... Oder?...

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Dir folgenden Tage liefen nahezu reibungslos ab. Alles war normal und Madame Giry hatte sich sehr darüber gefreut, dass ich, bis auf die geschwollene Wange die mir Joseph verpasst hatte, wohlauf war. Ich ging weiterhin mit Erik in die Loge 5, trug aber nur schwarz. So fiel ich unten gar nicht auf. Die Direktoren der Oper André und Firmin schienen nicht mal zu bemerkten, dass ihre Loge nun wieder dauerbesetzt war.
Eines Tages, ich glaube es war der vierte Tag nach meiner Entführung, kam Madame Giry, hoch erregt, zu uns. Ich lag noch im bett, Erik hatte sich eben fertig angezogen, als sie einfach unangekündigt herein platzte. In ihre hand hielt sie einen Brief, mit dem sie vor meiner Nase herumwedelte. "Jeanne!", rief sie mit bebender Stimme. Ich war mir sicher, dass etwas schreckliches passiert sein musste. So aus der Fassung kannte ich meine Ziehmutter gar nicht. "Was ist das?", fragte ich und sah sie erwartungsvoll an. Sie ließ sich neben mich, auf der Seite aud der Erik immer schlief, aufs bett fallen, stützte den Kopf mit den Händen und drückte sich damit die Ellenbogen in die Oberschenkel. Sie schien erstmal Luft holen zu müssten und so ließ ich ihr Zeit. Irgendwann, sie keuchte immer noch sehr stark, gab sie mir den Brief. Als Adresse war die Oper angegeben und als Name Antoinette Giry alias Madame Giry. Ich öffnete, den Umschlag, der bereits schon einmal offen war und zog des Blankozettel heraus. Eine durftwolke kam mit entgegen und es roch wie bei meinen Eltern Zuhause. Ich sah noch mal den Briefumschlag an. "Absender: Margarete de Levy, Rue de L'ecole 22, Paris"
Dieser Brief stammte von meiner Mutter. Die Erregtheit von Madame Giry und dieser Umschlag deuteten auf noch viel schlimmeres hin, als zu Anfang erwartet. So begann ich den Brief zu lesen.
"Liebste Antoinette,
Ich schreibe dir in Zeiten, in denen es mir schlecht geht. Sehr schlecht sogar liebste Freundin. Du weißt ja sicher, dass meine Schwester Emelié vor einer Woche zu Besuch kommen wollte. Dies hat sie auch getan und ich war überrascht über sie. Du hättest sie sicher nicht mehr wieder erkannt beste Freundin. Sie hat sich die Haare kurz geschoren und fasste kein Kleid mehr an. Sie trug nur Hosen, ähnlich wie Jeanne. Bald sollte ich auch den Grund dafür erfahren. Ihr Ehegatte, mein erster Mann und der Vater von Jeanne, war verstorben... "
Mein Herz blieb fast stehen, als ich diese Zeile las. "Ihr Ehegatte, mein erster Mann und der Vater von Jeanne, war verstorben..."
Trotz dass ich deutlich spürte, dass mein Hals trocken wurde und ich kaum noch Luft bekam, las ich weiter.
"Sie sagte mir, man habe ihn UNTER der Opera Populair gefunden. Er war in einen kleinen See ertrunken. Eine sogenannte Christine Daaé, eine meisterhafte Sängerin, habe ihn dort aus dem Wasser gezogen..."
Ich könnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Hier unten am See? Was wollte Vater hier? Hat ihn vielleicht...? Ich dachte die Frage gar nicht zuende. Ich hatte Angst vor dieser Frage... Erik hätte ihn nie getötet...
...oder...?
Ich war mir dessen jetzt gar nicht mehr so sicher. Woher wollte ich wissen, dass mein Vater ihn hier unten nicht entdeckt hatte und Erik ihm einfach das Licht ausgeknipst hatte? Bei dem Gedanken schauderte es mir und mein Blick schweifte zu Erik ab, der sich gerade um Madame Giry kümmerte. Nein, so ein Mann wie er konnte meinen Vater nicht töten.
...oder...?
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf. "Erik.", rief ich aus, worauf der Angesprochene mich sofort fragend ansah. Ich hielt ihm den Brief hin, er nahm ihn an und las ihn durch. Als er am Ende angelangt war, schien er zu wissen, was ich dachte und sagte: "Ich war es nicht. Dass musst du mir glauben."
"Ich muss zu meiner Mutter und zu meiner Tante.", überstürzte ich alles, zog mich hektisch an und verschwand dann in den sich endlos windenden Gängen. Ich kannte sie nun schon fast im schlaf. Als ich auf der Straße vor der Oper heraus kam, war die Straße kaum belebt, was nicht seltsam war. Es war Mittagszeit und somit war in der Oper tote Hose. Um diese Zeit wurde noch für das folgende Stück am Abend geprobt. Ich lief zu meinem Elternhaus, wobei mir Christine über den Weg lief. Sie schien zu merken das etwas nicht stimmte. "Warte Jeanne."
Ich wusste nicht warum, aber ich gehorchte und blieb neben ihr stehen. "Warum so in Eile?", fragte sie. "Ich muss nachhause."
"Warum? Hat dich das Phantom erwischt?", fragte sie und deutete auf meine wange. "Spotte nicht über Erik!", rief ich streng aus. "Erik... So so...", murmelte sie. Dann fiel mir eine Stelle aus dem Brief wieder ein: "Eine sogenannte Christine Daaé, eine meisterhafte Sängerin, habe ihn dort aus dem Wasser gezogen..."
"Christine?", fragte nun ich. "Ja?"
"Warum hast du mir nicht gesagt, dass du die Leiche meines Vaters gefunden hast?", fragte ich mit bitterem Unterton. "Weil es deine Mutter so wollte. Sie und deine Tante. Die beiden haben mich gebeten zu schweigen."
Stille herrschte zwischen uns. "Meinst du es war Erik?", wollte ich wissen. "Gut möglich.", bekam ich zu Antwort. "Glaubst du dass er ihm da unten auf die Schliche gekommen ist und deshalb...?" Ich bräuchte den Satz nicht zu beenden, damit Christine wusste, was das Ende davon war. "Das kann gut möglich sein, aber das sind alles nur Spekulationen. Meiner Meinung nach war er es, aber es kann genauso gut sein, dass er es nicht war.", erklärte Christine. Ich nickte. "Verstehe, danke.", fügte ich hinzu und setzte meinen Weg zu meiner Mutter fort.
Als ich das Haus erreichte, war alles unverändert. Im Garten blühten die roten Rosen, die meine Mutter so liebte und auf der Veranda stand der Schaukelstuhl, auf dem sie in ihrer Freizeit so gern saß und eben genannte Rosen betrachtete. Ich öffnete das Gartentor und trat in den gepflegten Vorgarten unseres Hauses. Ich sah kurz nach links und recht, begab mich dann den Kiesweg zur Veranda und stieg die drei Holztreppenstufen hinauf. Ein leiser Wind pfiff mir durch das Haar und sorgte dafür, dass ich die letzten Schritte zur Haustür, mehr stolperte als lief. Ich klopfte an und unsere Haushälterin Magrit öffnete mir. Ihr langes kastanienbraunes Haar hatte sie, wie immer, in einem Pferdeschwanz zusammen gebunden und ihre ebenso braunen Augen musterten mich überrascht. "Jeanne?"
Ich lächelte. "Hallo Magrit."
"Komm doch rein. Komm dich rein.", bat sie und trat lächelnd zur Seite. Ich trat ein und dieser Geruch nach Ölfarben und frisch gekochten Spagetti trat mir in die Nase. Ein typischer Geruch von diesem Haus. "Du warst lange weg.", stellte Magrit fest und ich nickte. Ja, sie hatte reicht. Ich war lange nicht hier gewesen und doch hatte sich nichts verändert.
"Wo ist...?" Ich wurde von der Stimme meiner Mutter unterbrochen: "Suchst du mich?"
Ich wirbelte herum. Sie stand hinter mir. Ihre Hände hatte sie in die Hüfte gestämmt, wahrscheinlich um somit kraftvoller zu wirken, leider klappte das nicht. Sie wirkte krank. Ich Gesicht war so weiß wie ein Bettlaken und unter ihren Augen hatte sie tiefe schwarze Ringe. Seit ich mich daran erinnern konnte, war sie noch nie in einem solchen Zustand gewesen. Ich wollte gerade mit einem "Ja" antworten, als sie heftig zu husten begann und sich aus dem Anfall kaum beruhigen konnte. Als sie sich dann aber doch beruhigt hatte, sagte sie: "Du bist sicher hier wegen dem Brief..."
Ich nickte nur stumm und rang um die Beherrschung ihr nicht gleich unter Tränen alles zu erzählen. "Vater ist also tot.", stellte ich möglichst unbewegt fest, einfach nur um das herrschende Schweigen zu unterbrechen.
"Was weißt du genau darüber?", wollte ich wissen. "Du kennst doch sicher die Geschichte vom Phantom der Oper...", fing sie an. Ich nickte als Bestätigung und sie sprach weiter: "Christine, dir Sängerin von der im Brief die Rede war, kennst du ja. Sie behauptet dass Phantom sei es gewesen, aber niemand der anderen Anwendsenden kann das bestätigen."
"Es waren noch mehr dabei?!", fragte ich überrascht. "Ja, zum Beispiel die kleine Meg Giry. Ich hatte das im Brief nicht erwähnt, damit Meg keinen Ärger bekommt weil sie da unten war."
Ich sah sie an, als hätte sie mir gerade eine Geschichte über eine magische Dimension erzählt. Ich war verdutzt. Meg war dabei gewesen und hatte mir nichts gesagt? Keiner hatte mir und auch der armen Madame Giry nichts gesagt....das konnte doch nicht wahr sein....

Phantom Der Oper- Nie Wieder ChristineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt