9.Kapitel

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Wie von der Tarantel gestochen sprang ich wieder auf und machte es mir stattdessen neben ihm auf dem Boden gemütlich. Ich wich ihren fragenden Blicken aus und starrte auf einen mir unbekannten Fleck in den Sitzreihen.


"Sophia?" Jemand rüttelte leicht meinem Arm. Müde hob ich meinen Kopf und sah zu Niall. Er kniete vor mir und massierte meine kalten Hände. "Du warst beinahe bewusstlos. Du machst mir Angst", sagte er stockend. Ich senkte meinen Blick wieder und zuckte abwesend mit meiner Schulter. "Willst du etwas essen?" schlug er mir fürsorglich vor. Stumm wich ich den Blicken der Jungs aus. Im Moment mochte ich lieber alleine sein. Aber vermutlich wird er nicht gehen. Ich war mir dabei sogar sehr sicher. Mich verfolgte der Gedanke, dass der Krebs wiederkommen könnte. Ob die tausenden Therapien wieder halfen werden? Ich biss mir meine Tränen zurück und riss meine Hände aus Niall's. "Oh Gott, du fängst aber nicht an zu heulen?" Harry schaute mich entgeistert. Ich zog meine Brauen aufgebracht zusammen. "Du spinnst doch!" "Das merke ich mir", erwiderte Harry daraufhin kleinlaut. "Harry, du bist doch ein Idiot!" verteidigte Niall mich. "Sie ist ein Teenager", erinnerte Harry ihn unfreundlich. Wieso sagte Harry sowas? Mit gesenktem Blick drückte ich mich an der kalten Stuhllehne hoch um aufzustehen. Ich wollte einfach weg von hier. Hustend sackte ich wieder zusammen und fiel auf Nialls Schoss. Schwitzend lehnte ich mich an ihn und schloss meine Augen. Alles drehte sich um mich herum. Er streichelte unbeholfen meinen kalten Oberarm. "Bitte fass mich nicht an", zischte ich ihn an und es klang giftiger als beabsichtig. Er stoppte sich in seiner Bewegung um sein Handy hervorzuholen. Innerlich schrie ich nach seinen weichen Händen. Doch es war besser so. Ich durfte von niemanden mehr Hilfe annehmen. Seitdem ich auch von meinem Vater enttäuscht wurde war ich mir sicher, dass alle Menschen gleich waren. Am Anfang nett und am Ende Schweine. Gähnend streckte ich mich und rutschte von Niall weg. Ich gab allem einen neuen Versuch und rappelte mich ächzend auf. Mit Erfolg! Schüchtern schaute ich dann zu Liam, welcher beunruhigt zwischen mir und Niall herschaute. "Kam etwas von Leonie?" fragte ich mit brüchiger Stimme. Liam verneinte. "Aber wenn sie nicht bald kommt, fahren wir dich zu unserem Hotel." Verdammt. Ich atmete tief ein und sprach mir gut zu. Ich konzentrierte mich komplett darauf, dass meine Stimme stsrk ist. "Naja, vergesst einfach, was passiert ist. Ich gehe sie suchen." Da Harry der Meinung war, dass ich unter Stimmungsschwankungen litt, konnte ich genauso gut gehen. Die Jungs mussten ja nicht die Wahrheit wissen. Ich ignorierte Niall der aufstand und mich verletzt musterte. "Sophia, du solltest hier bleiben." Stirnrunzelnd schaute ich an ihm vorbei. Trotzdem merkte ich, dass er einen ganzen Kopf größer war. "Ich möchte aber zu meiner Cousine", sagte ich stur und rannte so schnell wie ich konnte. Aber schon nach wenigen Metern musste ich mein Tempo verlangsamern, weil mir nicht gut war. "Sophia!" Ich achtete nicht auf Niall's Stimme, sondern sprintete wieder los "Sophia,warte!" rief er noch lauter und drängender. Fast wäre ich stehen geblieben,aber nur fast. Ich wollte um ein paar Kisten laufen um ihn abzuhängen. Doch plötzlich war er vor mir und packte mich an meinen Armen. Natürlich konnte er von da kommen, der Weg war ja frei. Ich hätte mir jetzt liebend gerne auf die Stirn geschlagen, was natürlich nicht ging wenn er mich an beiden Armem festhielt. "Niall, lass mich doch einfach in Ruhe. Merkst du nicht, dass ich Abstand brauche?" Als ich zu ihm aufblickte, blitzten mich seine Augen traurig an. "Sorry." Schuldbewusst senkte ich meinen Blick wieder und unterdrückte den Drang ihm in die Augen zu starren. Ich hasste mich dafür, dass ich manchmal zu ehrlich war. Mich zerfraßen die Schuldgefühle. So zur Info: Ich werde sehr schnell von Schuldgefühle geplagt. Niall legte seinen Kopf schräg und durchlöcherte mich mit einem merkwürdigen Blick. "Was war denn? Du solltest dir helfen lassen." Ergeben nickte ich. Irgendwie hatte er recht. "War ich zu grob?" fragte er mich schuldig und lockerte den Griff etwas. Hastig schüttelte ich meinen Kopf. Erleichtert nickte er und zog mich in eine innige Umarmung. Dabei massierte er mir beruhigend meinen Rücken. Es war so angenehm, dass ich mich entspannte und mich in seiner Wärme verlor. Ich legte meine Arme um ihn und ließ meinen Tränen ihren freien Lauf. Dabei wusste ich nichtmal wieso ich weinte. Vielleicht lag es daran, dass Niall's Nähe mir half und mir das Gefühl von Geborgenheit gab. Niall schmiegte sich noch mehr an mich. Seine Umarmungen waren himmlisch und sein Geruch göttlich. Alles kribbelte wie verrückt in mir. Genau das was ich bisher gemieden hatte geschah gerade. Ich weinte mich in den Armen eines Fremden aus, den ich zu sehr mochte.

Widerwillig löste ich mich aus seinen Armen. Irgendetwas warnte mich,irgendetwas sagte mir, dass das nicht richtig war. Es war auch alles andere als richtig. Außerdem war ich eindeutig zu jung, deshalb musste ich diese Gefühle vergessen. Ich spürte einen kurzen Widerstand und lachte auf. Vielleicht konnte ich auch einfach nur mit ihm befreundet sein? Vielleicht konnte ich es ja, bei Sina hatte es auch geklappt. (Aber das war wieder eine komplett andere Geschichte). Niallers Gesicht färbte sich tomatenrot und er stammelte irgendetwas vor sich her. Er war so süß, wenn er sich ertappt fühlte. Plötzlich begann sich wieder alles um mich herum zu drehen. Bevor ich ihn warnen konnte, klappte ich zusammen. Er fing mich rechtzeitig auf bevor ich auf den Boden prallen konnte. Glücklicherweise kamen Liam und Leonie auf uns zu. "Meine Güte!" rief Niall panisch. Mein Herzschlag raste in Höchstgeschwindigkeit und ich zitterte unkontrolliert. "Anissa, du bist tot! Wo warst du?" Niall hob mich ohne Probleme im Brautstil hoch und eilte auf die beiden zu. Müde kuschelte ich mich an Nialls warmen Oberkörper. Was war mit mir los? Warum fühlte ich mich so schwach? "Mach mir einen Gefallen und sag dass du einen Witz machst", wisperte er. "Es ist ein Witz", murmelte ich und erhielt einen Blick von ihm der Alles aussagte. Er hat einen tollen Humor. Meldete sich meine innere Stimme, doch ich ignorierte sie. Das war nicht meine Meinung. "Wollte nur die Laune heben", nuschelte ich in seine Brust. Doch bevor Niall weiter mit Leonie schimpfen konnte, unterbrach sie ihn. "Was ist los?" erkundigte sie sich geschockt. "Ich dachte du weißt das", sagte Niall zornig. "Wann hast du ihr das letzte Mal was zum Essen gegeben? Sie ist federleicht!" Ich beobachtete die drei Streithähne. Die Ohnmacht legte sich wie ein schwarzer Schleier auf mich. Schwächling, machte sich meine innere Stimme über mich lustig. Eisern ignorierte ich sie und konzentrierte mich auf Nialls und Leonies Streit. "F*ck", fluchte sie und schlug sich mit ihrer Handfläche auf ihre Stirn. Nialls Brust hob und senkte sich schnell. "Du willst mir jetzt nicht weiß machen, dass du ihr seit Tagen kein Essen gegeben hast! Das sind, lass mich überlegen..." Er verstummte schnaufend. "Drei Tage und du meintest schon davor, dass sie abgenommen hat! Dein Ernst?!" Stalker, setzte die Stimme herablassend fort. Kopfschüttelnd räusperte ich mich: "Das liegt nicht an ihr, Niall. Ich hatte einfach keinen Appetit und jetzt hört auf euch zu streiten!" Aber er ignorierte mich. "Wir müssen mit ihr zum Krankenhaus!" redete er sich weiter in Rage. "Niall!" rief ich so laut wie ich konnte. Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit. "Bist du zufrieden wenn ich die nächste Zeit wieder esse?" Ich sah wie sich mittlerweile Tränen aus seinem Auge stahl. Oje, er machte sich aber keine Sorgen um mich, oder? "Ich werde schon nicht sterben", sagte ich beruhigend und zwang mir ein Lächeln auf. Ich kannte ihn zwar nicht, aber wenn er weinte tat es mir weh. "Hmm." erwiderte er abwesend. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und fuhr sanft durch sein Haar. "Süß, dass du dir Sorgen um mich machst. Du bist die erste Person die das tut", hauchte ich. Dabei fiel mir auf, wie merkwürdig das klang. Es war aber die Wahrheit. Niall ging stumm mit mir auf seinem Arm an Leonie und Liam vorbei. An Liams Blick war zu sehen, dass er genauso wenig durchblickte wie Leonie. "Wie viel wiegst du denn?" fragte er und ich spürte wie er ein kurzes Schluchzen unterdrückte. "Keine Ahnung... Ich hatte mich das letzte Mal vor einem Monat gewiegt", gab ich zu. "Wohin gehen wir?" fragte ich den blonden Iren, als er plötzlich in die kalten Flure des Stadions eintrat. "Wir essen jetzt etwas."

Erschöpft lachte ich. "Hör auf mich zu kitzeln!" rief ich hysterisch. Gegessen hatte ich nicht viel. Vielleicht ein Viertel des Apfels, aber dass hatte ihn offenbar schon zufrieden gestellt. Ich wehrte hustend Niall's Hände ab. Ich weinte mittlerweile vor Lachen. Grinsend tippte er mich an meiner Seite an. Erschrocken quiekte ich auf und landete lachend auf dem kalten Boden. "Dein Ernst?" sagte Niall laut. Er brach in schallendes Gelächter aus und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm sie dankend an und ließ mich von ihm hoch ziehen.

Engel - Sei Wie Du (Niall Horan FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt