5. Umbruch

217 44 6
                                    

Am nächsten Tag war er früher als sonst in der Schule. Er wartete an der Eingangstür zur Oberstufe auf sie. Ihren Zettel hielt Tom fest in der Rechten umklammert. Über die linke Schulter hing seine Tasche, die ihm vor Nervosität beinahe herunterrutschte.

An der Wand hing die große Uhr. 7.35 Uhr zeigte sie an - noch zehn Minuten.

Er gähnte einmal. Tom hatte definitiv zu wenig geschlafen und als sein Wecker ratterte, war er beinahe aus dem Bett gefallen.

Ungeduldig trat er auf der Stelle und schaute immer wieder durch die Fensterfront, in der sich die Eingangstür befand. In kleinen Gruppen kamen Schüler herein. Einige nickten ihm zu, doch der Großteil der Leute nahm ihn kaum bis gar nicht wahr.

Endlich ging die Tür ein weiteres Mal auf und die Erwartete betrat fünf Minuten vor dem Klingeln das Atrium der Oberstufe.

Das Mädchen blickte sich einmal um. Als sie Tom sah, hielt sie inne, bis sie mit einem leichten Lächeln auf den Jungen zukam.

"Hi", sagte er und erwiderte das Lächeln. Sein Gegenüber schaute ihm kurz in die Augen, dann blickte sie auf seine rechte Hand, in der Tom den gefalteten Zettel umklammert hielt.

"Du hast es gelesen?", ging sie ohne Umschweife auf das Thema ein, das in der Luft zwischen den beiden Jugendlichen hing.

Tom nickte, dann nahm er all den gesammelten Mut zusammen, den er in den letzten Minuten herbeigekratzt hatte. "Woher hast du gewusst, dass sie mir gefallen haben?", antwortete er mit einer Gegenfrage.

"Du hast gelächelt, als du sie in dem Matheordner gelesen has!", erwiderte sie ohne lange um den heißen Brei herumzureden und folgte damit dem Beispiel des Jungen.

"Ich habe gelächelt?", fragte Tom, den die direkte Antwort des Mädchens irritierte. Sein Blick wanderte nervös zu der Uhr an der Wand. Noch zwei Minuten, dann müsste er los, denn es war nicht seine Absicht zu spät zu Physik zu kommen, zumal die Lehrerin nicht für ihre Nettigkeit bekannt war.

"Man muss auf die wichtigen Dinge achten", sagte das Mädchen und riss ihn aus seinen Gedanken und zurück in die Realität.

Perplex wendete er seinen Blick wieder zu ihr. Tom war nun schon einige Antworten von ihr gewöhnt, doch diese ließ selbst sein anfängliches Stottern verstummen. Er hatte zu einer Erwiderung angesetzt, doch brachte er nichts Ordentliches zustande, was in irgendeiner Weise als Antwort hätte durchgehen können. Also ließ er es bleiben und beschloss, nichts weiter als ein Nicken als Zeichen des Verständnisses zu geben.

Das Klingeln zum Unterrichtsbeginn erlöste das Schweigen der beiden. Tom nickte dem Mädchen noch einmal zu, bevor er sich schnellen Schrittes auf den Weg zu den Physikräumen machte. Ihr Satz jedoch nahm er mit und dieser verließ ihn auch den restlichen Tag nicht mehr - eigentlich verschwand er nie vollends für all die Jahre, die er noch lebte.

SchneeflockenweißWo Geschichten leben. Entdecke jetzt