XII

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"Wir war die Party eigentlich am Samstag? Ich bin ziemlich früh gegangen", fragt Matt zwischendrin, obwohl wir bei einem ganz anderen Thema waren.

Scott hebt seinen Blick und starrt mich an.

Sein Blick spricht Bände: "Ein Wort und ich reiße dir den Kopf ab."

May beginnt, irgendetwas über Avery zu erzählen, aber ich höre nicht hin. Immer noch auf Scott fixiert sehe ich, wie er seine Sachen zusammenräumt und wortlos aufsteht.

Ich schmeiße meine Gabel auf den Teller, stehe auf und laufe ihm hinterher, er knallt die Eingangstür von der Mensa direkt vor meinen Augen zu.

Bei dem lauten knall sind alle still geworden, ich werfe einen kurzen Blick nach hinten und sehe, wie mich die gesamte Schülerschaft anschaut.

Seufzend öffne ich die Tür und will rauslaufen, doch weit komme ich nicht, denn ich krache mit voller Wucht gegen Nathan. 

Schon wieder.

"Könnt ihr kein einziges mal auf-", er senkt seinen Blick und sieht mich an, den Mund leicht geöffnet.

"Was zum Teufel stimmt denn nicht mit euch?", schreie ich ohne einen bestimmten Zusammenhang für meine Worte zu haben.

"Kannst du mir nicht einfach aus dem weg gehen verdammt?"

Gewaltsam schubste ich Nathan zur Seite und laufe hinter Scott her, kurz bevor er in der Umkleide der Sporthalle verschwinden will, schreie ich seinen Namen. Er macht nicht einmal den Anschein mit mir reden zu wollen.

Diesmal will ich wirklich wissen, was ich ihm angetan habe.

Ich stürme in die Umkleide, Scott stellt seine Tasche ab und zieht sich sein Tshirt über den Kopf.

"Was ist den verdammtes Problem?", brülle ich, die Wände schallen so sehr, dass ich von meiner eigenen Stimme fast taub werde.

"Geh einfach, Jasmine", sagt er  kaum hörbar.

Scott dreht mir den Rücken zu und lehnt ausgestreckten Armen an der Wand, er spannt jeden einzelnen Muskel seines Körpers an.

"Guck mich an, wenn ich mit dir rede!"

Er befolgt meinen Befehl, dreht sich zu mir und starrt mich an.

Und wie er mich anstarrt.

Seine sonst immer klaren, grünen Augen sind komplett schwarz. Genau das habe ich auch bei Nathan gesehen, doch ich habe es nicht für real gehalten.

Ich muss zweimal hingucken, denn das, was ich sehe ist mehr als verstörend.

Er fängt an laut und unkontrolliert zu atmen, ich gehe sicherheitshalber einen Schritt zurück.

"Scott?", frage ich plötzlich ganz leise.

"Geh, Jasmine", wiederholt er langsam. Ich schlucke, starre ihn an, aber bewege mich nicht vom Fleck. 

"Geh!", brüllt er auf einmal. Sein Körper steht ganz steif da, er sieht blass aus und auch seine Adern werden in einem starken, fast leuchtenden blau sichtbar.

So schnell wie meine Beine mich tragen, laufe ich aus der Umkleide und stürme auf das Footballfeld.

Ist das ein schlechter Scherz? Träume ich?

Fast am Ende des Feldes bleibe ich stehen, vergrabe meine Hände in meinen Haaren und versuche, mich irgendwie zu beruhigen.

Mein Herz schlägt in unregelmäßigen Abständen, der Puls schießt durch meine Adern.

Ich bin in einem schlechten Horrofilm gelandet, meine Freunde verwandeln sich in komische Gestalten mit schwarzen Augen und leuchtenden Adern.

Mir fällt auf, dass der Unterricht schon lange begonnen hat, aber es ist mir egal. Ich laufe mitten auf dem Feld große Kreise, jeder, der mich sieht muss mich für verrückt halten.

Vermutlich bin ich das auch, verrückt.

"Jasmine?", ruft eine vertraute Stimme. Es ist Matt, ein paar Meter weiter steht die gesamte Footballmannschaft, die mich anstarrt, wie eine Attraktion im Zirkus.

"Beruhig dich", flüstert er mir leise zu und nimmt mich so fest in den Arm, dass ich mich kein Stück mehr rühren kann.

Ich beginne zu schluchzen, nicht, weil ich traurig bin, sondern weil ich so schockiert bin, dass ich nicht weiß, wie ich mich sonst beruhigen soll.

Matt drückt meinen Kopf fest an seine Brust und murmelt ein "Psch" in meine Haare.

In der selben Position setzt er sich in Bewegung und setzt mich auf die Tribüne. 

"Holt mal bitte einer Wasser?", schreit er hinter sich. Einer der Jungs wirft ihm eine kleine Falsche rüber.

"Hier", sagt er, nachdem er den Deckel aufgeschraubt und mir die Flasche in meine zitternde Hand gedrückt hat.

Ich starre ins Leere, habe die Hände fest um die Flasche geklammert und bewege meine Beine schnell auf und ab.

"Ich hole kurz die Schulsanitäter okay?", informiert Matt mich ruhig, doch ich schüttele ablehnend den Kopf.

"Nein, alles gut Matt", antworte ich mit langen Pausen zwischen den Wörtern. 

Ich starre aufs Feld und sehe, wie Nathan mit ein paar der Footballer redet, sie zeigen mit den Finger auf mich.

Als er zu mir hochschaut und sich unsere Blicke erneut treffen, fühlt es sich so an, als würde mein Kopf kurz davor sein, zu explodieren. 

Kurz darauf lasse ich die Wasserflasche einfach fallen und stürme die Tribüne runter, als Matt versuch, mich am Arm zu packen und zurückzuziehen, wehre ich mich Händen und Füßen dagegen.

"Was ist mit Scott?", schreie ich Nathan an, dabei schubse ich ihn mit meiner gesamten Kraft nach hinten. Er verliert das Gleichgewicht und schwankt ein wenig.

"Nicht hier, nicht jetzt", zischt er mir zu. Ich schlucke.

Was passiert hier?

"Ich bringe sie zur Schulkrankenschwester", sagt er für alle hörbar und packt mich am Ellbogen.

"Du bringst mich nirgendwo hin!", protestiere ich. Wenn man das Schauspiel als Außenstehender betrachtet, könnte man meinen ich sei aus der Psychiatrie geflüchtet.

Nathan zieht mich grob neben sich und funkelt mich an.

"Ich sage dir alles, was du wissen willst, solange du jetzt einfach mitkommst und hier keine Show mehr veranstaltest", sagt er so leise, dass nur ich es hören kann.

Wortlos, aber nicht zufrieden, gebe ich mich geschlagen und folge ihm zurück ins Schulgebäude, wie ein Hund an der Leine. 

CATCH MEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt