| ! Achtung, erster Teil eines Two-Shots! |
Ihre breiten Absätze klackerten laut hallend auf dem weiß-sterilen Gestein und ließen den Flur noch verlassener erscheinen. Nur das Flimmern der Leuchtstoffröhren und ihre gleichmäßig schnellen Schritte waren in dem kalt beleuchteten Flur zu hören, während sie selbstsicher voran schritt. Alle zehn Meter schlossen die kahlen Wände in andere Gänge und Türen, die nur durch ihre entsprechend gekennzeichneten Schilder zu unterscheiden waren. Die kalkweißen Fließen wurden dabei nie unterbrochen. In der Luft hing der Geruch nach kaltem Schweiß und Krankenhaus, doch sie war eiskalt und abgestanden. Hier herrschte nie mehr als 20 Grad. Hier war alles kalt. Alles distanziert. Die Fugen waren penibel gesäubert, keine Fenster und es gab Wände, die ihres Lebens noch nie Tageslicht gesehen hatten und so immer noch von diesem gespenstig fahlen Weiß geziert wurden. Kein Staubkorn konnte auf dem Boden gefunden werden, obwohl ihr noch nie eine Reinigungsfachkraft oder anderes begegnet war, die hier säubern könnte. Doch dieser Gebäudekomplex war auch riesig.
Wer sich hier nicht auskannte, der verlief sich. Aber wer sich hier nicht auskannte, der gehörte auch nicht hier her. Der war ein störendes Objekt und wurde auf schnellsten Wege von den Sicherheitsleuten entfernt. Hier war kein Platz für Personen, die ihre Arbeit nicht ordnungsgemäß verrichten. Und erst Recht war hier kein Ort für Unbefugte.
Ihr Gang war schnell, wenn nicht sogar eilend. Aber sie war kurz vor ihrem Ziel und eine Verzögerung konnte sie sich nicht leisten. Das Objekt musste so schnell wie möglich in seinen neuen Lebensraum gebracht werden – und dafür war sie zuständig. Ihr Gesicht war ausdruckslos und ihre Irden fokussierten sich nur auf das, was vor ihr lag. Kein Haar war verrutscht, sie saßen alle perfekt in ihrer makellosen Kurzhaarfrisur. Perfektion. Das war das, wofür sie zuständig war.
Der Flur endete in einer Ecke. Sie war hier goldrichtig. Nun musste sie nur noch dem anschließenden schmalen Gang folgen. Die junge Frau eilte weiter, beeilte sich keine Sekunde zu spät zu kommen. Nun erfasste sie auch die anderen Schritte. Schwere Schritte, die mehr einem Stampfen glichen. Und keine Minute später kam ihr schon ein bewaffneter Mann in Schwarz entgegen. Eine Wache. Sie garantierten ihnen die absolute Sicherheit. Keiner kam rein, keiner kam raus. Kurz huschten ihre Augen prüfend über ihn. Athletischer Körperbau und drahtiges Gesicht. Bestimmt sportlich – sonst wäre er auch nicht der Typ Mann, der für diesen Job gefragt war. Aber auch nicht ihr Typ, wobei sie das nicht beurteilen sollte. Zum Anschauen waren sie immerhin auch nicht da. Ihr Blick glitt an ihm vorbei und auch er lies sie ohne zu zögern passieren. Ihre Schlüsselkarte sowie ihr Ausweis hoben sich mit dem hohen Kontrast von Dunkelblau auf Weiß deutlich ab. Sie brauchte sich keine Sorge machen, dass man sie nicht als autorisiertes Personal identifizieren konnte.
Das Ende des Gangs war schon in Sicht und so ging sie straff weiter, glättete ihren ohnehin schon stramm sitzenden perlweißen Laborkittel beim Laufen und schritt mit erhobenem Haupt durch die sich eben geöffneten stählernen, elektrischen Schiebetüren. Schon nachdem sie einige Schritte hindurch war, schlossen sie sich wieder mit einem metallischen Zischen hinter ihr, ohne dass sie etwas machen musste. Für die derzeitige Technik war das wirklich nichts. Sie ging gewohnt aufrecht mit stolz erhobenem Kopf weiter. Straffe Schultern, fester Gang. Nicht einen Moment zulassen, dass man so etwas wie Schwäche erahnen könnte. Nur so konnte man sich in dieser Organisation behaupten und wer sich behauptete, der kam weiter. Und nur diese Personen, die konnten etwas verändern. An der eigenen Situation, an den Vorgehensweisen, in der Welt. Aber noch wichtiger war die akkurate Arbeit. Perfekt. Es durften nicht einmal im kleinsten Bereich irgendwem Fehler unterlaufen, sonst wären alle Aktionen zum Scheitern verurteilt. Und ein Verfehlen war nicht erlaubt. Es durfte auch einfach nicht möglich sein. Und wenn sie selbst dafür sorgen müsste, sie würde unter keinen Umständen zulassen, dass irgendetwas nicht funktionierte. Es würde alles nach Plan laufen und es lief bereits alles nach Plan. Und noch hatten sie Zeit und Mittel. Sie hoffte nur, dass das Zusammenspiel dieser beiden Komponenten bis zum Schluss harmonisierte.
Sie wusste wo sie hin musste, brauchte sich dafür nicht umzuschauen, und sie wusste ebenfalls, dass ihr niemand Aufmerksamkeit schenkte. Hier war jeder für sich selbst zuständig und niemand interessierte sich für jemand anderen. Oder deren Arbeit sowie Probleme. So war es immer gewesen und das war auch gut so. Persönliche Differenzen und Bindungen würden die wichtige Arbeit nur stören und unterbrechen. Und man durfte auf keinen Fall zulassen, dass dies passierte. Sie mussten diszipliniert sein. Nur so konnten sie ihr Ziel erreichen für das sie so viele schweißtreibende Stunden hart gearbeitet, teilweise Nächte durchgeschlagen und unzählige Finanzspritzen von allen noch überlebenden Ländern verwendet haben. Ohne sie gab es keine Hoffnung und ohne Hoffnung, da gab es die Menschheit auch nicht mehr lange. Sie waren die Rettung und sie war ein Teil von ihnen. Also strengte sie sich an. Sie musste wie ein perfektes Teil in einem laufenden, hochmodernen Uhrwerk mit anderen Mitarbeitern interagieren. Und zum Glück war hier keine große interaktive Kommunikation gefragt, denn in diesem Raum waren wohl nur die Wenigsten dazu bereit. Oder hatten die Motivation dazu. So auch sie. Es konnte sich eben niemand ausstehen. Aber wozu sollte man sich auch zu dieser Zeit in einem Verband wie diesem Freundschaften suchen? Diese waren so oder so zum Scheitern verurteilt. Denn egal wie optimistisch man gesinnt war, es war Realität, dass jeder hier plötzlich sterben könnte. Cranks. Der Brand. Der Rechte Arm. Nicht-Immune. Immune. Jeder konnte des anderen Todesurteil sein und auch sie hatte keine Hoffnung auf ein langes, erfülltes Leben. Sie wusste, dass sie nicht immun war und umso mehr Glück hatte sie gehabt, dass sie hier arbeiten durfte. Bisher war sie auch gut geschützt gegen den Virus. Aber gut war eben nicht perfekt und das hieß zwangsläufig, dass sie das Gegenmittel wohl nicht mehr erleben würde. Doch andere würden es. Und nur deswegen hatte sie die Disziplin, die andere nicht hatten. Sie würde höchstpersönlich ein Gegenmittel finden. Perfektion erschaffen. Dafür musste sie auch jetzt fehlerfrei sein. Absolut erstklassige Arbeit abliefern, das machte sie.
Die Monitore flimmerten immer wieder auf, vor denen junge, beschäftigte Arbeiter in weißer Kluft saßen, und die Luft war mit einem strengen Geruch nach Desinfektionsmittel durchzogen. Niemand störte sich daran. Auch in diesem großen Raum, ebenfalls im lupenreinen weiß gehalten, hallten die stumpfen Geräusche ihrer Absätze und nichts als das monotone Brummen von Maschinen und Computern, das rege Tippen auf Tastaturen, sowie vereinzelte entfernte Stimmen, die wohl von Wachposten, Ärzten und Laboranten stammten, waren zu hören.
Sie schritt selbstbewusst und das geschäftige Treiben um sich herum ignorierend an den modernen, mit höchster Technologie ausgestatteten, Schreibtischen vorbei. Kurz huschte ihr Blick zu dem, in der Mitte der Halle stehenden, Computerkomplex, der die Überwachungsdaten der Versuchsobjekte anzeigte. Es lief alles nach Plan. Direkt auf dem mittleren und gleichzeitig größten Screen waren die Bilder der Kameras zu sehen. Eine wirklich glorreiche Erfindung der Wissenschaftler, mochte sie noch so klein sein. Die unauffälligen Roboterechsen dienten hervorragen dazu, die Personen auf Schritt zu Überwachen und Herr der Lage zu bleiben – ihnen würde nicht die kleinste Sekunde entgehen. Gerade zeigte es nur das verwitterte, baufällige Gebäude, das von ihnen, so großzügig waren sie, von Anfang an zur Verfügung gestellt wurde – auch wenn es nur ein Wegweiser in die richtige Richtung sein sollte. Mit diesem Gedanken wandte sich die junge Laborantin ab und beobachtete kurz forsch die Arbeit zweier Jugendlicher, die die Vitalwerte der Probanden überprüften. Angewidert rümpfte sie ihre Nase. Dass man so verantwortungslos war und diese Kinder überhaupt befähigte und auch noch die Erlaubnis erteilte an der Studie teil zu haben. Und das nicht einmal als Proband, sondern als Forscher selbst. Für sie war das nicht verständlich und sie konnte nur abfällig über die Entscheidung der Kanzlerin den Kopf schütteln. Diese Frau war eine ganz und gar irrationale Person, die sich in mehr als in einer Sache selbst widersprach. Und von ihrer Meinung wollte sie gar nicht erst anfangen. So naiv – aber vielleicht musste sie so sein um der Menschheit den Glauben an ein Überleben zu schenken. Die Computerzeilen endeten und machten am Ende des Raumes einer großen Wand aus weiß lackierten, akkurat angeordneten Aktenschränken platz. Ohne große Umschweife, nicht einmal suchen musste sie das Fach – sie hatte sich die Ordnung genauestens in ihre Erinnerungen eingeprägt -, öffnete sie eine schwere Schublade, auf der der Schriftzug „A1 – A25" auf ein ebenfalls weißes Papierschild gekritzelt wurde. Über die unordentliche Handschrift machte sie nicht einmal mehr ihren Unmut kund. Ihre Finger mit den erstklassig gepflegten Fingernägel huschten suchend über die sorgfältig sortierten Akten bis es schien, dass sie das gefunden hatte, wonach sie die Hefter durchgesehen hatte. Sie zog den hellbraunen Umschlag aus seinem Fach und schloss im selben Zug das Schubfach mit Schwung, dass ein metallisches Klirren beim Aufprall entstand. Es drehte nicht einer seinen Kopf in ihre Richtung. Noch einmal strich sie bedacht durch ihren symmetrisch geschnittenen Pony um jedes falsche Haar wieder an den richtigen Ort zu bringen und lief dann weiter auf die gläsernen Zwischentüren zu dem nächsten Büro zu. Gefasst klopfte sie zwei, drei mal an den Türrahmen, bevor sie eintrat. Auch hier war das Brummen der Computer zu hören und der einzige optische Unterschied zum vorherigen war, dass dieser Raum eine Anhöhe hatte und davor sich ein bestimmt drei Meter langer und zwei Meter hoher Bildschirm mit den Überwachungsbildern befand. Zur Anhöhe hinauf führte nur eine geflieste Treppe mit knapp fünf Stufen, die sie gerade bewältigte. Oben waren nur ein einfacher, großer Schreibtisch und ein ebenfalls großer Schreibtischstuhl, auf dem ein Mann mit ergrauten Haaren und skurrilen Gesichtszügen beschäftigt saß. Auch als ihre Schritte verklangen, hob er nicht einmal anstandsweise den Blick von seinen Papieren. Erst als sie sich räusperte und sprach, blickte er sie mit kühlen Blick an.
„Versuchsobjekt A 5 ist nun bereit."
„Gut, bringen wir ihn pünktlich ins Labyrinth.", antwortete er immer noch mit distanzierter Stimme, doch ein Grinsen schlich sich auf seine Züge. Sie wusste, dass es nicht für sie bestimmt war. Mr. Janson war einfach ein sadistischer Mann. Doch seine Ziele waren präzise gesetzt und er würde genauso wie sie alles tun um diese zu erfüllen. Und vielleicht mochte sie ihn nicht, doch seine Ansichten waren für sie nicht nur verständlich, sondern wahr. Dafür verachtete sie ihn noch mehr. Trotzdem mochte sie ihn wirklich ganz und gar nicht. Einen falscheren und arroganteren Menschen hatte sie wahrlich noch nie getroffen und sie hoffte, dass es auch dabei blieb. Mit zwei seiner Sorte würde sie nicht fertig werden. Schlimm genug, dass er sie wie seine persönliche Assistentin behandelte.
Sie überreichte ihm die Akte und er besah sich die Papiere. Dann drehte er sich einfach um, als wäre sie gar nicht mehr anwesend. Er gab ein Zeichen an einen der Angestellten, die sich im unteren Teil des Raumes befanden und das Bild des Screens veränderte sich. Die gerade noch dunkelgrün gefärbte Waldlandschaft mit den dürren Bäumen verschwand in ein dunkles Bild, das nur schwer erkenntlich einen stockfinsteren Käfig zeigte, in dem ein paar Kisten gestapelt waren. Es warfen nur alle paar Minuten helle Leuchtröhren genug Licht in den Kasten, dass man mehr sah. Darin war nur ein benommener Junge, der wohl selbst nicht wusste wie ihm geschah. Ein zufriedenes Gefühl durchströmte sie dabei. Ja, sie würden bald soweit sein eine Rettung für alle zu finden.
Sie wollte sich schon abwenden, weil ihre Arbeit hier getan war, doch wurde sie von der Stimme ihres Vorgesetzten unterbrochen.
„Sie werden persönlich das Team zur Überwachung des Objekts A5 überwachen und täglich einen Bericht abliefern, verstanden.?"
Mit einem einfachen „Ja, Sir." antwortete sie, bevor sie wieder zurück auf ihren Arbeitsplatz in einem ähnlichen Büroraum verschwand. Wie sie ihn hasste. Als würde er nicht selbst tagtäglich das Labyrinth und die Variablen kontrollieren.to be continued
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Lichtergeschichten
Fanfiction>>Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen.<< - Horaz. Dies sind die Geschichten der der verpassten Momente, genutzten Chancen, der ersten Male. ~ Erlebe deinen ersten Tag, skurrile Küsse, heiße Nächte. Denn...