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Bild - Nathan 

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Kurz bevor es klingelt, verlasse ich das Schulgebäude. Ich hab gerade zwei Stunden Lebenszeit verschwendet um darauf zu warten, dass ich rein gelassen werde. 

Als ich Draußen auf May warte, kommt mir die gesamte Footballmannschaft entgegen. Anscheinend wollten sie alle nicht zur ersten Stunde kommen, also schwänzten sie einfach gemeinsam den Unterricht. 

Sie gehen alle geradewegs auf Nathan zu, der an seinem brandneuen Audi lehnt. Jeder wusste zwar, dass seine Familie reich war, aber er prahlte nie wirklich bewusst damit.

Ich konnte mit einem Auge sehen, wie einer der Jungs irgendetwas aus seiner Tasche holte. Es sah aus wie eine Dose. Bei genauerem hinsehen kann ich erkennen, dass es eine dieser Spraydosen ist. Die Jungs waren nicht nur gut in Football, sondern auch noch zuständig für die Verschönerung der Stadt. 

Einer von ihnen, vermutlich Eliah, kommt auf mich zu, doch ich ziehe es nicht in Erwägung mich zu ihm zu drehen. Alle Jungs, eingeschlossen Nathan, sind still geworden. 

Zu meinem Glück geht er an mir vorbei, doch als ich ein leises zischen höre, packt mich die Neugier doch.

Ich drehe mich um und sehe, wie er vor Scotts Auto kniet und es mit der roten Farbe ansprüht. Ohne nachzudenken stürme ich auf ihn zu und schubse ihn leicht gegen die Schulter.

"Seid ihr jetzt komplett durchgedreht oder was?", frage ich lautstark. Auf der Fahrerseite steht dick und fett: "VERSAGER."

Eliah stellt sich wieder hin und betrachtet sein Kunstwerk, daraufhin sieht er mich grinsend an und drückt mir die Dose in die Hand. 

"Viel Spaß", sagt er, genau in diesem Moment klingelt es.

Ich schaue ihn etwas verwirrt an, doch bevor ich etwas sagen kann, verschwindet er mit den anderen. 

"Jasmine?", fragt mich eine bekannte Stimme. Es ist Mrs.Paige, die erst den verunstalteten Wagen ansieht und mich danach vorwurfsvoll mustert.

"Ich.. Ich war das nicht!", sage ich ehrlich und verstecke die Dose hinter meinem Rücken.

Gerade, als sie ihren Mund öffnet, um etwas zu sagen, packt mich jemand an der Hand und zieht mich weg. Ohne zu überlegen lasse ich mich von der Person ziehen und setze meine Beine in Bewegung. 

Ich sehe nach vorne und muss feststellen, dass es Nathan ist. Wir laufen solange die Straße entlang, bis wir die Schule nicht mehr sehen können.

Völlig außer Atem befreie ich mich von seinem Griff und stemme die Hände in die Hüfte, er dagegen scheint nicht einmal aus der Puste zu sein.

"Was sollte das?", fauche ich ihn an. 

"Ich wollte nicht, dass Eliah Schwierigkeiten bekommt. Bevor du etwas falsches sagst ist es besser, wenn du es ihr in Ruhe erklärst", sagt er und streicht sich dabei durch seine unordentlichen Haare. Eins muss man ihm lassen, es gibt kein Moment, an dem er nicht unwiderstehlich aussieht.

"Nur weil Avery..", ich verstumme. 

"Avery war betrunken und Scott hat es ausgenutzt", erklärt Nathan. Er reagiert erstaunlich gelassen, eigentlich habe ich erwartet, dass er beide einfach nur beschimpft. 

"Dann hätte sie sich einfach nicht betrinken sollen", erwidere ich mit verschränkten Armen. Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, warum ich diese Diskussion hier führe. 

"Abgesehen davon ist es keine große Heldentat ihn so zu demütigen." 

Nathan verdreht die Augen und geht zurück in Richtung Schule. 

"Bis dann, Jamie."

Jamie?

Ich sehe ihm ein paar Augenblicke nach, drehe mich dann aber ebenfalls um und setze meinen Nachhauseweg fort. Ich kann nur hoffen, dass Mrs. Paige diesen Vorfall bis zur nächsten Woche wieder vergessen hat.

Ansonsten kann ich drei Wochen lang bei ihr nachsitzen.


Zuhause angekommen kommt mir mein total gestresster Vater entgegen.

"Bin arbeiten", sagt er und stürmt aus der Tür, bevor ich überhaupt rein gekommen bin.

"Dir auch hallo", murmele ich vor mich hin und betrete das Haus.

Jedes Kind würde sich wünschen so viel beschäftige Eltern zu haben, aber wenn man sein ganzen Leben bei irgendwelchen ätzenden Tagesmüttern verbracht hat, wünscht man sich nichts mehr, als Geschwister. Oder Eltern die wenigstens einmal in der Woche zuhause sind.

Ich werfe meinen Rucksack in irgendeine Ecke meines Zimmers, meine Laune ist heute nicht mehr zu retten. Mein Handy vibriert im Minutentakt, vermutlich ist es May, die sich fragt wo ich heute nach der Schule war. 

Obwohl ich nicht wirklich lust auf ein langes Telefonat habe, beschließe ich, sie doch anzurufen.

Nach ein paar mal klingeln höre ich ihre Stimme am anderen Ende der Leitung.

"Jasmine, alles okay?", fragt sie. 

"Jaja natürlich, bin heute nur zu spät zu Biologie gekommen und früher gegangen, weil Mrs. Paige mich nicht mehr rein glassen hat. Entschuldige, dass ich dir nicht bescheid gesagt habe." 

Von dem Vorfall mit Nathan und seinem Footballteam erzähle ich ihr nichts, unwichtige Nebeninformationen waren noch nie mein Ding.


CATCH MEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt