Kapitel 4

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Als wir aufwachten, stand die Sonne bereits hoch oben am Himmel.
Ich sah nach Jim und bemerkte, dass er noch immer schlief.
Gestern war ja auch ein ziemlich anstrengender Tag gewesen, kein Wunder dass wir so lange geschlafen hatten.
Jetzt erst bemerkte ich, dass ich geschlafen hatte...ohne Albträume.
Hmm... fühlte sich gut an. Ich hatte schon ganz vergessen, wie es sich anfühlte ohne Träume zu schlafen.
Irgendwie machte mich dieses Wissen glücklich. Ich fühlte mich ausgeruht und bereit. Jim richtete sich auf und lächelte mich an.
»Gut geschlafen?«, fragte ich ihn.
»So gut wie seit langem nicht mehr«, sagte er, immer noch lächelnd, »Und du?«
»Genauso,« antwortete ich.
Nachdem wir das Brot, das wir gekauft hatten, und dazu noch ein paar Brombeeren, die ich in der Nähe gefunden hatte, zu Frühstück gegessen hatten, packten wir unsere Sachen zusammen und hielten unsere Waffen, für den Fall, dass hier noch andere Risor oder Dogger, herumirren, bereit.
Während wir gingen, reiste ich im Gedanken in die Zeit zurück, in der ich anfing das Kämpfen zu erlernen.

Ich hatte alle Puzzleteile zusammen gebracht.
Der Streit zwischen meinen Eltern. Das Gespräch zwischen meinem Dad und mir über die Elments. Und all die merkwürdigen Sachen die passierten.
Nach einer Nacht in der ich über all die Dinge nachdachte, wurde es mir endlich klar.
Ich bin eine Elments.
Von meinem Dad wusste ich, dass diejenigen die denen am Herzen lagen, verletzt wurden.
Und ich wollte nicht, dass Dad, Mom und vor allem Jim, der erst sechs Jahre alt war, verletzt wurden. Also lief ich noch am selben Abend von zuhause weg, in den Wald.
Ich war erst neun Jahre alt und war noch nicht so schlau, genau darüber nachzudenken.
Und so war ich mitten in der Nacht nur mit einem Rucksack, mit einer Flasche Wasser und eine Scheibe Brot, weggelaufen.
Doch mein Vater hatte mir noch nicht alles erzählt, zum Beispiel, dass die Elments, je älter sie werden, eine gewisse Aura ausstrahlten die Monster anzieht.
Als ich nach nur einer Nacht im Wald aufwachte und gerade mal fünf Meter weiter gelaufen war, kam eines dieser Monster auf mich zu.
Natürlich wusste ich zu der Zeit noch nicht, dass man sie Risor nannte, aber das wäre mir zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich egal gewesen.
Ich rannte davon, zurück Richtung Zuhause.
Aber mir war klar, dass ich zu langsam war um Hilfe zu holen, also versuchte ich auf einem einen Baum zu klettern, was mir nicht wirklich gut gelang.
Der Risor sprang, aber verfehlte mich. Beim zweiten Mal schürfte er mir mein Bein auf und zerfetzte dabei meine Hose.
Ich schrie laut auf.
Es hatte höllisch wehgetan, mir kamen sogar schon die Tränen.
Plötzlich hörte ich ein Wimmern und schaute nach unten.
Ein Pfeil ragte aus dem Hals des Monsters heraus und dann verblasste es zu Rauch bis nichts mehr zu sehen war. Ein paar Meter entfernt stand Dad mit einem Bogen in der Hand.
»Alles in Ordnung mit dir, Lynn?«, fragte er mit einem besorgten Blick und kam auf den Baum zugerannt.
»Mein Bein«, war das einzige was ich heraus brachte.
»Schaffst du es runter zu klettern?«
»Nein. Glaub nicht.«, antwortete ich.
»Dann lass dich einfach fallen, Liebes. Ich fang dich auf.« Ich schaute ihm mit Schock in die Augen. »Vertrau mir«, sagte er mit fester Stimme.
Ich ließ mich fallen und war im nächsten Augenblick in den Armen meines Vaters. Ich fing an zu weinen.
»Schhhh. Alles ist gut«, flüsterte Dad, »Ich bin aufgewacht und wollte nach euch Kindern sehen, aber du warst nicht da. Ich habe überall nach dir gesucht, dich aber schließlich nicht finden können, also bin ich in den Wald gegangen, da du es doch so sehr magst hier zu sein. Aber dann hörte ich dich schreien. Wie konntest du mir nur solche Angst einjagen? Und wieso bist du überhaupt im Wald? Ich hab doch mehrmals gesagt, dass du nicht alleine in den Wald gehen solltest.«
»Es tut mir leid, Dad.«, begann ich, »Aber ich habe herausgefunden, dass ich eine Elments bin und ich wollte nicht, dass man euch wegen mir verletzt, also bin ich weggelaufen.«
»Ach Lynn. Deshalb muss du doch nicht weglaufen. Wir sind eine Familie und beschützen einander. Hier wird niemand allein gelassen verstehst du?«, erklärte er mir.
Ich nickte. Er ließ mich runter und schon durchströmte mich ein Schmerz und ich wäre beinahe hingefallen, hätte Dad seine Arme nicht um mich geschlungen.
»Au weia. Das sieht gar nicht gut aus«, er deutete auf mein Bein, »Aber das wird schon wieder. Keine Sorge.«
Er nahm mich auf seinen Rücken und trug mich nach Hause, wo Mom mich verarztete.
Nachdem meine Wunde geheilt war, nahm mich mein Vater mit in den Wald. Zuerst wollte ich nicht, da ich immer noch Angst hatte einem Risor zu begegnen, aber Dad sagte mir, dass wir dort trainieren würden, damit ich mich beim nächsten Mal verteidigen konnte.
Er versuchte mir alles über das Leben der Elments zu erklären und brachte mir bei wie man mit Waffen umging. Zuerst brachte er mir das Bogenschießen bei. Er malte, mit ein Stück Kreide, ein Kreuz an einem Baum, den ich treffen sollte. Natürlich habe ich beim ersten Mal nicht getroffen, aber schon beim dritten Mal schoss der Pfeil nur einen Zentimeter von der Mitte entfernt. Dad sagte, dass es ein Talent sei, denn kein Anfänger würde so schnell so gut treffen.
Bogen und Pfeil waren sozusagen meine Lieblingswaffen, da ich mit denen am besten umgehen kann konnte.
Als ich schon mit Pfeil und Bogen umgehen konnte, fingen wir an mit dem Schwert zu üben, was viel länger dauerte.
Das Messerwerfen wiederum war einfacher.
Ich fragte Dad, woher er all die Waffen habe, und er antwortete, dass sie seiner Mutter gehört hatten, darauf sagte ich nichts mehr.
Nach fast nur einem Jahr konnte ich die Waffen schon einigermaßen beherrschen.
Im Bogenschießen traf ich immer die Mitte. Im Messerwerfen traf ich fast jedes Mal und im Schwertkampf hatte ich auch Fortschritte gemacht.
Dad war sehr stolz auf mich und meinte, dass ich das geerbt hatte.
Und dann kam mir ein Gedanke. Was wenn ich nicht nur mein Talent mit Waffen geerbt hatte? Sondern auch die Tatsache, dass ich eine Elments war? Dann war ich nicht durch Zufall oder Schicksal Elments geworden, sondern durch Gene?
Immerhin war die Mutter meines Vater eine Elments gewesen.
Wäre es dann nicht auch möglich, dass Jim ein Elments war?
Seit ich diesen Gedanken gehabt hatte, beobachte ich Jim mit Adleraugen und mir fiel auf, dass nicht nur ich merkwürdige Sachen geschehen ließ.
Ich erzählte Dad, was ich gesehen hatte, und von meiner Theorie.
»Daran habe ich auch schon mal gedacht, aber ich war mir nie wirklich sicher und ich wollte ihn da nicht mit reinziehen. Er ist ja erst sechs.«, sagte er nachdenklich und traurig zugleich.
»Aber Dad, wenn er auch einer von den Elments ist, dann müssen wir ihn auch trainieren.«, drängte ich.
»Ja, da hast du Recht, meine Kleine«, antwortete er.
Mom war zwar nicht gerade erfreut darüber, dass wir jetzt mit Waffen zu tun hatten, aber sie wusste wie gefährlich unser Leben werden konnte, und, dass wir dringend trainieren mussten um zu überleben.

Gabe, oder Fluch?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt