Der Müllmann

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Es war ein sehr regnerischer Tag, ich saß hier alleine auf einer verlassenen Parkbank.
Ich saß hier öfters, beobachtete die Umgebung, hatte sonst nichts anderes zu tun. Ich hatte keine Familie geschweige denn Freunde, mein Alltag war mein alleiniges scheinbar sinnloses Dasein. Ich war nur ein einfacher Müllmann, ein einfacher Mann, nichts besonderes. Schlau bin ich auch nicht, aber dumm erst recht nicht.
Ich beobachtete die Pfützen, in denen sich durch die dicken Regentropfen sanfte Wellen bildeten. Ein kühler Wind wehte. Der Wind ist ziemlich klever, er kann ein Instrument spielen, die Bäume rauschen besinnlich unter dem einfluss einer sanfte Briese. Dieses wunderschöne Rauschen setzte sich in meinem Kopf fest, sodass ich komplett in eine andere Welt versinken konnte.
Tagträumen, dass ist das entspannenste was ich kannte, man malt sich fast schon schier unmögliche Dinge aus, oder man träumt davon wie sehnlichste Wünsche in Erfüllung gehen.
Ein leises Schluchzen brachte mich von meinen Traum wieder in die Realität zurück.
Ich hielt mein Atem an, um besser feststellen zu können woher das Geräusch kam. Es war eindeutig dass jemand weinte, es zerbricht mir das Herz jemanden in einem solch Traurigen Zustand zu hören oder zu sehen.
Ich erhob mich von meinem Sitz und lief in die Richtung des weinenden Menschen, der Boden war so matschig, dass meine Füße in ihm versanken.
Ich sah nun aus wie ein dreckiger, unreiner Mann.
Ich musste quer durchs Dickicht laufen, hielt immer mal wieder an, um wieder nach dem traurigen Menschen zu hören. Das Geräusch wurde nun immer lauter, ich war mir sicher, dass ich mein Ziel fast erreicht haben musste. Ich sollte Recht behalten, doch was ich dort sah, übertraf meine Erwartungen gänzlich.
Dort hinter einem Brombeerstrauch saß es, eine Frau mit Haaren, so Schwarz wie Pech. Ihre Haut war so Weiß wie Schnee und wunderschön ebenmäßig. Doch das ist nicht dass was mir den Atem für einige Momente raubte, es waren Flügel. Weiße, große Flügel, die aus ihrem Rücken kamen. Ich dachte als erstes an Fasching, doch es waren echte Flügel, sie wuchsen tatsächlich aus ihrem Rücken. Es war ein Engel, ein echter Engel.
Ich stand einfach da und musste die Frau anschauen. Ein erneutes Schluchzen holte mich wieder aus meiner Starre. Sie weinte und ich wusste, dass sie Hilfe brauchte, doch war ich für so etwas der richtige?
Ich kann nicht gut helfen oder sonstiges, ich bin nur ein Müllmann. Doch trotz all meinen Zweifel an mir selbst, konnte ich das Himmelsgeschöpf nicht traurig sitzen lassen, ich nahm all meinen Mut zusammen und lief auf sie zu.
Ich kniete mich vor sie hin und räusperte mich. Sofort fuhr sie hoch und hörte auf zu weinen. Sie hob ihr Gesicht und mir blieb der Atem stehen.
Was ich sah, war das schönste was ich je gesehen hatte. Ihre Augen himmelblau mit goldenen Flecken, ihre Lippen so rot wie blut, ihr Gesicht war wie aus Stein gemeiselt, wunderschön, gar engelsgleich.
Es zerbrach mir das Herz, das so ein schönes Wesen weinen musste. Sie sah mich verlegen an, brachte ein sanftes Lächeln rüber und wischte ihre rabenschwarzen Tränen weg. "Hallo", sprach sie, ihre Stimme war sanft. Ich stammelte ein einfaches "Guten Tag", ich wollte höflich klingen. Der Engel lächelte erneut und fragte mich ob ich denn keine Angst habe. Diese Frage konnte ich nur verneinen, sie tat mir so leid, also fragte ich sie warum sie hier ist und warum sie weinte.
"Ich bin gekommen um euch Menschen glücklich zu machen, doch alle hatten entweder Angst vor mir, oder sie wünschten sich ein neues Computerspiel. Ich bin traurig und enttäuscht zugleich".
Dem Engel liefen erneut Tränen über ihre blassen Wangen. Ich hatte keine Angst vor ihr, ich wollte ihr doch Mut machen. "Allein die Tatsache, dass du Menschen glücklich machen willst, macht dich sympathisch und viele Wissen gar nicht, das Computerspiele nicht die wichtigsten Dinge sind. So ist das, mit uns Menschen".
Sie lächelte und fragte "Was wünscht du dir?"
"Ich wünsche mir, dass ich nicht immer nur der unbedeutende Müllmann bin", sagte ich zu ihr.
Das Gesicht des Engels begann zu strahlen, es war nun noch schöner als zuvor.
"Dein Wunsch ist längst erfüllt, für mich bist du nicht nur der Müllmann. Du warst für mich da und das bedeutet mir sehr viel. Du bist ein menschlicher Engel, du bist etwas ganz besonderes!"
Mit diesen Worten stand sie auf, warf mir noch ein Lachen zu. Sie breitete ihre mächtigen Flügel aus und stieg empor in den Himmel.
Ich sah ihr noch nach und sie verlor im Flug eine Feder von ihrem Flügel. Ich fing diese auf und behielt sie, diese Feder sollte mich immer daran erinnern, dass ich für einen Engel etwas ganz besonderes war, nicht nur ein Müllmann.

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