Kapitel VI - Vom Prinzen zum Gauner

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Das kann doch nicht sein. Wo ist er denn hingelaufen? Luca, warum hast du ihn auch darauf angesprochen? Ich hätte mich in Stücke reißen können. Wäre es mir nicht so schlecht gegangen, hätte ich ihn sicher eingeholt.

Es war schon gegen Abend. In wenigen Stunden würden Justin und Thaddeus zurückkommen. Und ich bin schuld, dass Max weg ist. Unser ganzer Plan war zerbrochen. Nur weil ich zerbrechlich war.

Es hatte keinen Sinn mehr, weiter zu suchen. Bald wird es dunkel und dann kann man nichts mehr erkennen. Ich begann also meinen Rückzug zur Hütte. Auf dem Weg überlegte ich mir, was ich Justin und Thaddeus erzählen könnte, warum der Prinz abgehauen ist. Vor allem wie es dazu kam.

Ich überquerte einen kleinen Fluss. Das Rauschen des Wassers war wundervoll. Es war nicht mehr lange bis zur Hütte. Doch plötzlich sah ich rechts im Gebüsch etwas weißes liegen. Ich ging hinüber um es genauer zu betrachten. Scheint, als hätte hier jemand etwas verloren. Es sah aus wie eine Jacke... Justins Jacke.

Wie auf einen Schuss rannte ich los, zurück zur Hütte. Ist ihnen etwas passiert? Wurden sie verfolgt oder hat man sie... Moment. Sie wurden verfolgt? Ich kann dann nicht zurück zur Hütte. Zu mindestens nicht einfach so.

~ An der Hütte ~

Ich konnte erkennen, dass Licht brannte. Unsere drei Pferde standen vor der Tür. Waren Justin und Thaddeus schon wieder da? Ich schaute mich nach weiteren Personen um. Niemand war zu sehen.

Nachdem ich mir nun sicher war, dass niemand weiteres hier war, ging ich auf die Hütte zu. Vor der Tür blieb ich ein letztes Mal stehen. Ich konnte einige Stimme hören. Sie kamen dumpf durch die Tür.

"So. Du bist also abgehauen? Warum denn das? Gefiel dir das Essen hier nicht? War dem Prinzen das Bett nicht weich genug? Und außerdem, wo ist Luca?", fragte Justin provokativ. Es kam keine Antwort.

"Antworte, wenn ich mit dir rede." Es klatsche. Ich riss die Tür auf und alle schauten mich an.

"Was machst du da? Hatten wir nicht etwas ausgemacht?", schrie ich Justin an. Dieser schien mehr als verwundert darüber mich zu sehen.

"Unser kleiner Freund wollte uns nicht verraten wo du hin warst.", entgegnete er. Sein Blick fiel wieder zurück auf Max. Dieser hatte bereits eine rote Wange und Tränen in den Augen.

"Das kann er nicht wissen."

"Also hat er doch nicht gelogen." Thaddeus stieß Justin an der Schulter an. Dieser schaute nur eingeschnappt zu ihm hoch.

"Geh in dein Zimmer!", rief ich Max zu. Dieser stand auf. Er schlürfte den Gang entlang bis zu seinem Zimmer. "Das war das erste und letzte Mal. Das hast du dir aber selbst versaut!", rief ich ihm noch hinterher. Er wusste genau wovon ich sprach. Er ist abgehauen. Eigentlich wollte ich nicht so hart zu ihm sein. Ich habe ein wenig darüber nachgedacht, was er gesagt hatte. Es stimmt schon, dass sein Leben stressiger ist als meines. Doch die anderen durften auf keinen Fall merken, dass ich Verständnis für ihn hatte. Sie würden unseren Plan sofort als gescheitert ansehen.

"Wir müssen reden.", entgegnete Thaddeus. "Wir haben ihn im Wald vorne an der Brücke gesehen. Er saß dort an einem Baum. Warum war er nicht hier? Hier, wo du anscheinend auch nicht warst?"

"Es ist kompliziert... es ist nicht einmal seine Schuld. Er konnte nichts dafür. Es war meine Schwäche.", gab ich zu.

"Solche Schwächen können wir hier nicht gebrauchen. Denk an unseren Plan. Wenn wir den Brief nicht abgeben, werden wir nie unser Lösegeld erhalten." Justin hatte zwar Recht, aber das Lösegeld war mir gar nicht mehr so wichtig. Ich versuchte schnell das Thema zu wechseln.

"Habt ihr alles besorgen können für die nächsten Tage?", fragte ich beide. Sie schauten ein wenig verwundert wegen des schnellen Themenwechsels.

"Ja. Das Essen sollte auf jeden Fall reichen."

~ Später am Abend in der Hütte ~

Ich stand vor seiner Tür und wusste nicht, ob ich reingehen sollte. Was sollte ich ihm sagen? Warum war ich da? Eigentlich nur um ihn zu sehen. Ich wollte mich entschuldigen und gleichzeitig bedanken. Ich schaute mich ein letztes Mal im Gang um. Thaddeus war sonst wo und Justin lag bereits in seinem Bett. Mein Blick fiel durch die Küchentür auf einen Stuhl. Auf ihr hing die Jacke von Justin. Max hatte sie im Wald liegen gelassen. Ich nahm sie und ging zurück zu seiner Tür.

Ich öffnete vorsichtig die Tür. Es war dunkel und er schien zu schlafen. Vielleicht war es besser für uns beide, dass wir doch nicht redeten. Ich legte die Jacke über den Stuhl und drehte mich um und wollte wieder rausgehen.

"Entschuldigung." Kam es plötzlich hinter mir auf. Ich drehte mich um und sah Max auf dem Bett sitzen.

"Nein. Ich muss mich entschuldigen.", entgegnete ich. "Es tut mir leid, dich da heute drauf angesprochen zu haben. Es geht mich eigentlich nichts an. Und es tut mir Leid, dass Justin und Thaddeus dich geschlagen haben. Sie sollten es nicht machen. Das hatten wir vorher abgemacht."

Sein Blick ging unverändert nach unten. Er atmete leise ein und aus.

"Das ist mir sowieso egal. Eigentlich ist mir alles lieber, als im Schloss zu sein." Seine Worte ließen mich aufhören. Warum wollte er lieber hier sein, als im Schloss? Zurück zu Hause? Etwa gegen dem, was er mir heute Nachmittag erzählt hatte? Meine Blicke fielen auf ihn und trafen seine Augen. In dem dunklen wirkten sie schwarz und geheimnisvoll.

"Habt ihr es auf mich abgesehen gehabt?", fragte er. Seine Frage tat schon ein wenig weh. Denn wenn ich einmal genauer drüber nachdenke, dann schon. Sein Bruder stand nie zur Auswahl. Aber ihn jetzt anzulügen hatte keinen Sinn.

"Ja", antwortete ich schlicht. "Und ich weiß auch nicht, ob das mit der Rache nicht einfach zu unüberlegt war. Es ist schon, dass in mir Wut wohnt. Ich finde es ungerecht, uns das Land zu nehmen und uns dann als Obdachlose stehen zu lassen."

"Ich kann dich verstehen, Luca." Seine Worte klangen so einfühlsam und verständnisvoll.

"Ich wollte deinem Vater einfach einmal zeigen, was es heißt zu leiden und nicht zu wissen, wie es ausgeht oder weiter geht."

Stille kehrte ein. Eine Träne lief meine Wange runter. Ich hätte heulen können. Aber ich wollte nicht. Nicht vor Max. Ich durfte ihm nicht so viele Schwächen zeigen.

"Ich denke, er muss wirklich einmal verstehen, was es heißt, dass andere auch ihr eigenes Leben führen." Ich verstand nicht so recht was Max meinte.

"Wie meinst du das?", fragte ich, während ich mich auf das untere Ende seines Bettes setzte.

"Ich will ihm eine Lektion erteilen. Und ihr werdet mir dabei helfen." Und mit diesen Worten stand er auf und stellte sich vor mich. Seine Kleidung sah wirklich schlimm aus. Die Hose war zerrissen und vom Oberteil war auch nicht mehr viel übrig. Dann zeigte er mit einem Finger auf mich.

"Ich glaube ich habe da eine Idee. Und ich werde dir versprechen, dass du und deine Kumpanen nicht gehängt werden. Auch wenn es schief geht." Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Wollte er wirklich mit seinen Entführern einen Deal aushandeln? Und er versprach uns, dass wir lebend daraus kommen? Niemals. Ich kann sowas nicht annehmen.

"Abgemacht." ... Was hab ich da gerade gesagt.

Der DiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt