Die Tage zogen ins Land, und die drei Wochen am Blackwood-College vergingen wie im Flug. Fast schon vermisste ich die großen alten Höhrsaale, als wir wieder unsere Zimmer in der Schule beziehen konnten.
Josh hatte ich seit unserer ersten, merkwürdigen Begegnung in der Bibliothek nichtmehr gesehen. Doch irgendwie ging er mir nichtmehr aus dem Kopf. Was war mit ihm passiert? Ging es ihm gut?
Ich hatte seinen Namen auf Facebook eingegeben, und tatsächlich hatte er ein Profil, doch dort war er seit einem halben Jahr nichtmehr aktiv gewesen.
Debbie hatte ich nichts von ihm erzählt, denn ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen. Möglicherweise kannten seine Eltern den Zustand ihres Sohnes gar nicht. Die Washingtons waren reich, Bob Washington war ein erfolgreicher Filmptoduzent. Da hatte er bestimmt nicht so viel Zeit für Josh.
Ich rieb mir die kalten Hände, und war mehr als froh, als mich die Wärme der Schule umpfing. Die Pause war grade vorbei. Jetzt hatte ich noch zwei Stunden Englisch, dann konnte ich endlich heim.
Dort würde ich erstmal ein Bad nehmen. Ich war durchgefroren bis auf die Knochen, und eine Schneeballschlacht mit einigen Schulfreunden hatte es auch nicht besser gemacht.
Der Unterricht war schneller vorbei als ich erwartet hatte. Unser Lehrer, Mr. Summers war bei uns allen sehr beliebt. Er war cool, und hatte einen beißenden Sarkasmus den ich sehr bewunderte. Es klingelte, und wir waren in die Freiheit entlassen.
"Miss Tomlinson?" Ich hatte das Klassenzimmer grad verlassen wollen, doch nun blieb ich stehen und drehte ich mich zu meinem Englischlehrer um.
Er kritzelte etwas auf seinen Collegeblock, dann sah er mich an. "Cora, deine letzte Englischarbeit war mit Abstand die beste dieses Kurses. Ich wollte dich fragen, ob du interesse hättest, Mitschülern Nachhilfe zu geben."
Mich durchströmte ein Hochgefühl. Englisch war schon immer mein Fach gewesen. Und obwohl ich weder Zeit, noch Lust hatte, Nachhilfe zu geben, ehrte mich das Angebot.
Ich lächelte Mr. Summers an. "Ich fürchte, dafür werde ich keine Zeit haben... Die anderen Fächer fordern viel Zeit und Arbeit ein..."
Er nickte verständnisvoll. "Dann einen schönes Wochenende!"
"Ihnen auch!"Mit einem stolzen Lächeln schritt ich den Gang zum Ausgang der Schule entlang, und drückte die Tür auf.
Draußen schneite es schon wieder. Die meisten Schüler waren schon Weg, und der Parkplatz fast leer. Dort stand der schwarze Chevrolet meiner Schwester mit dem ich in die Schule gekommen war, ein blauer Van... und ein Mattschwarzer Sportwagen. Ein BMW.
Ich musste zweimal hinsehen, um mich zu versichern, das ich mir das nicht einbildete. Da lehnte Josh Washington an seinem Auto. Er war also der Parklückendieb gewesen.
Die Hände in den Taschen vergraben kam er auf mich zu. Er trug eine graue Winterjacke, einen Wollschal und die passende Mütze. Seine Füße steckten in Wanderstiefeln. Das war durchaus vernünftig, bei diesem Schnee. Ich trug Sneaker und war mir nichtmal mehr sicher, ob es meine Füße noch gab.
Während wir aufeinander zugingen, musterte ich sein Gesicht. Er wirkte Müde und Traurig, aber er schien clean zu sein.
"Hey", murmelte er.
"Hey." Ich sah ihn prüfend an.
"Was machst du hier?"Er malte mit seinem Fuß in den Schnee. Kleine Kreise.
"Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Coralie. Ich bin ein ganzschöner Arsch gewesen, in der Bibliothek." Ich nickte zustimmend."Jedenfalls... wollte ich dir danken, das du dichtgehalten hast."
Jetzt lächelte ich ihn an. "Petzten mag doch keiner, stimmts?"
Er begann mich zu mustern. Sein Blick war so... intensiv. Und gleichzeitig so verloren und traurig.
"Ich hoffe, du hast das Zeug gut versteckt", sagte er. "Wenn man dich mit sowas erwischt..."Jetzt musste ich etwas lachen. "Keine Sorge. Ich lass mich nicht erwischen."
Josh gab ein kleines Schnauben von sich, dann wurde sein Blick wieder düster. "Du hast sie gekannt, oder?"
Ich nickte. "Jap. Besonders gut hab ich Beth gekannt. Und sie würde dich grün und blau schlagen, wenn sie wüsste, was du hier machst."
Jetzt wirkte er etwas perplex. Warscheinlich weil ich so direkt war. "Ich kann dir versprechen, das sowas nicht wieder vorkommt. Ich habe-"
Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter, und drückte sie sanft. "Mir musst du nichts versprechen, Josh. Versprich dir selbst was."
Ich lächelte ihn ein letztes Mal warm an, dann drehte ich mich um, und ging zu meinem Auto. Ich hatte das gute Gefühl, das er tatsächlich etwas gerändert hatte.
Die ganze Rückfahrt ging Josh mir nicht aus dem Kopf. Und auch als ich daheim in der Badewanne lag, dachte ich an sein Gesicht, seine Augen. Hätte ich ihm meine Nummer geben sollen? Vielleicht brauchte er ja jemanden zum reden...
Ach quatsch. Ich redete mir schon wieder irgendewas ein. Er hatte sich nur bei mir entschuldigt. Das und nichts weiter.
Am Abend sah ich mir mit Mariza einen Film an. Wir lümmelten auf unserer großen Couch, und sie machte mir die Nägel.
Es war behaglich, wir hatten ein paar Kerzen angezündet.
"Wie war dein Tag?"
Ich überlegte kurz. "Die Schule war eigentlich ganz cool heute. Ich bin Klassenbeste in Englisch!"Mariza schmunzelte. "Sprachbegabung liegt in der Familie. Und sonst so?"
Ich überlegte kurz ob ich ihr von Josh erzählen sollte. "Naja... da ist so ein Junge..."
Mariza ließ fast den Nagellack fallen. "Ein Junge!? Erzähl. Mir. Alles. Sofort!"
Ich lächelte unsicher. "Das ist es ja. Es gibt eigentlich nichts zu erzählen. Ich hab ihn zweimal gesehen. Aber irgendwie... will er mir grade nichtmehr aus dem Kopf."
"Schreib ihm ne SMS!" rief sie.
"Shhhhh... Mom muss das nicht sofort wissen", sagte ich unruhig. Das war mir alles ziemlich unangenehm.
"Außerdem hab ich seine Nummer nicht."Meine Schwester zuckte mit den Schultern. "Dann mach ein Date mit ihm aus... was weiß ich."
Ich beschloss das Thema einfach ruhen zu lassen.Das war doch sicher nur eine kleine Schwärmerei... schließlich sah er ja schon verdammt gut aus...
Frustriert vergrub ich meinen Kopf in einem der Sofakissen. Mariza lachte. "Das wird schon wieder. Es wird immer irgendwie."
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We'll Get Over It
FanficJosh ist nach dem Tod seiner Schwestern dabei, sein Psychologiestudium abzubrechen, als er auf dem Unicampus eine ehemalige Freundin von Beth kennenlernt, die versucht, Farbe in seinen tristen Alltag zu bringen...