Kapitel 6

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich so volkommen wie lange nicht mehr. Ich war komplett erholt und zufrieden.

Lächelnd sah ich auf Josh herunter, der seinen Kopf auf meinen Bauch gelegt hatte, und friedlich schlief. Er hatte seine Arme locker um meine Hüfte geschlungen.

Kribbelnde Wärme durchfuhr meinen Körper. Das alles hier musste ein Traum sein. Es war zu schön um wahr zu sein. Ich würde aufwachen, in meinem Zimmer und Josh wäre weg. So musste es sein.

Ich schnipste gegen meinen Arm, um mich vergewissern das ich wach war. Es schmerzte.

Konnte man sich so schnell in einen Menschen verlieben? War das möglich? Ich kannte Josh erst seit etwa drei Wochen. Aber alles an ihm wirkte so unglaublich anziehend auf mich.

Er regte sich etwas, dann öffnete er die Augen. Lange sah mich an. "Gut geschlafen?" fragte ich, meine Stimme voller Zuneigung.
Er wirkte unruhig. "Ich... brauch das Dopamin."

Ein Schatten legte sich über meine vorher so ungehemmte Freude. Er schien diese Wiederaufnahmehemmer wirklich 24/7 zu brauchen.

Sanft schob ich seinen Kopf von meinem Bauch, und robbte zu dem Nachttisch, und schnappte mir das Döschen. Ich reichte es ihm.

Zitternd schraubte er es auf, ließ zwei in seine Hand fallen, und sank zurück. Josh schloss die Augen, und sein Atem wurde regelmäßiger.

Ich sah ihn besorgt an. "Geht schon wieder", murmelte er nach 10 Minuten. Dann streckte er seine Hand nach meiner aus. "Hast du denn gut geschlafen?"

Ich nickte. "So gut wie seit langem nicht mehr. Und ich glaube, das ist dir zu Schulden zu führen."

Er schmunzelte schwach. "Du bist eingeladen, öfter auf mich aufzupassen, Cora."

"Ich würde zu gern, aber meine Mutter ist jetzt schon am austicken... Wenn sie mitkriegt, das ich einen-"

Ich zögerte das Wort Freund auszusprechen. Klar, der Begriff war weit gefächert, aber trotzdem schien es mir irgendwie unpassend.

Josh zog eine Augenbraue hoch. "Lag dir da ein 'Freund' auf der Zunge?"
"Naja... der Ausdruck passt meiner Meinung nach nicht. Wie würdest du dashier denn betiteln?" Vielleicht war es ja auch normal, das Sonntag Morgen ein Mädchen in seinem Bett aufwachte.

"Hmmm... ich würde dich als die Krücke meiner Seele bezeichnen, glaub ich."

Ich lachte. "Das klingt ja heiß."

Langsam schienen seine Pillen so richtig zu wirken. "Was willst du denn sein?"

Das war eine gute Frage. Was wollte ich sein, für ihn?

"Erstmal will ich das Mädchen sein, das jetzt deine Badewanne benutzen darf", wich ich aus. Er lächelte. "Jederzeit."

Ich stieg aus dem King-sized Bett, und rückte sein T-Shirt zurecht, während ich ins Bad tapste. Dann schloss ich die Tür hinter mir, zog die Klamotten aus, und ließ sie auf die schokoladenbraunen Fliesen fallen. Der ganze Raum war wohlig warm, es musste eine Fußbodenheizung im Spiel sein.

Ich ließ warmes Wasser in die Eckbadewanne laufen, zog die Vorhänge zu, und dimmte das Licht, um das triste Wetter draußen zu vergessen.

Als die Wanne fast voll war, gab ich etwas Kirschbadeschaum hinzu, und ließ mich in das warme Wasser gleiten.

Über eine halbe Stunde dümpelte ich im Duft der Kirschen. Dann stieg ich aus der Wanne, und trocknete mich ab.

Meine Klamotten von gestern Abend rochen nach Pizza. Ich rümpfte die Nase. "Josh?" Keine Antwort. Also lugte ich in sein Zimmer. Er war nicht da, doch der Duft von frischen Brötchen ließ mich schmunzeln.

Ich ging an seinen Kleiderschrank, und zog eine graue Jogginghose hervor. Dazu zog ich ein rotes Flanellhemd von ihm an. Dann putzte ich noch Zähne, und machte mich auf die Suche nach Josh.

Ich folgte dem Geruch von Frühstück zielstrebig durch die zahlreichen Flure und Stockwerke des Washington-Domizils.

Schließlich kam ich in eine große moderne Küche mit einer großen Thekeninsel in der Mitte. Dort stand Josh in seinen Schlafsachen, und legte sich mächtig ins Zeug. Er schnippelte Obst.

Ich trat neben ihn. "Hey du Badenixe", begrüßte er mich mit einem Schmunzeln. "Hey du Psychophat" antwortete ich sachlich nüchtern.

"Dir würde ein Aufenhalt im Ocean View auch mal gut tun", konterte er. "Sozial Inkompetent undso."

Ich lachte. "Autsch... du bist nicht zufällig auch ein Wasserman?"
Josh schüttelte den Kopf. "Zwilling."

Ein Kloß setzte sich in meinem Hals fest. Zwilling. Das Schicksal gab sich aber auch alle Mühe ihn an die Tragödie in seinem Leben zu erinnern.

"Hast du dich an meinem Kleiderschrank vergriffen?" fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
Ich lachte. "Mein Outfit für die Fashionweek", scherzte ich, und stemmte mich hoch um auf der Kücheninsel sitzen zu können.

Er musterte mich. "Mir hat das was du heute Nacht getragen hast, auch gut gefallen."

Ich beugte mich vor. "Ach ja? Soll ich die Hose wieder ausziehen?" Er kam ebenfalls näher. "Ich leg es dir nahe."

Ich grinste. "Nur wenn du heute mit mir Schlittschuhlaufen gehst." Er sah mich entgeistert an. "Schlittschuhlaufen!? Mit Eis und allem?" Ich nickte. "Genau das."

"Also ich denke, es ist schon klar geworden, das ich ein Alleskönner bin", sagte er und deutete auf die sauber filetierte Mango auf dem Brett vor ihm, "aber mir wär ein Horrorfilmmarathon lieber!"

Ich schüttelte lachend den Kopf. "Nach dem Frühstück darfst du deine Autofahrkünste demonstieren, indem du mich nach Hause fährst."

"Kannst du nicht noch bleiben?" Josh sah mich flehend an. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Mir war klar das ich ihn ablenken konnte von seinem Schmerz.

"Hör zu, ich muss mich um den Hund kümmern. Aber... wenn du willst, können wir zusammen mit ihm spatzieren gehen."

"Klingt gut!" meinte er zustimmend.

"Aber jetzt muss ich erstmal was essen", murmelte ich hungrig.

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