4. Hoffnung

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Tom saß abends in seinem Bett. Lange war die Sonne schon untergegangen. Er wusste, er würde morgen verschlafen, weil er zu spät ins Bett ging. Doch brütete er schon seit Stunden über dem gefalteten Zettel und traute sich nicht, ihn zu öffnen.

Er schüttelte einmal in Gedanken den Kopf, bevor das leichte Knistern, eines sich öffnenden Papiers zu hören war.

Sein Blick überflog kurz die engbeschriebenen Zeilen. Dicht an dicht zwängten sich die Wörter auf den Zettel. Unzusammenhängend, aber auch wiederum in sich geschlossen einen Sinn ergebend.

Ein Gedicht am rechten, oberen Rand fiel ihm auf. Es war aufgebaut, wie jenes, welches ihm im Matheordner vor acht Tagen schon in die Augen stach.

"Aus dem Leben einer Schneeflocke", begann er leise zu lesen. "Kälte; Anmut; Schönheit; Hoffnung; Umbruch; Fallen; Fliegen; Aufschlagen; Versinken; Verschwinden; Tod."

Langsam senkte er das Blatt und ließ den Kopf in den Nacken fallen, bis er gegen die kalte Wand in seinem Rücken schlug. Ein dumpfes Pochen breitete sich in Toms Kopf aus. Als auch dieses verschwand, erfüllte ihn eine tiefe innere Ruhe.

Er schloss müde die Augen und gähnte leicht. Trotzdem zwang er sich, die Lider erneut zu heben. Sein Blick wanderte zu dem Wecker. Zwei Uhr nachts. Tom stöhnte verzweifelt auf. Wieso?, fragte er sich in Gedanken und wollte schon den Zettel des Mädchens weglegen, als ihm eine Zeile unten in der Mitte auffiel.

"Weil du sie alle mochtest!", flüsterte er, den Text vorlesend.

Sie hatte Recht, wo er jetzt so darüber nachdachte. Er mochte die kleinen Denkanstöße, doch drängte sich ihm die Frage auf, woher sie es wusste.

Frustriert legte Tom den Zettel beiseite, knipste das Licht aus und legte sich hin. Aus dem Leben einer Schneeflocke ... immer wieder kam er auf diesen Satz zurück, der ihn wach hielt bis die ersten, noch dunklen Strahlen zum Fenster hinein fielen.

SchneeflockenweißWo Geschichten leben. Entdecke jetzt