19: Echte Freunde verurteilen dich nicht.

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"Wer ist das?"
"Stegi, bitte." Meinte ich zwar ruhig, aber verwirrt, weshalb auch Tim hellhörig wurde. "Du wirst doch wohl deinen besten Freund erkennen?" - "Ja, aber... Ehm.. Kann ich mal kurz mit dir reden Lia?"
Ich nickte: "Klar doch."
Wir gingen kurzerhand ins Wohnzimmer und ließen Tim so erneut allein in der Küche sitzen. Stegi fuhr sich aufgebracht durch's Haar: "Scheiße man, was macht er hier?"
Ich war noch verwirrter. "Ich- Ich dachte, du freust dich.."
"Oh Gott! Versteh' das nicht falsch Lia, ich freue mich ja. Es ist nur..."
"Du denkst, er wird dich nicht mögen." - "Naja.. Ja?"
"Man Stegi." Ich grinste leicht, während ich ihm sanft gegen die Schulter schlug. "Glaubst du wirklich er wäre hergekommen, wenn er dich nicht mögen würde?"
"Nein." Antwortete er, wobei es mehr nach einer Frage Klang.
"Natürlich nicht! Und jetzt komm', er wartet auf dich." Ich schob also meinen besten Freund zurück in die Küche, damit er seinen besten Freund endlich richtig  kennenlernen konnte.
Tim sprang sofort von dem Stuhl, auf dem er zuvor gesessen hatte, auf und zog Stegi in eine feste Umarmung. Es war einfach herzzerreißend, wie die beiden da standen. Keiner sagte etwas, aber es wollte auch keiner die Umarmung beenden.
Tim sagte zwar nichts und würde es wohl auch nicht zugeben, aber ich war mir sicher er hatte unsere Unterhaltung gehört, oder wusste zumindest, wie unsicher Stegi mit sich selbst war. Außerdem war ich mir sicher, das alles würde ihre Freundschaft nur noch enger zusammenschweißen. Tim würde für Stegi da sein und er würde ihm besser helfen können, als ich es tat.

"Ich möchte euch ja nicht stören," ich unterbrach seufzend das, noch zögerliche aber wenigstens vorhandene, Gespräch das Tim und Stegi erst eine ganze Weile nach der Umarmung begonnen hatten, "aber kann ich mir mal kurz dein Gesicht ansehen Tim?"
Tim nickte natürlich und setzte sich ohne ein Wort wieder hin. Ich begann derweil die Wunden in seinem viel zu schönen Gesicht zu desinfizieren. Er sah mich die ganze Zeit über ruhig an und verzog nicht eineinziges mal das Gesicht.
"Was ist überhaupt passiert, Tim?" Stegi sah skeptisch zu Tim hinüber. Dieser grinste. "Keine zwei Stunden in Karlsruhe und schon hab' ich Feinde hier."
"Ach was." Ich mischte mich wohl etwas zu schnell ein, "War doch halb so schlimm."
"Okay. Wer war es?" Der Blonde seufzte nun. - "Niemand!" Antwortete ich sofort, um Tim nicht die Chance zu geben meinem besten Freund etwas zu verraten, was er nicht hatte wissen sollen.
"Es war Nico, nicht wahr? Was wollte er schon wieder, Lia?!"
"Er wollte sich entschuldigen." Murmelte ich ehrlich. "Aber ich hab' die Entschuldigung nicht angenommen, wirklich. Ich hab' ihm gesagt er sollte gehen. Du musst mir glauben Stegi, bitte."
Er nickte nachdenklich. "Ah ja."
"Es stimmt." Versicherte nun auch Tim. Und Stegi schien wenigstens ihm zu glauben, glücklicherweise.
Darauf sagte erstmal niemand mehr etwas, bis die Stille durch die sich öffnende Haustür unterbrochen wurde. Mein Dad eilte hinein und kam direkt auf uns zu.
"Lia, Schatz." Sagte er. "Beeil dich bitte, Mr. Jones hat uns für heute zum Essen eingeladen." Er sah mich sehr erwartungsvoll an, weshalb ich nur nickte und die beiden mit schlechtem Gewissen wegschicken musste.
"Tut mir Leid." Murmelte ich noch, "Mr. Jones ist sein Boss.. Und naja, er würde alles tun, für seinen Job." Mein Nachbar nickte wissend und Tim starrte nur verwirrt.
"Wir sehen uns."
Mr. Jones lud meinen Vater oft zum Essen ein, immer spontan. Mein Vater nahm die Einladungen natürlich immer an, es war schließlich sein Boss, die wohl wichtigste Person in seinem Leben und die einzige Person die seiner Meinung nach über ihm stand. Ich kam natürlich immer mit ihm. Ich wollte ja nicht, dass er vor seinem Chef schlecht da stand. Deshalb war ich ja auch mit ihm nach Karlsruhe umgezogen, da Mr. Jones beschlossen hatte mit seiner Frau Ellis und ihrem hässlichem Chihuahua (?) Clarissa umzuziehen.
Die Jones' schienen mir immer ziemlich verklemmt und spießig zu sein, weshalb ihr Sohn Lennard wohl bereits an seinem achtzehnten Geburtstag ausgezogen war. Ihre Tochter Sophie kaum zwei Jahre später ebenfalls. Natürlich bezahlte Daddy die Wohnungen, das Studium und auch sonst alles.
Aber wer war ich mich aufzuregen, mein Vater finanzierte mein Leben schließlich auch.

Ich verschwand also möglichst schnell nach oben und machte mich fertig um schick essen zu gehen. Ich brauchte wirklich nicht zu lange, da ich mich so beeilte, doch mein Vater wartete trotzdem schon im Flur auf mich. Er tippte zwei Mal auf seine Rolex-Uhr, um mir zu zeigen, dass ich zu lange gebraucht hatte.
"Entschuldigung Dad, es tut mir wirklich Leid." Entschuldigte ich mich ehrlich.
"Beeil dich einfach!" Meinte er und ging voraus, in Richtung Garage.
Ich folgte ihm stumm und stieg nach ihm in den neuen, schwarzen Porsche Cayenne.
"Daddy?" Flüsterte ich. - "Ja Schatz?"
"Machen wir am Sonntag etwas zusammen?"
"Ach Lia.. Du weißt doch wie viel ich im Moment zu tun habe. Ich hab' am Sonntag doch dieses wichtige Meeting mit dem CEO von der UEFA. Du weißt schon, wegen dem Sponsoring. Wir stecken noch mitten in den Verhandlungen und ich will das Vertrauen von Mr. Jones auf keinen Fall verlieren."
Ich nickte. "Ist schon okay, wir können ja ein anderes Mal etwas machen."
"Ja natürlich mein Schatz, das machen wir." Versicherte er. Na klar, Dad.

Wir fuhren noch 10 Minuten, bevor wir uns in die Hölle stürzten.
Wir gingen in dieses Nobellokal außerhalb der Stadt. Dort warteten die beiden älteren Leute schon auf uns, direkt neben dem ultracoolen 1967 Chevrolet Impala von Mr. Jones.
Mochten seine Frau und er noch so komisch sein, eines müsste man dem Mann lassen: Er hatte einen wahnsinnig guten Geschmack, wenn es um Autos ging.
Wie jedes Mal wenn wir uns sahen, staunte Mr. Jones darüber wie groß und "hübsch" ich angeblich geworden war, was seine Frau nur mit einem Schnauben quittierte.
Mein Vater und sein Chef begannen schon bevor sie sich überhaupt begrüßt hatten über dieses Sponsoring zu reden und wechselten das Thema während des Essens auch nicht mehr. Mrs. Jones fütterte derweil Clarissa, die übrigens auf dem Stuhl neben ihr saß, mit einem extra rare gebratenem Filetsteak und einer Menge Kaviar. Und ich, ich stocherte in meinem Essen herum und überlegte, wie ich es verschwinden lassen könnte ohne es wirklich zu essen.
Als Mrs. Jones glücklicherweise aufstand um sich "die Nase pudern" zu gehen überlegte ich nicht lange und verfütterte mein Essen kurzerhand ebenfalls an den Hund.
Mein Dad lobte mich dafür, dass ich alles aufgegessen hatte und Mr. Jones bot mir an in seinem Auto mitzufahren. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, da ich wirklich eine Schwäche für dieses Auto hatte.

Der Chef meines Vaters setzte erst seine Frau, dann mich zu Hause ab und fuhr dann noch einmal ins Büro, wo er sich mit meinem Vater treffen würde.
Ich betrat also, wie immer, allein das Haus und schlenderte ins Wohnzimmer, wo ich erst den Fernseher einschaltete und dann zum Alkoholschrank wanderte. Nach einem Solchen Abend war ein Wodka durchaus angebracht. Ich nahm gleich eine ganze Flasche SKYY Wodka mit und trank auch einfach aus der Flasche. Während ich komplett in Selbstmitleid versank sah ich irgendeinen uralten Film im ZDF. Danach sah ich mir noch das Ende des "Film-Film's" an und schließlich schaltete ich auf DMAX, wo diese komische Serie über tödliche Parasiten lief.
Aus irgendeinem Grund fragte ich mich, warum ich keinen tödlichen Parasiten in mir hatte, der mich jetzt einfach umbringen würde.
Deshalb betrat ich, schon wenige Minuten später, komplett betrunken und fast an meinen eigenen Tränen erstickend mein Zimmer und begann mir die Arme aufzuschneiden. Dabei redete ich mir immer wieder selbst ein, wie scheiße mein Leben doch war, dass mein Dad mich hassen würde und das Stegi mich hassen würde und dass ich es nicht verdient hätte zu leben.
Danach schlief ich, mit stark blutenden, offenen Wunden am Arm, mich übergebend über der Toilette ein.
Ich war echt armselig. Depressiv, Magersüchtig, ging nicht zur Schule, hatte ein waschechtes Alkoholproblem und es bahnte sich auch noch ein Drogenproblem an.
Wie liebenswürdig mein Leben doch war!

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Ja gut, ich will ja nichts sagen, aber ich war am letzen Sonntag dumm genug um diese Serie, Supernatural, anzufangen. Bin jetzt (eine Woche später) bei der dritten Staffel und hab' die Kontrolle über mein Leben verloren.
Trotzdem kommt auch mal wieder ein neues Kapitel, denn ich muss erstmal keine Arbeiten mehr für die Schule abgeben und hab' jetzt einfach so viel Freizeit. 😍
Und im Moment habe ich zusätzlich noch recht viel Lust zu schreiben..

It's hard enough to save one life » Stegi.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt