Kapitel 1

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Regen, Regen, nichts als Regen. Das ging schon den ganzen Tag so. Josh schüttelte sich. Er hatte das Gefühl, er wurde gar nicht mehr trocken. Dazu der eisige Wind und die Sturmböen, die einen erzittern ließen. Der junge Mann ärgerte sich über sich selbst, dass er seine behagliche kleine Höhle überhaupt erst verlassen hatte, aber ab und an musste er halt in die Stadt, sich etwas zu essen besorgen und ein bisschen Spaß haben, abends, in einer Bar oder Ähnlichem.

Viel zu selten ließ er sich unter den Menschen der Stadt blicken, die waren ihm alle zu hektisch und verlogen.

Doch jetzt war er hier und hatte sich in einem Imbiss eine Kleinigkeit zu essen gekauft. Zufrieden kauend saß er auf einer Bank vor dem Laden und aß. Als er fertig war, warf er das Papier ordentlich in den Sammelbehälter, streckte sich kurz und lief ein Stück die belebte Straße runter, bis er eine kleine Gasse erreichte.

Er sah sich um. Perfekt. Keine Fenster zur Gasse hin und weit und breit niemand zu sehen. Schnell schüttelte er sich noch einmal und nur Sekunden später stolzierte ein schwarzer, kleiner Kater die Gasse entlang.

Immer schön an der Häuserwand lang, um nicht zwischen die Füße der Menschen zu geraten, machte er sich auf den Weg zu seinem Heim.

Weiter die Straße runter war lautes Hundegebell zu hören und Josh spitzte die Ohren. Mit Hunden hatte er es dann nicht wirklich. Lag wohl in der Natur der Dinge.

Das Gebell kam schnell näher. Ein Mensch rief laut, doch der große, dunkelbraune Schäferhund war nicht zu bremsen. Er hielt genau auf Josh zu und der gab nach einem Schreckmoment Fersengeld. So schnell er konnte, rannte er durch die Gasse, schlug Haken, versuchte sich zu verstecken, doch der Hund war immer noch hinter ihm her. Laut kläffend und bellend kam er näher.

Josh fauchte und stoppte. Er sah sich um. Wandeln konnte er sich nicht. Die Gasse war leider gut einzusehen und nicht so abgelegen wie die vor der Rennerei. Unruhig spähte der Kater die Gegend aus. Weiter kam er nicht - Sackgasse. Doch halt. In einer Ecke neben einigen großen Mülleimern stand ein Holzfass. Der Hund kam näher und bellte. Und ehe Josh den Gedanken zu Ende gesponnen hatte, saß er mit einem Satz auf dem Holzfass. Der Schäferhund kratzte am Holz und sprang an der Tonne hoch.

Josh wich zurück und dann passierte es, der Deckel der Tonne gab nach und mit einem Platsch war er in das eiskalte Wasser gerutscht.

Vergessen war der Hund und vergessen der Regen, jetzt zählte nur noch, dass er irgendwie aus dem Wasser raus musste. Verzweifelt strampelte er und maunzte. Was für ein beschissener Tag.

~~~***~~~

Harry schloss wie jeden Abend sein Bistro ab. Er hatte nach Ladenschluss noch lange sauber gemacht und aufgeräumt. Die Zeit nahm er sich jeden Abend. Schließlich sollte sein kleines Bistro sauber und ordentlich sein, wenn er am nächsten Tag wieder kam.

Er wusste genau, dass seine zwei besten Freunde Liam und Louis ihn nicht ganz ernst nahmen, sie schienen von einem Reinlichkeitstick zu sprechen, aber das machte ihm absolut nichts aus. Wenn er sich nur vorstellte, in der Chaos-WG der zwei zu leben, wurde ihm fast schlecht.

Fröhlich vor sich hin pfeifend lief er zu seinem Fahrrad und schloss es auf. In der Nähe bellte ein Hund. Dem Bellen nach war er groß. Was der nur gefunden haben mochte? Na, ihm konnte es egal sein.

Selbst das stürmische Regenwetter störte ihn nicht. Gute Laune hielt ihn aufrecht und die konnte selbst ein Sturm nicht davon wehen. Er zog sich die Kapuze ein wenig enger ins Gesicht, damit ihm der Regen nicht die Sicht verwehrte. Seine wilden Locken hatte er nach hinten gebunden.

Je weiter Harry fuhr, umso lauter wurde das Hundegebell, bis er schließlich einen ausgewachsenen Schäferhund an einem Regenfass hocken und kratzen sah. Neugierig hielt er an. Was hatte nur die Aufmerksamkeit des Hundes geweckt?

Er stieg von seinem Rad, lehnte es an die Hauswand und griff beherzt in das Halsband des Hundes, zog ihn ein Stück weit weg vom Regenfass. Angst hatte er keine, der Hund interessierte sich überhaupt nicht für ihn.

Als der Besitzer erschien, übergab Harry ihm den Hund, wünschte ihm einen schönen Abend und erstarrte. Ein klägliches Maunzen ließ ihn aufmerksam werden. Mit zwei schnellen Schritten lief er zurück zu der Regentonne und schob den Deckel beiseite.

Verzweifelt paddelte ein kleiner Kater in dem eiskalten Wasser, hatte die Augen fast geschlossen und schien sich mit letzter Kraft hoch zu halten.

„Komm her, Kleiner!", Harry hob das panische Tier hoch und drückte es an sich, streichelte durch das klitschnasse Fell, „na komm, ich nehm dich mit und dann wirst du wieder trocken!"

Joshs Fell war völlig durchnässt. Seine Beine schmerzten und alle seine Glieder fühlten sich schon völlig taub an. Und gerade als er dachte, dass er nun endgültig ertrinken würde, zog ihn eine große Hand aus dem Wasser und eine raue, männliche Stimme sagte etwas, das der Kater nicht ganz verstand.

Alles, was er merkte, war, dass ihn wohl jemand unter eine dicke Jacke steckte, einen Reißverschluss hochzurrte und dann war alles dunkel um ihn herum. Einzig die Wärme und der angenehme Geruch brachten den Kater dazu, sich nicht weiter zu bewegen. Aber selbst wenn er gewollt hätte, seine müden Knochen hätten sicherlich gestreikt.

Die Bewegungen des Menschen wurden langsamer und schließlich schienen sie angekommen zu sein.Josh hörte wieder einige gemurmelte Worte und dann war es ganz still. Kein trommelnder Regen mehr, kein Geheule vom Wind. Es schien so, als wären sie in einem Gebäude. Eine Tür fiel ins Schloss und wenige Augenblicke später zurrte der Reißverschluss erneut und Josh blinzelte.

„Hey, Kleiner, jetzt bist du im Trockenen", Harry hob den schwarzen Kater aus seiner Jacke und setzte ihn auf ein großes Handtuch, um ihn dort drin fürsorglich einzuwickeln und ein wenig trocken zu rubbeln.

Ein Maunzen ließ ihn das Handtuch wieder aufklappen und zwei braune Augen blinzelten ihn interessiert an.

„Na, du hast wohl Hunger", murmelte er und hob den Kater wieder auf den Arm, um mit ihm zusammen zum Kühlschrank zu gehen.

Stirnrunzelnd sah er hinein. Da er die meiste Zeit des Tages im Bistro verbrachte und dort auch meistens aß, hatte er nicht viel hier. Er nahm ein Paket mit rohem Schinken heraus. „Na, eine Scheibe wird dir hoffentlich nicht schaden", murmelte er, „und morgen gehen wir erst einmal zum Tierarzt, gucken, ob du einen Besitzer hast."

Mit seiner tierischen Fracht auf dem Arm ging Harry zu seinem kleinen Sofa und streckte sich dort lang aus. Der Kater machte es sich direkt auf seiner Brust bequem und knabberte ihm die Scheibe Schinken so aus der Hand.

Weil das schwarze Fellbündel immer noch zitterte und ihm selber auch nicht warm war, zog Harry die Fließdecke einfach über sie beide. Irgendwie mussten sie ja warm werden.

Kurz zappte er durch das Fernsehprogramm, bis er etwas halbwegs Vernünftiges gefunden hatte. Aber seine eigentliche Aufmerksamkeit galt dem Kater, durch dessen Fell er immer wieder streichelte und der laut vor sich hin schnurrte.

„Wem du wohl gehörst, dass du so anhänglich bist", bemerkte Harry nachdenklich.

Mmmmh - so ließ es sich aushalten. Josh schnurrte vor Wohlbehagen. Die großen warmen Hände des Menschen fühlten sich einfach gut an. Sie hielten ihn sicher und streichelten sanft durch sein immer noch klammes Fell.

Der Fernseher war die einzige Geräuschkulisse mit Ausnahme der Regentropfen, welche immer noch gegen die Scheiben trommelten. Josh ruckelte sich ein wenig auf der breiten Brust zurecht und gähnte. Langsam durchdrang ihn die Wärme und er schloss die Augen.

Irgendwann konnte Harry die Augen nicht mehr aufhalten und er stand langsam und vorsichtig auf. Der Kater schlief mittlerweile tief und fest und genau das hatte er jetzt auch vor.

Der Fernseher war schnell ausgeschaltet und nach einem kurzen Gang ins Bad schlüpfte Harry unter seine Bettdecke im Schlafzimmer.

Das Fellknäuel hatte er liebevoll auf das Sofa gelegt, ihm die Decke beschützend übergeschwungen.

Er wusste nicht warum, aber er hoffte, dass sich herausstellen würde, dass das Tier noch nicht gechipt war und keinem Besitzer angehörig. Aus irgendeinem Grund wollte er den Kleinen behalten. Er war beinahe sofort anhänglich gewesen und hatte sich jede Behandlung gefallen lassen.

Über seinen Gedanken schlief der Lockenkopf schließlich ein.

Kater(chen) sucht ein ZuhauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt