Skillet, Bettgeflüster und ein ganz normaler Morgen

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Zuhause angekommen wurde Rin erstmal von der völlig überdrehten Vivi durch die Villa geführt, während ich mich in mein Zimmer zurückzog und mir eine schwarze Jogginghose und ein rotes Top mit Totenkopfaufdruck anzog. Dann stellte ich meine Musik an. Bei Freakshow von Skillet konnte ich komplett ausschalten, ich legte meinen Kopf in den Nacken, sang mit und tanzte mir die Seele aus dem Leib. Am Ende des Songs fing ich an laut zu lachen, es war befreiend und endlich ging es mir wieder so richtig gut. Auch die nächsten Lieder änderten an meiner Laune nichts mehr, im Gegenteil, sie verstärkten sie bloß. Doch als sie letzten Töne von Rise verklangen und das neue Lied begann, erstarrte ich in meiner Bewegung und ließ mich fallen. Vollkommen von der Melodie gefangen, versank ich in den Tönen und sang leise zur Stimme von Johnny Cooper mit.

You come to me with scars on your wrist
You tell me this will be the last night feeling like this
I just came to say goodbye
I didn't want you to see me cry, I'm fine
But I know it's a lie.

Mit zitternden Fingern strich ich über die langen gezackten Narben, die sich quer über meine Unterarme zogen. Nein, ich hatte mich nicht geritzt, das hatte Tony mir abgenommen. Eine der Sachen, die ich dank ihm gelernt hatte war, dass Glasscherben und Haut sich nicht besonders gut vertrugen. Im Licht meiner Deckenlampe schienen die schlecht verheilten Wunden beinahe violett und mir wurde übel, als ich an die Zeit in Los Angeles dachte.

This is the last night you'll spend alone
Look me in the eyes so I know you know
I'm everywhere you want me to be.
The last night you'll spend alone,
I'll wrap you in my arms and I won't let go,
I'm everything you need me to be.

Es war so schön, zu wissen, dass es drei Menschen gab, die sich um mich kümmerten, sich um mich sorgten und auch mich aufpassten. Auch wenn ich Dimitri erst seit zwei Tagen kannte, war sein Wesen schon so tief in meinem Herzen verankert, als wäre er schon mein ganzes Leben da gewesen.
Your parents say everything is your fault But they don't know you like I know you they don't know you at all
I'm so sick of when they
It's just a phase, you'll be o.k. you're fine
But I know it's a lie.

Sie sind das Letzte. Sowohl meine ach so perfekte Tante, als auch ihr neuer Mann hatten mich abgewiesen, mich ausgelacht und für verrückt erklärt, als ich ihnen von Tony erzählt hatte. Sie waren nie für mich da gewesen. Es gab nur sie beude und ihre kleine unzerstörbare Seifenblasenwelt.

This is the last night you'll spend alone
Look me in the eyes so I know you know
I'm everywhere you want me to be.
The last night you'll spend alone,
I'll wrap you in my arms and I won't let go,
I'm everything you need me to be
be
The last night away from me

Ich freute mich auf die Schule und vor allem freute ich mich auf die Zeit, die ich mit Dimitri verbringen konnte. Er war beruhigend und es tat mir gut, in seiner Nähe zu sein. Auch, wenn ich ihm das niemals sagen könnte, stimmte es.

I won't let you say goodbye,
I'll be your reason why.

The last night away from me,
Away from me.

Die Musik verstummte und jetzt erst hörte ich das leise Klopfen an meiner Zimmertür. "Ja?", rief ich und schaltete den CD-Player aus. "Cas? Ich bins, Rin. Darf ich hier schlafen?", vernahm ich Rins zögerliche Stimme und sie öffnete zaghaft die Tür. "Klar, kuschel dich rein.", lächelte ich und sie grinste erfreut und schmiss sich auf mein Bett. Ich machte das Licht aus und legte mich zu ihr. Stumm lagen wir nebeneinander und starrten an die Decke. "Meinst du, man kann sich in jemanden verlieben, den man nicht mal eine Woche kennt?", flüsterte ich und guckte zu Rin, deren funkelnde Augen das einzige waren, was ich im Mondschein erkennen konnte. "Ich denke schon. Wenn er der Richtige ist, weiß dein Herz das bestimmt und schubst dich auf ihn zu.", sie nahm meine Hand und langsam versanken wir in einen tiefen Schlaf. "Biep Biep Biep", ertönte mein Wecker und ließ mich hochschrecken. "Cas, mach die Alarmanlage aus.", nuschelte meine Cousine und bewarf mich mit einem Kissen. "Steh auf, du Trantüte, wir müssen uns fertigmachen.", grummelte ich und zog an einer ihrer Haarsträhnen. "Jaja, is gut", murmelte sie, schlüpfte unter der Decke hervor und tapste, höchstwahrscheinlich, ins Gästezimmer, um sich Klamotten und Badsachen zu holen. Währenddessen schlurfte ich ins Bad, machte mich fertig und betrachtete seufzend meine Haare. Ich müsste sie mal wieder nachfärben, die Ansätze wuchsen schon wieder heraus. Vielleicht mal wieder orange oder doch aschblond? Zurück in meinem Zimmer zog ich mir Unterwäsche, ein AC/DC Bandshirt und schwarzgraugestreifte Jeans an. Gähnend lief ich die Treppe runter, erhaschte einen Blick auf Vivi, die mit einem Stiefel und wütendem Blick durch die Gegend hüpfte. Sie trug ein dunkelblaues Kleid und dazu hellgraue Stulpen und hatte ihre Haare zu zwei Zöpfen gebunden, die links und rehts von ihrem Kopf abstanden. In der Küche traf ich wieder auf Rin, die mit einer schwarzrot karierten Bluse, zerissenen Strumphosen und einem schwarzen Gothic Lolita Rock am Tisch saß und fröhlich ihren Kaffee trank. "Hey und willst du heute mitfahren?", fragte sie schmunzelnd, hielt mir ihre Tasse hin und stand auf, um ihre Stiefel zu binden. "Klar, gerne.", erwiderte ich und mit einem großen Schluck aus der Tasse, die ich wieder auf den Tisch stellte, schnellem in meine Chucks reinschlüpfen und Vivi "Wir fahren schon mal!" zurufen, verließen wir, unsere Taschen in der Hand, das Haus.

SchokoküsseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt