10: Rückfall

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Als ich meine Augen öffnete war es komplett dunkel im Raum. Ich kroch also noch im Halbschlaf aus dem Bett und schlurfte zum Fenster um die Vorhänge zu öffnen und ein wenig Licht herein zu lassen.
Zu meinem Erstaunen waren diese aber gar nicht geschlossen und ich blickte geradewegs auf tausende hellleuchtende Sterne. Wie spät war es denn bitte?
Um genau das herauszufinden begab ich mich zurück zu meinem Nachtschränkchen und griff nach meinem iPhone 6s.
22:53 Uhr leuchtete groß auf. Was für eine Art Schlafrythmus war das denn bitte?
Um 23:00 Uhr aufzustehen war selbst für mich extrem. Normale Leute gingen um diese Uhrzeit schlafen.
Seufzend legte ich mein Telefon zurück und ließ mich auf mein Bett fallen. Keine Ahnung, was man tat, wenn man mitten in der Nacht aufstand.
Für die Schule war es noch viel zu früh und frühstücken tat ich ja sowieso nie.
Mein Dad war entweder bei der Arbeit oder im Tiefschlaf und auch sonst würden die Meisten wohl in naher Zukunft zu Bett gehen.
Alle außer meinem lieben Nachbar natürlich, dieser rief mich nämlich in diesem Augenblick an.
"Hey Stegi." Ich räusperte mich leise, da meine ohnehin schon ziemlich kratzige Stimme komplett zu versagen drohte.
"H-Hey Lia..." Stegis Stimme klang noch schlimmer als meine, jedoch auf eine ganz andere Art und Weise. Meine war rau und kratzig, eine sogenannte Morgenstimme. Seine hingegen war zittrig und brüchig. Er musste nicht einmal schluchzen, da wusste ich bereits, dass er weinte.
"W-Wir müssen reden... Glaube ich.."
"Gib mir 20 Sekunden."
Unhöflicherweise wartete ich nicht einmal auf seine Antwort. Ich legte einfach auf, schnappte mir random einen Hoodie aus dem Schrank und schlüpfte dann in meine Converse.
Total außer Atem stand ich wenig später vor Stegis Tür.
Geistesabwesend wollte ich klingeln, doch die Tür wurde schon geöffnet
"Meine Mum schläft.."
"T'schuldigung." Murmelte ich.
"Egal.. Komm hoch." Er ergriff meine Hand und zog mich nach oben, in sein Zimmer.
Wie immer wanderte mein Blick erst einmal durch den gesamten Raum.
Es war noch unordentlicher als beim letzten Mal. Leere Wasserflaschen lagen auf dem Boden, haufenweise Papier und Folie auf dem Tisch und ein paar Klamotten wurden achtlos auf dem dazugehörigen Stuhl abgelegt. Doch das Schlimmste war, diese eine Dose, die geöffnet auf dem Bett lag. Der kleine weiße Zettel blitzte daneben auf.
Ich schluckte. Das hieß.. Er.. Er wollte es tun. Er wollte sich schneiden, sich verletzen.
"Stegi..." Schnell drehte ich mich um und blickte ihn an.
Sein Gesicht war leichenblass, die Augen blutunterlaufen und von Tränen getränkt. Sein Blick starr gerade aus, fixierte jedoch nichts bestimmtes. Es fiel ihm sichtlich schwer zu atmen und seine, zu Fäusten geballten, Hände zitterten unkontrolliert.
Nun kullerten die ersten Tränen auch mein Gesicht hinunter.
"D-Du darfst das nicht. Du darfst das einfach nicht, du bist doch viel zu stark, Stegi. Du musst dich nicht selbst verletzen, du kannst das auch ohne, du.. Du.."
"Seit wann weißt du es, Lia?" Seine Stimme zitterte noch mehr als zuvor.
"Lange genug.. Und.."
"Und was?" Er schluckte, schniefte, schluchzte.
"Und es tut verdammt weh, meine Fresse! Es tut so weh zu wissen wie es dir geht, dich leiden zusehen und zu wissen, dass ich nichts tun kann. Dass alles was ich tun könnte es noch schlimmer machen wird!" Ich begann zu schreien. Ich schrie meinen besten Freund voller Verzweiflung an, voller Wut. Voller Wut auf mich selbst.
Ich war so verdammt wütend, so verdammt wütend auf mich! So wütend, weil ich ihm nicht geholfen hatte. Weil ich einfach zu schwach war um ihm helfen zu können.
Zu klein. Zu jung. Zu dumm.
"Ach.." Stegi schrie ebenfalls. "Und glaubst du nicht, dass ich mich auch so fühle? Ich hab dich auch dabei gesehen, Lia. Ich hab dich tot gesehen!"
"Aber.."
"Nein, nichts aber. Es ist genau das selbe, Lia. Weißt du, mir geht das auch nicht am Arsch vorbei. Ich sorge mich doch auch um dich." Er griff, inzwischen wieder ruhiger, nach meiner Hand. "Ich möchte dich auch nicht verlieren."
"Ich wusste es. Wir hätten uns niemals so nahe kommen dürfen, wir hätten niemals Freunde werden dürfen. Ich mache doch alles nur schlimmer."
Mein Blick wanderte hoch zu unseren Händen, dann noch weiter, bis er Stegis' traf.
In seinen Augen leuchtete Trauer, Schmerz und Angst.
Dennoch strahlten sie auf ihre Art und Weise Geborgenheit und Wärme aus.
"Das ist nicht wahr.."
Ich ließ ihn nicht aussprechen: "Doch, das ist es. Du weißt doch ganz genau, dass mich nichts mehr hier hält. Ich muss bald gehen und da will ich dich nicht noch trauriger machen."
"Wenn du jetzt gehst bin ich noch trauriger, Lia." Er sah hinüber zum Bett, genauer gesagt auf den kleinen Zettel. Diese Geste brachte mich dazu aufzuseufzen und mich auf die Bettkante fallen zu lassen. Dieses Gespräch würde sicher noch andauern.
"Außerdem.. Vielleicht möchte ich ja der sein, der dich hält."
Ich verschluckte mich an der Luft, welche ich im Mund hatte und hielt ein Husten mühsam zurück. Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt.
Er sollte doch wissen was dabei passierte. Gerade er hätte wissen können, dass ich früher oder später gehen MUSS. Genau das ist nämlich der Unterschied zwischen uns. Während Stegi einfach nicht bleiben will KANN ich gar nicht mehr hier bleiben.
"Das ist Schwachsinn, Lia."
Ich erschreckte mich jedes Mal wieder, jedes Mal.
"Hör zu, Stegi. Das ist nicht so einfach wie du es dir vorstellst. Nur weil eine Person jetzt auf einmal versucht da zu sein... Du weißt doch gar nicht wie es in mir aussieht." Ich holte einmal tief Luft und wollte dann weiter reden, doch ich wurde von der sich öffnenden Tür unterbrochen.
"Wisst ihr zwei eigentlich wie spät es ist? 5:00 Uhr morgens. 5:00 Uhr." Stegis Mum trat ein 'wenig' genervt in das Zimmer ihres Sohnes.
"Sorry Mum. Lia wollte eh grade gehen."
Ich unterbrach ihn: "Was? Nein!"
"Doch Lia, ich glaube auch das wird besser sein." Warf seine Mum nun wieder in den Raum.
"Aber doch nicht jetzt?!"
Ich könnte doch jetzt nicht einfach während eines Streites' abhauen. Das würde Stegi nicht gut tuen und mir, ganz nebenbei erwähnt, auch nicht.
"Doch komm jetzt bitte. Ruh dich noch ein wenig aus." Diese Frau drückte mich einfach weg. Doch vorher konnte ich ihrem Sohn glücklicherweise noch etwas zu flüstern. Ein einziges Wort: "Wehe."
Hoffentlich wird er das richtig verstehen.
Ich ging nun also wohl oder übel nach Hause. Aber ganz bestimmt nicht um mich auszuruhen. Ich hatte den ganzen Tag geschlafen, kein Ruhebedarf da.
Stattdessen ging ich in mein Zimmer um ein wenig Druck loszuwerden, bevor es gleich in die Schule ging.

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Heyyy!:)
Ich lebe noch! Hab' nur nicht besonders viel Zeit, bla bla. Ihr kennt es sicher schon.
PS: Dieses Kapitel wurde nich Korrektur gelesen, es können also noch viele Fehler drin sein. Bitte tötet mich nicht. :c

It's hard enough to save one life » Stegi.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt