen. Vielleicht war ja Hicks bei der Flucht ums leben gekommen. Wäre dies eine Möglichkeit, ihn wieder zu sehen? In Walhalla? Sie wusste es nicht, aber weiter denken auch nicht.
„Ach bei den Göttern...warum muss alles in meinem Leben so verdammt schied laufen?!" Mit vollem Frust schmiss sie ihre Axt gegen einen Baumstamm. Als die stumpfe Klinge die Rinde spaltete und ins Holz eindrang, bemerkte die junge Wikingerin gar nicht, wie sich jemand an sie heran geschlichen hatte. Zuerst hörte sie nur ein Knacken. „Wer da!" Sofort rannte sie wieder zu ihrer Axt, zog sie aus dem Baum und stellte sich in die Defensive. Jede Bewegung wurde nun schärfstens beobachtet. Jedes kleinste Geräusch analysiert, was es sein könnte.
Doch Entwarnung und gleichzeitig Verwunderung gab es, als plötzlich Händler Johann zwischen zwei Büschen auftauchte. „Johann? Was machst du bitte schön in den Wäldern Berks?" Aber schnell merkte die junge Wikingerin, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Der bärtige Mann rang nach Luft. Offenbar war er sehr schnell gerannt. Doch vor was nur?
„Astrid? Gut dass ich dich treffe. Hoffentlich verrätst du mich nicht, oder?" - „Wie bitte? Ich soll dich verraten? Warum denn?" Sie war völlig verwundert. Warum tat der sonst so offene Händler auf einmal so, als würde von seiner Geheimhaltung sein leben abhängen? „Weißt du Astrid, kleine. Man hat mich von Berk verbannt! Ich darf nie wieder zurück kommen, nur weil Haudrauf wieder auf stur macht und keinen an sich heran lässt."
Astrid war schockiert über diese Tatsache. Händler Johann hatten sie von Berk verbannt? Aber warum denn? Was hatte er getan, dass man gleich so reagieren musste? Niemals hätte er einer Fliege etwas zu Leide tun können. „Ja..aber Warum denn? Ich meine nur. Du bist Händler Johann und auf allen Seiten wirst du geschätzt." Kurz atmete der Händler durch und fing an zu erzählen, während Astrid ihre Axt sinken ließ.
„Nun ja meine kleine. Ich habe erzählt, dass ich nun für Drago Blutfaust arbeite. Ich bin in seine Handelsgesellschaft eingetreten und erhoffte mir mehr Geld, was ich auch bekam. Als ich dann nach zwei Jahren, wieder nach Berk, jetzt und heute, kam, da machte ich den ordnungsgemäßen Gruß, doch Haudrauf hat dies gleich als Provokation aufgefasst. Sogleich habe ich ihm von dem Imperium Dragos erzählt und auch von dem schwarzen Reiter. Aber hat dicht gemacht, bleib stur und hat eiskalt eine Verbannung von der Insel Berk für mich ausgesprochen. Aber na gut. Ich habe noch andere Kunden, die mir viel mehr zahlen."
Jetzt war Astrid gleichzeitig schlaue als auch Verwirrt durch seinen Bericht geworden. Nur weil Haudrauf einen Händler verbannt hatte, der sich mit einem Typen zusammen getan hatte, den das Oberhaupt des Dorfes nicht leiden konnte, verbannt man doch keinen. Aber da war noch etwas. „Aber Johann. Wieso bist du dann noch auf der Insel hier?" Doch auf die Frage hin pfiff der gewitzte Händler mit den Fingern und schon brach durch das Blätterdach der Baumkronen ein gewaltiger Drache. Vor Schreck zuckte die junge Wikingerin erst zurück, doch schon bald begann sie zu begreifen. Der Drache hatte einen Sattel. Johann musste wohl auf ihm reiten. War er aber dann auch zahm?
„Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Dieser Nadder hier ist friedlich. Du solltest nur eine Axt zügeln, aber sonst müsste dir nichts passieren.", sprach er und wandte sich zu ihm. „Na mein kleiner? Warst zu faul mich den ganzen Weg hierher zu fliegen. Du musstest ja unbedingt am Strand bleiben. Aber jetzt bist du ja hier." Astrid wich trotzdem einen Schritt zurück. Der Violette Drache gurrte nur freudig und begrüßte seinen Reiter.
„Astrid, das ist Pfeilschweif. Er wird dir wirklich nichts tun. Bloß manchmal hat er seinen eigenen Kopf, deswegen bin ich auch nicht hierher geflogen. Er musste ja unbedingt an der Küste landen und wollte nicht weiter." - „Ja...aber wieso ist der zahm? Und wieso reitest du überhaupt auf einem Drachen?" Jetzt war Astrid noch verwirrter als vorher. Was ging gerade hier für ein Spiel ab? Oder war das überhaupt gar kein Spiel?
„Nun ja Astrid. Jeder Händler hat seinen eigenen Drachen. Pfeilschweif ist meiner und beschützt mich. Ich habe ihn nur nicht ins Dorf mitgenommen, da ich weiß, wie ihr mit Drachen umgeht. Na ja wenigstens der schwarze Reiter denkt mit. Er hat die Drachen schließlich alle gezähmt oder hat es zumindest vielen gelehrt." - „Der schwarze Reiter?! Johann, verwirre mich bitte nicht. Wer ist denn das nun schon wieder? Etwa dieser komische Drago?" Doch der Händler widersprach ihr. Er schüttelte nur den Kopf, klopfte den Nadder noch mal an der Seite und wandte sich wieder zu ihr zu.
„Nun du musst wissen, eigentlich habe ich dich gesucht. Bevor ich das Dorf verließ, habe ich noch mit Grobian gesprochen und der hat mir gesagt, dass ich dir das erzählen soll, also von dem schwarzen Reiter." - „Und nun? Was ist mit ihm?" Johann wollte es so kurz wie möglich halten. Er kannte schon die Reaktion der anderen Wikinger und besonders Haudrauf, als er das erfuhr. Aber jetzt gab es eh kein Zurück mehr. Zwar waren viele im Dorf noch skeptisch, ob es sich bei dem schwarzen Reiter um IHN handelte, doch musste Johann es ihr persönlich sagen.
„Nun Astrid. Nach allem, was ich bisher weiß, kann es sich um den schwarzen Reiter um Hicks handeln. Dieser junge Mann von zwanzig Jahren würde genau in das Alter passen, und der Fakt, dass er einen Nachtschatten reitet."
Auf einmal blieb die Welt für sie stehen. Das hatte sie niemals erwartet. So viele Gefühle rasten durch ihren Körper, als würde er gleich davon explodieren. Hicks lebte? Er war wohlauf? Konnte das wirklich wahr sein?
Fassungslosigkeit und Schweigen legte sich über ihr Gesicht. Sie konnte es einfach nicht glauben. „H...Hicks? Ihn gibt es noch? Er ist am Leben? Gehst es ihm gut?" - „Ja aber bitte Astrid. Er ist der Thronerbe eines gigantischen Imperiums. Er wird bald den ganzen Norden der Welt beherrschen! Wenn es ihm da nicht gut geht, weiß ich auch nicht weiter."
Astrid konnte immer noch nicht richtig glauben, was gerade von statten ging. Hicks gab es noch und er schien es etwas mit den Drachen gebracht zu haben. Doch jetzt kochten die Fragen in ihr hoch.
„Nun Johann. Warum ist er nie zurück gekommen. Was hat er die ganze zeit gemacht?" - „Nun ja Astrid. Er war viel beschäftigt. Hat neue Länder erobert, den Frieden zwischen Menschen und Drachen geschlossen. Und das ist schon viel Arbeit." Aber da brannte Astrid noch etwas auf der Zunge. Sie musste es unbedingt erfahren, denn jetzt gab es eine Hoffnung, ihn wieder zu sehen.
„Kannst du ihm ausrichten, das er nach Berk kommen soll?" Johann jedoch winkte ab. „Ich kleiner Händler kann da nicht viel machen. Hicks ist ein Lord und an ihn kommt man nur mit Audienz heran, was schon schwer genug ist. Ich glaube, es gibt nur zwei Arten, wie er zurück kommen wird." - „Und welche wären das?" Johann grübelte, ob er ihr es wirklich sagen sollte, doch musste er es einfach gestehen.
„Entweder Astrid, er erinnert ich an dich und kommt eines Tages von alleine wieder, um dich zu sehen. Oder das schlimmste wäre, er würde Berk mit seiner Armee besuchen. Doch das wäre nicht sehr gut, denn Hicks Armee ist unschlagbar..."


The Dark RiderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt