Kapitel X - Des Todes Augen

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Was sollte das alles hier? Wieso durfte ich nicht aus meinem Zimmer? Luca wird gerade draußen gehängt. Ich rannte durch mein Zimmer, klopfte immer wieder an meine Zimmertür, aber niemand machte auf. Was sollte das? Er wird sterben, und mit ihm ein Teil von mir. Plötzlich klackte meine Tür und einer der Flügel ging auf. Saraphine kam herein. Nein, ich wollte jetzt nicht mit ihr reden. Eigentlich wollte ich sie jetzt gerade gar nicht sehen.

"Max, ich muss mit dir reden.", fing sie an, als sie sich auf den Stuhl setzte. Sie zeigte auf den ihr gegenüber. Ich setzte mich nervös hin.

"Ich weiß, das viel passiert ist in den letzten Tage, und was ich dir jetzt gleich sagen werde, wird dich sicher tief enttäuschen." Sie machte eine Pause. Was wollte sie mir sagen? Das Luca tot ist, und uns jetzt nichts mehr im Weg steht? Ich will sie nicht!

"Saraphine, ich kann das nicht. Es tut mir Leid, dass die Hochzeit gescheitert ist. Dein Vater muss schrecklich enttäuscht sein, und du erst recht. Ich konnte ja nichts dafür aber jetzt...", doch ich wurde von ihr unterbrochen.

"Max. Hör mir bitte zu. Ich will dich nicht heiraten. Ich kann das nicht; jemanden heiraten den ich nicht wirklich liebe. Es wirkte alles so schön, aber nachdem du weg warst und die Hochzeit abgesagt wurde, realisierte ich erst, was hier alles um mich herum passierte." Ihre Worte taten schon weh. Aber mir nicht. Ich konnte sie verstehen.

"Es tut mir einfach Leid, Max. Ich hätte dir gerne ein schönes Leben gegeben, aber ich denke, ich kann da nichts machen. Es tut mir Leid." Ihre Worte wirkten einfühlsam und rücksichtsvoll.

"Nein, es muss dir nicht leidtun. Mein Herz schlägt, wenn ich ehrlich bin, für jemand anderes.", entgegnete ich ihr. Ihre Augen weiteten sich und sie schaute mich verwundert an.

"Für wen?", fragte sie mit erschrockener Stimme.

"Für Luca." Meine Antwort war schlicht. Und mir fiel wieder ein, wie er auf dem Marktplatz an dem Strick hängt. Kein Leben in ihm. Alles tot.

"Dein Entführer?", fragte sie verwundert. "Der Junge mit den blonden Haaren? Sie haben ihn gefangen genommen."

"Ja, ich weiß. Er soll gehängt werden, und ich sitze hier, und kann nichts machen.", antwortete ich während mir Tränen die Wange runterliefen. Ich sprang aus meinen Stuhl auf und lief an das Fenster. Doch man konnte den Marktplatz nicht erkennen. Saraphine kam zu mir und legte ihre Hand auf meine Rücken.

"Alleine nicht, dass stimmt."

~ Auf dem Marktplatz ~

Ich konnte hören, wie sich die Leute auf dem Marktplatz versammelten. Er spürte das Seil um meinen Hals. Ich spürte den Tod. Ja, man kann ihn spüren. Es ist ein seltsames Gefühl. Gleich, in wenigen Minuten, ist alles was von mir je existierte weg. Fort für immer. Man mag es sich nicht vorstellen können, aber wenn man tot ist, ist man nicht mehr da. Man wird vergessen, man ist verlassen. Niemand weiß, was mich nach meinem Leben erwartet. Komme ich für meine Untaten in die Hölle? Werde ich in den Himmel aufgenommen, weil ich trotz meiner Taten ehrlich gestorben bin? Oder ist es einfach leer, schwarz und endlos? Wie ein Traum, aus dem man nie wieder aufwachen würde?

Ich höre immer mehr Stimmen reden. Sie standen vor mir. Ich wusste nicht genau was passieren würde. Würden sie mir das Tuch vom Kopf ziehen, oder würde ich so gehängt werden. Doch das schlimmste war, das ich nicht wusste wann. Wie lange würde ich hier noch bloß gestellt werden. Plötzlich hörte ich Schritte neben mir. Ich sah ein Paar schwarze alte Schuhe direkt neben mir stehen. Plötzlich wurde es ganz hell.

"Hier ist er!", kam eine tiefe Stimme auf. Meine Augen gewöhnten sich an das Helle. Ich stand auf einem Holzpodest. Viele Menschen hatten sich versammelt. Sie standen in Scharen auf dem Marktplatz. Dicht an dicht gedrängt. Ich schaute auf die Person, von der die Stimme kam. Es war der König.

"Der Unmensch, der meine Sohn entführt, seine Hochzeit zerstört, und ihn gequält hat. Das alles an seinem zwanzigsten Geburtstag. Wie kann ein Mensch nur solche Taten vollbringen. Aber dem wird jetzt ein Ende gesetzt." Er schlug große Reden und zeigte oft auf mich. Die Leute bildeten Hass in ihren Gesichtern. Sie hassten mich gar nicht von Anfang an. Sie wussten vielleicht nicht einmal, dass ich den Prinzen entführt hatte. Sie glaubten nur, was der König ihnen sagte.

Ich schaute durch die Massen. Ich konnte eine Person erkennen. Es war meine Mutter. Sie stand weit am Rand und hielt sich das Gesicht mit einem Tuch zu. Neben ihr standen einige Soldaten. Sie musste sich das mit ansehen. Auch wenn sie nicht wollte, auch wenn es sie nicht interessierte. Ich war ihr Sohn. Ihr einziger.

Ich habe einfach alles falsch gemacht. Es gab nichts was ich je richtig gemacht habe. Nur Fehler. Ich blickte weiter durch die Massen. Einige Händler kamen mir bekannt vor. Ich hatte sie auf verschiedenen Märkten gesehen. Mein Blick fiel zurück auf den König. Er redete und redete. Er wollte allen klar machen, dass er sein Ziel erreicht hatte. Er machte allen Angst. Sie sollten wissen, dass man sich nicht gegen ihn stellen sollte.

"Und diese hier haben ihm geholfen. Zu all seinen Untaten.", sagt der König. Ein Raunen ging durch die Massen. Justin und Thaddeus standen am Rand des Podests. Sie wurden verschont, weil sie mich verraten hatten. Aber ich werfe ihnen das nicht vor. Ich hätte in ihrer Lage sicher genauso gehandelt.

"Sie werden aber verschont. Sie haben sich dazu bereit erklärt, mir zu dienen und zu helfen. Sie wollen ihre Untaten widergutmachen. Und nur so könnt ihr euch rein machen. Untaten werden bestraft, doch die, die für das Gesetzt sind, werden verschont und belohnt."

Seine Worte klangen wie Lügen. Sie waren es auch. Nur von den Leuten, die dort unten standen, konnte das niemand wissen.

"Und nun werde ich meines Amtes walten und ihn dem Tod bringen.", sagte der König während er sich umdrehte. Er ging zu einem Hebel, der am Boden befestigt war. Er schaute mich ein letztes Mal. Ich drehte meinen Kopf nach vorne in die Menschenmenge. Ich wollte lieber vor ihnen sterben, als vor seinen Augen. Ich schaute noch einmal durch die gesamte Masse. Einige Frauen weinten, andere hielten ihren Kindern die Augen zu. Doch plötzlich fiel mir ein Gesicht auf. Ein Gesicht, welches ich hier nicht erwartet hatte. Keine Träne stand in seinen Augen. Nur ein kleines Lächeln zierte seinen schönen zarten weichen Mund.

Es war Max.

Der DiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt