Weekend Feelings

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Grummelnd stütze ich meinen Kopf auf meinen Händen ab.Es war einfach alles scheiße. Und mit alles, meine ich wirklich ALLES.Diese ganze Woche ist gelaufen und von dem Rest werde am Ende hoffentlich nicht mehr viel wissen.

Ich blicke wieder genervt auf, knete dann aber meine Schläfen und versuche meine Stirn wieder zu glätten. Ich muss ja nicht auch noch Falten bekommen.
„Na, harte Woche?", fragt mich die schleimig-charmante Stimme des jungen Barkeepers. Gott, dafür war ich jetzt aber noch zu nüchtern.
„Das stärkste, was ihr habt, was mir nicht die Kehle wegätzt, bitte", bestelle ich und ignoriere den flirtenden Blick, den der Mann mir zu wirft. Vielleicht ist er ganz hübsch und von hinten – er hat es mit einem Nicken hingenommen und sich herum gedreht um mir den Drink zu besorgen – konnte man definitiv seinen Knackarsch sehen. Aber noch habe ich nicht die Nerven dazu. Ich war noch zu genervt und bevor ich nicht wenigstens ein bisschen durch die Getränke angeheitert bin, könnte selbst Orlando Bloom nicht bei mir landen. Und schon sinkt meine Laune noch weiter, weil ich wieder daran erinnert werde, dass ich wegen meiner Laune meiner Freundin den Kinoabend abgesagt habe.
Kurz darauf steht das Bestellte vor mir. Nicht sehr interessiert, was es denn jetzt ist, schlucke ich es in einem Zug herunter. Fordernd blicke ich den Typen noch einmal an – er versteht und schenkt mir nach.
Das wird eine lange Nacht – und hoffentlich wird morgen nichts als ein Kater daran erinnern.
Vielleicht schaffe ich ja, dass ich sogar die ganzen letzten zwei Wochen vergesse. Ein Versuch wäre es wert.
Erst macht mein Freund ohne Vorwarnung Schluss, dann bekomme ich eine Abmahnung im Beruf – wegen nichts und wieder nichts -, liege danach fast fünf Tage flach wegen einer Grippe. Und um es noch zu toppen: nach einem Arbeitstag, der mich einfach nur entkräftigt hat, musste ich auch noch erfahren, dass mein geliebter Hamster gestorben ist.
Viele mögen mich vielleicht deswegen für verrückt erklären, vor allem weil ein Hamster so oder so nicht lange lebt, aber dennoch schließe ich sie jedes mal ins Herz. Ja, ich kaufte mir jedes mal einen neuen.
Jedes Mal wenn das Glas leer ist, wird es nachgefüllt und schon bald bin ich definitiv mehr als angetrunken.
Und langsam taue ich auch wieder auf.
~
Lange bin ich nicht allein, dann gesellt sich ein Mann, der vermutlich um die 20 Jahre alt ist, zu mir. Er trägt eine stylische schwarze Lederjacke und eine normale, aber trendige, Jeans. Seine dunkelblonden Haare sind nicht wirklich gestylt, aber so verstrubbelt, dass ich das Gefühl bekomme, als ob ich durch sie hindurchfahren müsse, um zu überprüfen, ob sie wirklich so weich sind, wie sie aussehen. Alles in allem wirklich heiß und weil ich, betrunken wie ich bin, nicht mehr so griesgrämig drauf bin, lasse ich mich auf den Flirt ein. Immerhin ist keiner von uns beiden mehr nüchtern – eher im Gegenteil.
Wir reden die ganze Nacht, trinken dabei und unbemerkt bin ich auf Bier umgestiegen. Unsere Gespräche werde durch Kichern von mir unterbrochen und ich bin mir nicht sicher, worum es eigentlich geht. Wir Lallen beide und trotzdem verstehen wir uns prächtig.
Ich weiß, dass wir selbst von anderen – nicht mehr nüchternen – schräg angeschaut werden, aber das stört mich nicht. Wenn sie keinen Sinn in unseren Worten finden, sind sie selbst schuld – dazu müssen sie sich wohl erst in dem selben Zustand, wie wir es tun, befinden.
Mit jedem Schluck wird die Welt um mich herum bunter und die grauen Wolken verschwinden genauso schnell wie meine Nüchternheit.
Und mit jedem Lachen, das er mir hervorlockt, was sich bei mir nicht sehr schwierig erweist, werden seine Augen immer tiefer, seine Muskeln immer anziehender und der Gedanke, diese nackte Haut zu erkunden immer verlangender.
~
Mit dröhnenden Kopf wache ich auf. Selbst das dämmrige Licht ist mir zu viel und ich bin versucht mich wieder in die Kissen zu kuscheln. Die furchtbaren Kopfschmerzen halten mich allerdings davon ab. Mit nur halb geöffneten Augen fische ich auf dem fremden Boden nach meinen Klamotten.
Der Abend hatte seinen Sinn erfüllt. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Leider ist meine von vorne herein verlorene Hoffnung, sich auch an die vergangenen Wochen nicht mehr erinnern zu können, nicht erfüllt. Aber das reicht.

Mit müden Augen schaue ich mich in dem hell eingerichteten Schlafzimmer um – kein Mensch da. Am Eingang sehe ich meine Handtasche und mehr humpelnd komme ich zu ihr. Ich brauche unbedingt eine Tablette– ja, ich habe gestern Abend durch aus daran gedacht, sie mir für den Notfall einzupacken. Trocken schlucke ich sie herunter.Dann ziehe ich mich weiter an. Slip, Hose, Top und Jacke finde ich – nur mein Lieblingsspitzen-BH fehlt. Aber das ist mir erst einmal egal.
Ich weiß nicht einmal mehr, wie der Typ, mit dem ich wohl eine wilde Nacht hatte – das Bett sah ziemlich zerwühlt aus -, aussieht. Das hatte ich klasse kalkuliert.
Taumelnd versuche ich mich zurecht zu finden. Ich sollte langsam einen Abgang machen. Immerhin war das hier nur ein Onenightstand.
Außerdem wartete das Wochenende nicht länger auf mich.
Da ich sowieso schon vor der Tür stehe, will ich sie öffnen und gehen. Blöd nur, dass das anscheinend das Badezimmer ist.
Ich seufze tief und im selben Moment verfluche ich mich – selbst das ist zu laut. Alkohol ist eben eine schmerzhafte Lösung für Probleme, wenn man ihn nicht verträgt.
Mit verzogenem Gesicht massiere ich mir die Schläfen. „Wirk Tablette, wirk!", bettle ich in Gedanken.
„Brauchst du 'ne Aspirin?", fragt mich eine schelmische Stimme. Erschrocken fahre ich herum.
Ich blicke in sein Gesicht und stammle rot werdend, weil er gerade nach dem BH fischt, der wohl an der Türklinke hing,: „Nein. Aber die Erinnerungen wären nett."
Verdammt. Wie hatte ich mir BETRUNKEN einen so heißen Typen angeln können?

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