Kapitel 7

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Der Schrei kam von weiter weg. Ich überlegte ob wir hin-, oder weglaufen sollten, denn es wurde ganz still. Es klang so als wäre es ein Mädchen gewesen, aber ich war mir nicht ganz sicher.

Ob sie, oder er, jetzt tot war? Jim und ich waren starr wie Statuen und horchten, doch man hörte nichts außer das leise Rascheln der Blätter.

»Du hast es doch auch gehört, oder?«, fragte Jim.

»Mhm«, gab ich von mir als wieder ein Schreien ertönte. Diesmal klang es anders. Nicht anders wie höher oder tiefer, nein, es klang einfach als ob der- oder diejenige bereit wäre. Bereit zum kämpfen.

Ehe ich etwas sagen konnte, rannte Jim los. Er war schon immer ein Held, dachte ich mir als ich hinterher lief. Einmal als Dad, Jim und ich Essen einkaufen waren hatte Jim ein kleines Mädchen entdeckt, welches von einem Mann hinter dem Markt angeschrien wurde. Als es so aussah als wolle der Mann das Mädchen schlagen war Jim dazwischen gegangen und hatte den Mann angeschrien, er habe kein Recht jemanden zu schlagen - nur dass er es ein bisschen anders formuliert hatte. Zu der Zeit war Jim gerade erst elf geworden! Natürlich hatte der Mann ihn nicht ernst genommen und war schon dabei Jim eine zu Klatschen, aber Dad hatte noch rechtzeitig seinen Arm packen können. Dad war klar, dass der Mann, sagen wir mal, spinnt. Er hatte nicht versucht ihm einzureden es wäre falsch, Gewalt, vor allem an Kindern, auszuüben. Nein, Dad hatte einfach das kleine Mädchen hochgehoben, Jim am Arm gepackt und war einfach weiter gegangen - mit mir natürlich. Dann hatten wir das Mädchen nach Hause begleitet und Dad hatte mit ihren Eltern gesprochen, während ich Jim angestarrt und bewundert hatte.

Jetzt war Jim schon fast fünfzehn Jahre alt und dieser Beschützerinstinkt hat ihn nicht verlassen; wenn sogar, hat es sich verstärkt.

Ich sah wie Jim kurz stehen blieb um dann, mit erhobenem Schwert weiter zu laufen. Als ich endlich nah genug war, ungefähr an der Stelle wo Jim gestanden hat, um zu sehen was los war, spannte nun auch ich den Bogen. Zwischen all den Bäumen stand fauchend ein Risor und vor ihm ein blondes Mädchen mit einem Dolch in der Hand. Jim rannte gerade auf die Bestie zu und schnitt ihm ins Bein, woraufhin der Risor aufschrie und sich seine ganze Aufmerksamkeit ihm zuwendete. Mein Pfeil streifte seinen Kopf, als es sich wieder brüllend dem Mädchen zuwandte, das ihren Dolch aus seinem anderen Bein rauszog. Ich ärgerte mich ein bisschen, da ich den Risor erlegt - oder zumindest fast erlegt - hätte, hätte das Mädchen ihm nicht ins Bein gestochen, aber sie hat ja auch nur versucht ihn von Jim ab zu lenken.

Diesmal zielte ich auf den Körper, damit ich auch sicher treffe. Als mein Pfeil sich in seinen Bauch bohrte wimmerte der Risor auf und schwankt.

Das fremde Mädchen und Jim schnitten ihm ins Bein, woraufhin das Monster hinfiel. Mit dem finalen Schnitt durch den Hals - den die Blondine durchführte - stieg Rauch aus seinem Maul und er verschwand. Schweratmend - naja zumindest Jim und das Mädchen - starrten wir auf den Boden wo der Risor vor ein paar Sekunden noch gelegen hat.

Ein Brüllen ertönte. Was?? Der Risor hat sich doch eben gerade in Luft augelöst!

Aber als mein Verstand endlich merkte, dass es sich um einen weiteren Risor handelte, stieg schon der schwarze Rauch auf. Jim hatte ihm einen Messer ins Auge geworfen.

»Alles okay?«, fragte Jim das fremde Mädchen.

»Ja. Bestens.«, antwortete sie und bückte sich zum Moos runter um das Blut von ihrem Dolch weg zu wischen.

»Ich hol die Pfeile.«, sagte Jim während er den Pfeil, der im Bauch des Monsters war, vom Boden aufhob. Dann rannte er hinter um die anderen Pfeile zu suchen.

»Wieso hat der Risor dich angegriffen?«, fragte ich, wobei ich sie sorgfältig beobachtete.

»Keine Ahnung.«

»Das heißt der Risor hat dich einfach so angegriffen?«, bohrte ich weiter. Ich wusste nicht wieso ich überhaupt so viel fragte, denn Risor waren wilde Tiere, und wilde Tiere griffen nun mal an wen sie wollten. Aber es müsste doch Jim und mich angreifen, da wir Elments sind und in der Nähe waren.

Sie funkelte mich an. »Vielleicht hat es mich angegriffen, weil ich geschrien habe, als ich seine hässliche Fresse gesehen habe? Und wenn schon Risor greifen doch fast immer an.« Ein leichter Hauch von Wut legte sich in ihre Stimme. Wahrscheinlich hatte sie Recht, immerhin hatte sie wirklich laut geschrien. »Wieso fragst du so viel? Ihr seid doch diejenigen die schwerbewaffnet im Wald aus dem nichts aufgetaucht seid.«

»Wir haben dich schreien gehört, da sind her gelaufen.«, erklärte ich.

»Und wieso habt ihr die vielen Waffen bei euch?«, sie verengte ihre Augen und richtete sich auf.

»Wir kommen oft hier her um zu trainieren.«, log ich und versuchte gleichgültig zu klingen. »Außerdem bist du ja auch hier und zwar mit einem Dolch. Wieso?«

»Wollte mal frische Luft schnappen, aber ich weiß ja wie gefährlich es im Wald sein kann.«, antwortete sie gelangweilt.

»Scheint als wär's du ziemlich gut damit.« Ich deutete auf den Dolch.

»Ein Mädchen muss sich verteidigen können, findest du nicht?«, schmunzelte sie. »Obwohl,« redete sie weiter und machte langsam einen Schritt auf mich zu während sie mir direkt in die Augen schaute, »das weißt du bestimmt schon. So wie du schießt.«

»Wie du gesagt hast,« ich erwiderte ihren Blick »ein Mädchen muss sich verteidigen können.« Ihre Augen durchbohrten mich weiter und sie machte wieder einen Schritt auf mich zu. Ich entdeckte graue und braune Flecken in ihren bernstein strahlenden Augen, als ich plötzlich ein animalisches Geräusch links von mir wahrnahm. Instinktiv spannte ich meinen Bogen so weit es ging an und ließ los. Der Pfeil steckte tief im Auge des Risors, der - brüllend - anfing sich, fünf Meter vor mir, aufzulösen.

Als ich wieder zum Mädchen aufblickte, sah ich, wie sie vor Schreck zurück getreten war und wieder da stand wo sie vorher gestanden hatte.

»Vorsicht!« Und im nächsten Augenblick sah ich Jim am Boden, einen Meter weiter weg, wo das Mädchen noch gestanden hatte, auf ihr liegen. Dort wo die Fremde gestanden hat, stand nun ein Risor.

»Pass auf!«, kreischte sie. Jim drehte sich um, aber bevor er sich ganz dem Monster zuwenden konnte, wurde er, von der Klaue der Bestie weggestoßen und landete drei Meter weiter weg, schreiend auf den Boden. Ich wollte auf ihn zu rennen, als er Anstalten machte aufzustehen, während sein Blick weiter auf der Blondie haften blieb. Da wendete ich meinen Blick wieder auf sie und sah, dass der Risor erneut zuschlug. Seine Krallen waren ausgefahren und nähereten sich dem Mädchen, während sich sein kurzes Fell, wegen dem Wind, der aufgekommen war, sich nach hinten sträubte. Ich wusste, dass dieser Schlag das Ende für das Mädchen bedeuten würde. Mein Pfeil könnte den Risor zwar umbringen, aber bis dahin wäre das Mädchen schon gestorben.

Er war nicht mehr aufzuhalten. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Jim sich aufgerappelt hatte und auf sie zu humpelte. Aber er würde zu spät kommen. Selbst wenn ich früher losgerannt wäre, wäre es zu spät.

»Nein!«, schrie er und kurz darauf schrie auch das Mädchen: »Nein!« Furcht und Wut war ihrem Schrei anzuhören.

Plötzlich wurde der Risor von irgendwas unsichtbarem gepackt und gegen einen Baum geschleudert. Jim warf ihm einen Messer in den Hals. Das, weckte mich aus meinem Schock und ich schoß zwei Pfeile nach dem Risor. Als die Bestie begann Rauch aus seinem Maul zu brüllen, schauten wir uns nach Andere um. Und das, so genau wie möglich.

Ein Keuchen ertönte hinter uns. Ich drehte mich um und sah das Mädchen an, welches noch immer auf dem Boden lag. Ihre Augen waren vor Angst und Schock geweitet.

»Dein Arm.«, sagte sie leise. Dann endlich folgte ich ihren Blick. Ich sog erschrocken die Luft ein. Jims Arm ist voller Blut.

Gabe, oder Fluch?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt