Battle wounds

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Stunden lang saß ich am Grab und kämpfte gegen das ersticken an. Ersticken an Emotionen. Da ich keine einzige von ihnen wirklich verarbeiten konnte. Schließlich wurde es aber dunkel, also stand ich auf, wischte mir noch einmal mit dem Ärmel über die Augen und ging nach Hause. Wie sonst auch um 20 Uhr schmiss ich meine Medikamente ein und kochte. Nur um mich dann auf die Couch zu legen und zu essen. Zwischendurch klingelte auch noch einmal mein Handy. Tess... Ich entschied, nicht ran zu gehen. Also drückte ich sie weg und aß weiter. Sie hatte bestimmt schon Millionen mal darum gebeten, mir einen Termin beim Psychologen machen zu dürfen. Spätestens nach der 2. Sitzung wurde mir aber bewusst, dass der Psychologe wohl auch nicht ganz dicht war und selbst einen Seelen Klempner gut gebrauchen konnte. Tess sträubte sich natürlich dagegen zu glauben, dass kein Mensch auf Erden mir helfen konnte. Ich wurde aus den Gedanken gerissen als der Bildschirm meines IPhones aufleuchtete. Sie hatte doch tatsächlich eine Nachricht geschrieben. Ich verdrehte innerlich die Augen. Einfach, weil ich wusste worum es ging und es nervte, dass sie glaubte ich wäre ein kleines Kind, welches alleine nichts hin bekam. Mochte ja sein, dass ich krank war. Aber nicht blöd. Es gab nichts, das ich mehr hasste, als von oben herab behandelt zu werden. Ich brachte mein Geschirr in die Küche und legte mich wieder auf die Couch in der Hoffnung, endlich mal Ruhe zu finden.

Tatsächlich war ich eingeschlafen, wie mein Wecker bestätigte, als dieser um 09:45 Uhr los ging. Konnte doch nicht wahr sein! Medikamente die mal tatsächlich halfen?! Unfassbar! Dachte ich sarkastisch während ich mich auf den Bauch drehte und nochmal tief durch atmete. Da draußen wartete die grausame kalte Welt und ich war hier in meinem Bett. Wieso sollte ich mich dem aussetzten? Freiwillig. In meinen Augen war das genau so blödsinnig wie sich freiwillig für den Wehrdienst ein zu tragen. Und doch hatte ich es getan. Und darum stand ich letztendlich auf um mich fertig zu machen. Jawohl, lasst die tickende Zeitbombe ruhig auf kleine Kinder los. Ist ja nicht so als ob das gefährlich wäre. Geradezu wahnsinnig, stellte ich fest. Bei dem Gedanken daran, begannen meine Nerven durchzudrehen. Ich zitterte wie so oft am gesamten Körper. Mühsam hielt ich mich am Waschbecken fest. Während ich darauf hoffte, dass die Panikattacke nachließ. Unwillkürlich und ohne das ich etwas dagegen tun konnte, rannen mir die Tränen über die Wangen. Ich wiederte mich selber an. Ein erwachsener Mann der vor Angst zitterte und weinte?! Ich schämte mich unglaublich für mich selbst. Und doch konnte ich nichts tun. Ich war nur die Marionette meiner Krankheit. Nur eine Spielfigur. Genauso wie es die Zinnsoldaten waren, mit denen ich früher spielte. Nicht mehr. Nicht weniger. Einen Helden. Das stellte man sich vor, wenn man an einen Veteranen dachte. Jemand der seine Kameraden aus dem Schussfeld zog. Doch ich war nichts anderes als eine leere Hülle. Kaum in der Lage mich selbst zu retten.

Langsam beruhigten sich meine Nerven wieder. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich richtete mich ein wenig auf und atmete tief durch. Es gab nichts befreienderes als der erste Atemzug nach einer Panikattacke. Wundervoll. Dachte ich sarkastisch, mit schmerzen in der Brust. Ich hörte mein Handy im Wohnzimmer Sturm klingeln und war gerade mehr als nur genervt. Wütend ging ich ran. "Was Tess? Was zur Hölle willst du?!" aufgebracht raufte ich mir mit einer Hand die Haare. "Es ist wieder passiert..." stellte die dünne Stimme am anderen Ende nüchtern fest. "...du hörst dich immer so an wenn es passiert." ich wusste genau was sie meinte. Atemlos, wie nach einem Marathonlauf. Bitter, so hasserfüllt. Und das war ich auch. Ich hasste mich und mein verhalten. Ich hasste ihre Penetranz. Ich hasste mein verkorkstes leben. Schlicht und einfach. " Jase, du musst das nicht allein durch machen. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du auch bei mir wohnen kannst?!" jaja, das würde ihr so passen. Ihre Stimme war gesenkt und irgendwie beruhigend und doch kratzte es mich auf. Zu wissen, dass sie mich für so schwach hielt. Nach wie vor aufgebracht, fuhr ich mir über die Augen und schüttelte energisch den Kopf. "Ich kann jetzt nicht mit dir diskutieren Tess. Ich muss auflegen. Ciao." antwortete ich also knapp und legte auf. Es folgten noch ein paar tiefe Atemzüge, bevor ich mich fertig machte und frühstückte. Es tat mir leid, dass Tess sich mit mir rum schlagen musste. Das ich nunmal ihr Bruder war. Am liebsten wäre ich komplett auf mich allein gestellt. Wollte niemandem zur last fallen. Ich erledigte noch einen Haufen Papier kram. Bürokratischer scheiß den ich für die Versicherungen und die Army ausfüllen musste. Ich bekam monatlich einen Haufen Gehalt, weil ich drüben war und geschädigt zurück kam. Mit so viel Geld konnte wirklich kein einzelner Mensch etwas anfangen. Zumindest nicht wenn er halbwegs normal war, so wie ich. Und nicht komplett Größen wahnsinnig. Vielleicht war es aber auch nur für meine Verhältnisse viel.. Schließlich hatte ich nie wirklich was gehabt...

Some last words?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt