Kapitel II - Der Abend zuvor

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"Wo warst du gestern Abend noch?", fragte Thaddeus während wir unsere Sachen packten. Wir bereiteten uns auf den Diebeszug vor. Alles war geplant; mehrmals durchdacht. Es konnte nichts schief gehen. Es durfte nicht.

"Ich... ich war nur noch mal äh... am Stadtrand. Den Weg und das Tor prüfen.", antwortete ich verlegen. Warum musste er mich das fragen? Es war doch gar nicht wichtig.

"Naja... also ich denke nicht, dass du da nur was 'prüfen' warst. Du warst in der Stadt, bei ihr. Warum?", fragte mich Justin. Der letzte Teil war weniger eine Frage, sondern mehr ein Aufforderung zu antworten.

"Was? Woher willst du wissen, dass ich in der Stadt war? Du bist mir doch nicht etwa nachgekommen?", stellte ich ihn empört zur Rede. Vielleicht macht er seinem Spitznamen doch alle Ehre. Einen Wolf kann man nicht austricksen. Und erst recht nicht abschütteln.

"Gut. Ich gebe es ja schon zu. Ich war halt wieder da. Mein Gott. Ist doch alles halb so wild...", doch da wurde ich schon unterbrochen.

"Halb so wild? Wir planen etwas so großes und du sagt nur 'halb so wild'. Wenn nur einer davon Wind bekommt, dann hängen wir am Strick. So schnell kann nicht mal der Wind uns tragen. Was denkst du, was die mit dir machen?", sagte Thaddeus in all seiner Rage. Ich konnte in seinen Augen erkennen, dass er Angst hatte.

"Du hast Angst?", fragte ich ihn provokativ. Er kniff seine Augen zusammen und macht einen ernsten Blick.

"Ja habe ich. Und jedes Mal, wenn du in der Stadt warst wird sie größer. Wenn uns einer in den Wald folgt, wenn einer weiß, dass wir hier uns Lager haben, werden die uns holen." Er zeigte bei jedem Wort mit seinem Finger auf mich.

"Ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern.", kam es aus mir raus. Sein Blick wandte sich von mir zurück auf seine Tasche, die er gerade packte.

"Also was wolltest du nun von ihr?", fragte Justin.

"Ich musste nur sicher gehen, dass sie noch da ist. Ihr wisst, dass sie mir viel bedeutet."

"Sie hat heute mit einem Polizeibeamten geredet. Sie hat ihm gesagt das du wieder kommst.", sagte Justin wieder. Seine Augen schauten leicht zu Boden. Man konnte seine Enttäuschung spüren. Aber meine auch.

"Luca was hattest du erwartet? Das sie sagt: 'Komm wieder zu mir und alles ist vergessen'?", fragte Thaddeus. Ich wusste genau was er meinte.

"Nein. Natürlich nicht. Sie weiß, dass es nicht mein Wille war. Das Mädchen musste nicht sterben. Ich war noch ein Kind, also mach nicht mich verantwortlich. Es war nur mein Vater der das alles wollte." Justin und Thaddeus guckten mich an. Auch wenn beide die Geschichte kannten, konnten sie sie nicht oft genug hören. Vor vielen Jahren gehörte ein Teil des südlichen Landes uns. Es lag direkt am Südmeer. Warme Luft und viel Sonne prägten diesen Teil des Landes. Es war für Ackerbau gut geeignet. Gut geeignet um meinen Eltern eine Lebensgrundlage zu bieten. Doch durch den neuen König verloren wir unser Land. Es gab keinen Grund. Es wurde uns weggenommen. Mein Vater stellt den König zur Rede. Doch er ließ sich nicht beirren. Lustig hat er sich über meinen Vater gemacht, nur weil er ein Bauer war. Das Land war unsere Existenzgrundlage. Es war weg; von einen zum anderen Tag. Viele Jahre später versuchte mein Vater sein Glück erneut. Doch diese Mal war er für einen Fehlschlag vorbereitet. Der König sollte wissen, dass er nicht einfach machen konnte, was er wollte. Er sollte leiden. Doch das, was mein Vater getan hatte, kann man eigentlich nicht verzeihen. Er hat die Tochter des Königs getötet. Er hat nie gesagt wie... das konnte er auch nicht. Im Kampf mit dem König verlor er sein Leben. Er wurde aber nicht, wie von vielen erwartet, auf dem einfachen Friedhof begraben. Nein, er bekam ein Grabmal auf dem Friedhof im Schloss. Vielleicht hatte der König verstanden, dass es nichts gebracht hat, sich immer als den größten Herrscher aufzuspielen. Andere können trotzdem mächtiger sein. Doch es war um ihn geschehen. Er ließ meine Mutter und mich zurück. Doch hier endet meine Geschichte nicht. Sie wurde der Untreue gegenüber dem König beschuldigt und sollte gehängt werden. Doch dazu kam es nicht. Der König verschonte sie, nachdem sie ehrlich ausgesagt hatte, dass sie nichts von seinen Plänen wusste. Sie durfte sich am Stadtrand niederlassen. Dort wohnt sie nun zurückgezogen und alleine. Meine Mutter. Mich hingegen gab sie ab. An ein Waisenhaus. Warum? Das hat sie mir nie gesagt, und ich wollte es auch nicht wissen. Vielleicht weil ich immer gedroht hatte meinen Vater zu rächen. Vielleicht weil ich schon damals Hass verspürt hatte und sie mich nicht haben wollte.

Der DiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt