Chapter 12 - Wie klischeehaft

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    „Ladies, aufstehen. Die Schule wartet. Frühstück steht auf dem Tisch. Ich muss jetzt los", brüllte meine Mutter in mein Zimmer. Ich öffnete langsam die Augen, gähnte einmal ausgiebig und streckte mich. Ich gab Luzie einen Stoß, sodass sie auf den Boden flog. Es war die einzige Methode, sie munter zu bekommen. Dabei konnte sie manchmal sogar noch schlafen. Ich schlug die Decke zurück und meine nackten Füße berührten den ziemlich kühlen Boden. Ich schritt zum Fenster, zog die Vorhänge auf und musste seufzend feststellen, dass graue Wolken am Himmel standen. Dadurch war es etwas dunkler als sonst und ich musste das Licht aufdrehen.
„Luzie! Beweg deinen Hintern!", schrie ich dem Rotschopf zu, der gerade wieder eindösen wollte. Sie murmelte undefinierbare Worte vor sich hin und setzte sich auf. Einstweilen tapste ich zum Spiegel und griff nach meiner Bürste. Noch halb im Schlaf zog ich sie durch meine Haare und musste erschrocken nach einem Blick in den Spiegel feststellen, dass ich tiefe Augenringe hatte und meine Haare kreuz und quer standen.

„Da kann der Tag nur super werden, wenn er schon so beginnt", dachte ich sarkastisch.
„Ich will noch schlafen", jammerte Luzie vor sich hin und ich gab ihr seufzend Recht. Wir schritten hinunter und latschten in die Küche. Anschließend ließen wir uns auf jeweils einen Sessel fallen und frühstückten. Mum hatte eine Kanne Kaffee, zwei Tassen, Semmeln, Butter, Marmelade und Geschirr auf den Tisch gelegt.
Eine Stunde später fuhr uns Luzie in die Schule. Wir waren noch immer müde und mies gelaunt. Gesprochen hatten wir noch fast gar nichts. Alle Gespräche beruhten auf „Kann ich schnell die Bürste haben?" oder „Kannst du mit die Marmelade geben?". Wir bogen beim Schulparkplatz ein und sofort stach mir Drake in die Augen. Er sah noch schrecklicher aus als ich, stand bei seinen Freunden, welche auf ihn einredeten und wütend mit den Armen herum fuchtelten, und hatte einen riesen Blumenstrauß in seinen Armen. Von allen Seiten wurde er angestarrt.
Ein Schnipsen vor meinen Augen brachte mich wieder in die Realität. „Ich habe dich etwas gefragt, Mad", grummelte Luzie neben mir. „Sorry", bekam ich nur heraus und wir stiegen aus.
„Du solltest mit ihm reden. Ihm tut es wirklich leid." Ich schüttelte den Kopf.
„Tschüss, Luzie." Drake und seine Rasselbande hielten sich vor den Stiegen auf. Diese waren leider der einzige Weg in die Schule und ich ging erhobenen Hauptes an ihnen vorbei und ignorierte sie alle. Ich spürte alle ihre Blicke auf mir und sie verstummten.
„Bitte, Mad. Hör mir doch zu!", rief mir Drake nach und kam angelaufen. Ich drehte mich kurz um und ihm anschließend die kalte Schulter zu. Er sollte mich einfach in Ruhe lassen.
Leider traten wieder Tränen in meine Augen. „Lass mich in Frieden, Drake."
„Sie mich an", befahl er mir und hob sanft mein Kinn an. Er blickte geschockt von einem zum anderen meiner wässrigen Augen.
„Lass mich. Du hast mich verletzt, Drake", flüsterte ich.
„Es tut mir so unendlich leid. Die hier sind für dich", versuchte er das Vergangene wieder gut zu machen und drückte er mir den Blumenstrauß in die Hände. Er lächelte mich sanft und voller Hoffnung auf Vergebung an.
„Nein, Drake. Ich kann das nicht." Ich gab ihm die Blumen zurück, drehte mich um und flüchtete im etwas schnellerem Tempo in die Schule. Währenddessen wischte ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln.
Im Gebäude angekommen warf ich einen kurzen Blick über die Schulter und sah, wie Drake am Boden zusammen sank und seine Rasselbande auf ihn zugestürmt kamen.
Plötzlich rannte ich gegen jemanden. Ich riss meinen Kopf von Drake und wurde gerade noch von meinem Gegenüber zurück gezogen, um nicht auf den Boden zu fallen.
„Alles okay?", hallte es durch meinen Kopf. Mir war auf einmal schwindelig und mir wurde kalt. Meine Knie wurden weich und ich sah durch einen Schwarzschimmer. Alles drehte sich.
„Geht es dir gut?", fragte mein mehr oder weniger Retter weiter nach.
Schweißperlen traten auf meine Stirn. Ich wurde sanft auf den Boden gesetzt. Ich schloss die Augen, versuchte gleichmäßig zu atmen und beruhigte mich einigermaßen.
Ich öffnete wieder meine Augen und blickte in zwei blitzblaue Augen, die knapp vor meinen waren. Hätte ich mich zwei Zentimeter weiter nach vorne gebeugt, hätten wir uns geküsst. Was denke ich schon wieder? „Hi", hauchte mir der Junge mit Pfefferminz Geruch ins Gesicht.
„Ähh, hallo." Ich musterte ihn. Er hatte pechschwarze Haare und eine Lederjacke an.
„Alles wieder okay mit dir?" Er richtete sich auf und streckte mir seine Hand entgegen.
„Ich denke schon." Ich nahm seine Hand und er zog mich hinauf. Ich griff nach meiner Tasche. Nur hatte der Junge dieselbe Idee. Unsere Hände berührten sich und ich zog meine Hand schnell zurück. „Wie klischeehaft", dachte ich mir innerlich Kopf schüttelnd. Obwohl ich nur kurz seine Hand berührt hatte, ich weiß, vorhin auch schon aber das war unter anderen Umständen, fühlt es sich an, wie wenn ich Drake betrogen hätte.
„Du bist schüchtern, nicht wahr?", schlussfolgerte er falsch und gab mir meine Tasche.
„Nein, verwirrt", gab ich zu. „Warum das?" Er verzog seine Stirn ein wenig und es entstanden Falten. „Ist auch egal. Tut mir leid, dass ich dich vorhin umgerannt habe. Ich hätte besser aufpassen sollen. Tschau", verabschiedete ich mich und drehte mich um, um in die nächste Klasse zu gehen.
„Warte!", rief er mir hinterher und joggte nach.
„Gibst du mir deine Nummer?" „Also.. ich denke nicht, dass...", versuchte ich mich herauszureden. „Du willst mir also nicht deine Nummer geben. Dann gebe ich dir einfach meine." Es brachte mich etwas zum schmunzeln. Der noch immer unbekannte Typ griff in seine Hosentasche und holte einen zerknüllten Zettel heraus. Er strich ihn glatt und überreichte ihn mir.
„Hat deine letzte Eroberung deine Nummer nicht gewollt und deshalb hast du den Zettel noch?", fragte ich scherzhaft.
„Ja, natürlich", antwortete er mir zwinkernd, „Es wirkt sicher komisch, aber ich kann mir meine Nummer einfach nicht merken und deshalb habe ich den Zettel. Du denkst jetzt bestimmt, dass ich ziemlich dumm bin, oder?"
„Ja, eigentlich schon", log ich ohne mit der Wimper zu zucken. Er schaute mich ein wenig entsetzt an. „Echt?" „Nein", grinste ich ihn an.
Seine Miene hellte sich sofort wieder auf. „Wie heißt du eigentlich?"
„Mad. Und du?" „Das erfährst du erst, wenn du mir schreibst." Er zwinkerte mir noch einmal zu und dann ließ er mich stehen. Ich stand eine Weile einfach da.
„Hast du einen Geist gesehen?", erschrak mich eine Stimme von hinten und jemand legte mir seine Hand auf die Schulter. Ich zuckte zusammen, schaute langsam nach hinten und blickte in Eathans Gesicht. Ich schüttelte den Kopf, um zu verneinen, aber auch um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Der Junge mit den blauen Augen hatte mir ganz schön das Gehirn weg geblasen. In letzter Zeit fand ich fast jeden toll. Die stärksten Gefühle hegte ich jedoch für Drake. Meine Hormone spielten einfach verrückt.
„Drake geht es echt beschissen", wechselte er das Thema.
„Ich weiß. Mir auch", rechtfertigte ich mich.
„Vergib ihm doch einfach."
„Es würde nie mehr so werden wie früher, Eathan. Ich würde kein Vertrauen mehr haben, welches jedoch zu einer Beziehung dazu gehört."
Er nickte, murmelte eine kurze Verabschiedung und ging. Auf ich machte mich langsam auf den Weg in die Klasse. Dass ich jetzt wieder mit Drake in einem Raum bin, fiel mir erst ein, als ich das Klassenzimmer betrete, in dem ich jetzt Biologie haben würde. Ich ging geradewegs auf einen leeren Tisch zu und ignorierte Drake, der mich mit seinen Augen verfolgte. Die Professorin kam pünktlich und begann sofort mit dem Stoff. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Es blieb nichts von dieser Stunde hängen.
Auch der Rest der Tages zog einfach an mir vorbei.
Zuhause angekommen machte ich zuerst streberhaft meine Hausaufgaben und dann aß ich etwas. Um zirka drei Uhr war mir langweilig und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Normallerweise hätte ich jetzt Drake angerufen..
Ich schmiss mich ins Bett und beschloss meine Tasche auszumisten. Wobei ich das Zettelchen von dem Jungen wiederfand. Sollte ich ihn anrufen?
Ich speicherte die Nummer in meinen Kontakten ein und dann drückte ich auf den grünen Knopf. Die Leitung piepte.
„Ja, hallo?", ertönte die Stimme des Schwarzhaarigen.
„Hi. Also ich bin Mad. Du weißt schon, die du heute umgerannt hast. Oder eher ich dich. Ähm..ja."
„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich meldest."
„Hab ich aber. Mir war langweilig."
Er lachte. „Na toll."
Es herrschte Stille. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und so ging es ihm wohl auch.
„Ich bin übrigens Mason."
„Dann kann ich dich in meinem Telefonbuch von Junge, der mich umgerannt hat in Mason umspeichern."
„Das stimmt. Hast du morgen schon etwas vor?"
„Ich denke nicht." Ich hatte schlechtes Gewissen, aber lehnte nicht ab.
„Gut. Dann hole ich dich morgen um 6 Uhr ab. Willst du ins Kino, oder einfach nur Essen gehen?"
„Essen gehen klingt gut."
„Okay, schick mir einfach dein Adresse, Mad." Mein Herz blieb kurz stehen. Er hatte meinen Namen so liebevoll gesagt.. Okay, mit mir stimmt echt etwas nicht...

P.o.v.: Drake
Sie drückte mir die Blumen zurück in die Hand und stapfte wütend davon. Weshalb habe ich das gemacht? Ich liebe sie doch so sehr. Reiß' dich zusammen, Drake! Du darfst nicht weinen. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Trotzdem riss es mir den Boden unter den Füßen weg. Und ich setzte mich auf den Asphalt. Meinen Kopf stützte ich mit meinen Händen. Scheiße. Warum bin ich so ein Idiot. Meine Kumpel kamen zu mir. Sie hatten alles genau mit verfolgt.
Kylian meinte zuerst: „Soll ich dir Nummer von ein paar hübschen Mädchen geben?"
„Alter, das ist jetzt nicht dein Ernst, Kylian. Drake geht es scheiße und du..", warf Eathan empört ein, „Das wird sicher wieder. Sie muss sich erst abregen."
„Nein", nuschelte ich, „Ich wusste, dass sie viel Wert auf Vertrauen legt. Ich hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen. Hätte ich keinen Alkohol getrunken, hätte ich nichts erzählt."
„Wer ist der Typ, der mit Mad redet?", lenkte Josh die Aufmerksamkeit von uns auf meinen Schatz. Aber wer war das wirklich. Warum lächelte sie ihn so an? Hat er gerade ihre Hand berührt? Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wurde aggressiv.
Mike legte mir seine Hand auf die Schulter, um mich zu beruhigen. Er kannte mich einfach zu gut.
Jetzt kramte er in seiner Hosentasche herum. Er gibt ihr einen Zettel. Auf dem steht doch hoffentlich nicht seine Nummer. Mad sah ihm verträumt hinterher. Ich senkte meinen Kopf. Ich hatte sie anscheinend bereits ganz verloren.
„Eathan! Bleib hier! Was machst du?", schrie ich meinem besten Freund hinterher. Was hatte er vor?

Mad beachtete mich den ganzen Tag nicht. Ich hatte große Schuldgefühle. Ich wollte sie küssen, sie umarmen, durch ihre Haare fahren.
Nach dem ich keine Tätigkeiten mehr zu tun hatte, beschloss ich meine Mutter zu besuchen. Jace wollte mitkommen, deshalb musste ich nicht den Bus nehmen und er fuhr uns. Wir redeten lange uns eindringlich mit meiner Mutter, dass sie weiter kämpfen sollte und sie meinte, Mad hätte sie schon längst dazu überredet. Ein Grund mehr sie zu lieben.
„Ich hole Kaffee. Willst du auch einen?", riss mich Jace aus meinen Gedanken.
„Ja, bitte." Er verschwand aus dem Zimmer.
Meine Mutter sah mich direkt an und dann fragte sie: „Alles okay bei dir?"
„Ja, passt schon." „Und die Wahrheit?" „Mad und ich haben uns gestritten, weil ich einen furchtbaren Fehler gemacht habe. Ich liebe sie doch so sehr, aber ich habe sie verletzt. Das wollte ich nicht. Warum verletzt man ungewollt Menschen, die einem wichtig sind, Ma?"
„Ich weiß es nicht, Schatz. So ist das Leben. Aber das wird sicher wieder. Sie liebt dich zu sehr, um dich verlieren zu wollen."
Ein Seufzen kam von der Türe und ich drehte mich rasch um. Im Türrahmen stand Mad. Tränen rannen über ihre Backen. Als sie bemerkte, dass ich sie gesehen hatte, drehte sie um und wollte weg laufen. Doch ich stand auf und packte sie an der Hand. „Bitte, warte!"
Sie blieb unerwarteter Weise wirklich stehen.
„Ich will es wieder gut machen, Mad. Gib mir bitte noch eine Chance. Ich liebe dich so sehr. Bitte." Tränen bildeten sich in meinen Augen. Zu was für einem Mädchen war ich nur geworden.
Mad schaute mir direkt in die Augen und wechselte immer das Standbein.
„Ich liebe dich auch, Drake. Aber ich weiß nicht, ob eine Beziehung noch möglich ist. Ich glaube, ich würde dir nicht mehr vertrauen können."
„Lass es uns doch wenigstens noch einmal versuchen."
Stille. Mad dachte genau nach, dass konnte ich daran erkennen, dass sie ihre Haare um ihre Finger zwirbelte.
„Ich gebe dir noch eine Chance."
Ich riss meine Augen auf und ich grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mir vergibt.
„Danke." Ich zog sie an mich, umschloss ihren süßen Kopf mit meinen Händen und drückte meine Lippen auf die ihren. Ich roch wieder ihren wunderbaren Duft. Ich durchfuhr ihr weiches braunes Haar. Ich fühlte ihre Lippen auf meinen. Mein Herz schlug schneller. Ich liebte sie.


P.o.v.: Madison
Zuhause rief ich natürlich sofort Luzie an.
„Hey, Luzie. Ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Hast du Zeit?"
„Ja, hab ich. Schieß los!"
„Passt alles bei dir? Du hörst dich traurig an."
„Ich erzähl es dir auch gleich. Du fängst an."
„Drake und ich sind wieder zusammen."
„Echt jetzt? Das ist ja toll. Ich freue mich für dich."
„Aber das Problem ist, ich habe morgen ein Date mit einem anderen Typen. Ich habe ihn heute in der Schule kennen gelernt."
„Ich würde an deiner Stelle absagen. Du hast jetzt wieder Drake. Ich denke, er ist besser für dich."
„Okay. Und was hast du zu erzählen?"
„Ich habe meinen Vater heute darauf angesprochen, ob er mit einer anderen Frau weg war. Er hat es aber abgestritten. Ich weiß nicht, was ich machen soll."
„Warte am besten ab. Es wird sich schon irgendwie regeln."
„Okay. Ich muss jetzt auflegen. Tschüss. Bis morgen." 

Betrayal Of TrustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt