Prolog

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In einem weit entfernten Königreich, stand ein Schloss. In diesem Schloss war die Trauer eingekehrt, der von jedermann geliebte König war gestorben. Im ganzen Reich war nur eine Person nicht traurig, sie war wütend. Denn nicht alles war nach Plan verlaufen.

Lange saß sie in ihrem geheimen Spiegelzimmer. Bis auf einen Spiegel waren die anderen absolut gewöhnlich. Sie betrachtete seinen goldenen Rahmen und die spiegelnde Oberfläche, die ihr eigenes Gesicht widerspiegelte. Blondes Haar umrahmte ein schmales blasses Gesicht. Braune Augen sahen ihr entgegen, der kleine, zierliche Mund war zu einer Linie gepresst. Sie holte tief Luft um mit fester Stimme zu sprechen.

"Spieglein, Spieglein an der Wand, sprich zu mir Mutter."

Kurz geschah nichts, doch dann schimmerte die Oberfläche und wurde milchig. Aus dem milchigen Nebel entstand ein Gesicht. Ein ihr sehr vertrautes Gesicht.

"Was wünschst du mein Kind?"
Sie sah wie das Gesicht sie anblickte.

"Sag mir Mutter, was soll mein nächster Schritt sein? Er will mich nicht heiraten und das Volk will keine Frau als Regentin, solange es einen männlichen Erben gibt." Wut schwang in ihrer Stimme mit. Es hatte sie soviel gekostet an die Krone zukommen. Nur um dann diesem Prinzen zu unterliegen!

"Wenn er dich nicht heiraten will, musst du dafür sorgen dass er gar nicht gekrönt werden kann."

"Daran habe ich schon gedacht! Aber er ist nicht alt um einfach zu versterben und er würde niemals etwas von mir annehmen."

Das Gesicht im Spiegel schnalzte mit der Zunge. "Du enttäuscht mich. Wozu hast du eine Dienerin. Lass sie ihn im tiefsten Wald töten."

Auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Ihre Dienerin hatte ihr schon viele Jahre der Treue erwiesen. Sie schritt aus dem Zimmer ins nächste zu einem Raben. Dieser hatte mit seinen dunklen Augen, die Szene schweigend beobachtet.

Sie hielt ihm ihren Handrücken hin und er sprang rauf. Ganz nah brachte sie ihre Lippen zu ihm und raunte Worte in einer fremden Sprache.

Kurz krächzte er auf, dann erhob er sich in die Luft und flog aus dem Zimmer. Sie lächelte es würde nicht lange dauern. Noch einmal drehte sie sich zum Spiegel.

"Sag mir Mutter, wer ist die Schönste im ganzen Land?"

"Seit die erste Königin tot ist und ich im Spiegel bin, bist natürlich du die Schönste. Doch du solltest acht geben, der Zauber muss bald erneuert werden. Du brauchst ein neues reines Herz. Ein Herz, welches als Opfer dient."

"Das weiß ich auch ohne dich! Denkst du ich merke nicht wie es nachlässt?! Ich brauche deine Belehrungen nicht!"

Die Frau im Spiegel lachte.
"Warum redest du dann noch mit mir? Los, lass mich wieder schlafen. Doch dann wirst du alleine zurück bleiben."

Wütend ballte sie die Fäuste. Sie wollte nicht zugeben, dass es wahr war. Dann änderte sich ihr Blick in Hochmut.

"Solange ich da bin wirst du auf ewig in dem Spiegel und damit an meiner Seite verweilen. Ich bestimme wann ich genug von dir habe."

Ehe ihre Mutter antworten konnte, ließ sie den Spiegel wieder einen Spiegel sein. In diesem Augenblick kehrte auch der Rabe zurück. Sie strich ihm einmal über seinen schwarz gefiederten Kopf.

"Eure Majestät."

Die Königin hatte nicht gehört wie die junge Frau eingetreten war. Sie musste lächeln, schließlich war es ihr Werk gewesen. Sie musterte die Person vor sich.

Sie trug eine lederne Weste und darunter ein eng anliegendes Hemd. Hose und Stiefel waren ebenso aus Leder. Ihr braunes Haar war geflochten und hoch gesteckt. Am Ausschnitt ihres Hemdes lugte das Siegel ihres Vertrages hervor.

"Es ist schön dich zusehen. Wie ist es dir ergangen? Ich hatte in den letzten Tagen wenig Zeit."

Ihr Gegenüber schwieg. Die Königin schenkte ihr einen abfälligen Blick. Wie langweilig und gewöhnlich dieses Mädchen doch war. Stand da mit gesenktem Blick und wartete auf ihren Befehl.

"Du könntest wenigstens so tun als würde dich eine Unterhaltung mit mir interessieren." Sie warf die Schleppe ihres schwarzen Kleides zurück und umrundete einmal ihren Tisch.

"Ich habe dir schon lange keine Geschenke mehr gemacht, nicht wahr?"

"Ihr wisst, dass es zu gütig von Euch ist. Ich verdiene keine Geschenke."

Triumphierend lächelte die Königin. Endlich hatte sie ihr einige Worte entlockt. Sie zog eine Schublade, des dunklen Holztisches, auf. Aus dieser entnahm sie ein glänzendes Messer. Seine Klinge war dunkel.

"Diese Klinge wird dir gute Dienste erweisen. So wie du mir. Sie ist unzerstörbar. Hier." Großzügig rechte sie das Messer weiter.

"Kommen wir zum Wichtigen. Ich möchte, dass du mit dem Prinzen alleine auf die Jagd gehst. Geh tief in den Wald, wo niemand euch sehen oder hören kann. Dann bring ihn um."

"Wie Ihr wünscht, eure Majestät." Sie verbeugte sich und wollte schon gehen. Doch die Königin war noch nicht fertig.
"Warte, du musst noch etwas tun. Bring mir sein Herz."

Verwundert blickt sie zurück zur Königin. "Ihr denkt, er hat ein reines Herz?"

Ein böses Lächeln Stahl sich auf das schöne Gesicht der Königin. "Wer weiß wie sein Herz ist? Wir werden es sehen sobald ich es habe."

Noch einmal verbeugte sie sich und diesmal wurde sie nicht aufgehalten. Die Königin war zufrieden. Sie konnte sich auf ihre Jägerin verlassen. Bald würde sie das Herz des Prinzen in ihren Händen halten.

Außerdem würde sie den Thron besteigen und die wahre Herrscherin über das ganze Land sein.

Das Herz der JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt