„Valerie, erklär mir Renvers", Jörg, der Theorie und Dressurtrainer stand mit verschränkten Armen in der Mitte der Bahn. Mehrere Birken säumten den Rand des Vierecks und so manch hellgrünes Blatt war auf den Sand heruntergerieselt. Sonne und Schatten warfen ihre Muster auf die fünf Pferde und Reiter, die unter dem strengen Auge des alten Reitmeister schwitzten. Er hatte sie schon die ganze Stunde lang in die Mangel genommen, sich wiederholt Lektionen erklären lassen und dann kritisiert, warum sie das theoretische Wissen, das vorhanden oder auch nicht vorhanden war, nicht umsetzten. Valerie turnte unglücklich auf Quincy, Simons Pferd, herum. Der hübsche Braune hebelte sich immer wieder aus der Anlehnung heraus und tat nur das Allernötigste.„Renvers ist ein Seitengang?", das hörte sich mehr nach einer Frage an, als nach einer qualifizierten Aussage.
„Und die Banane Obst. Das erklärt aber immer noch nicht, warum sie krumm ist", flüsterte Maila leise in Richtung Lars, der daraufhin kicherte.
„Ein bisschen ausführlicher bitte, Valerie. Und Maila, wenn du etwas beitragen möchtest, dann kannst du dich schon mal bereithalten", warf ihr der ältere Mann einen genervten Blick zu.
„Die Hinterhand geht vom Hufschlag weg, so schief nach innen?"
„Das ist Travers. Wenn ich das richtig verstehe. Maila, erklär du es mir - ausführlich! Nicht nur die Hilfengebung!"
Na, wenn der glaubte, jetzt habe er sie, dann hatte er sich geschnitten, stellte sie belustigt fest. „Renvers ist eine Vorwärts-Seitwärts-Bewegung des Pferdes, bei der es in Bewegungsrichtung und gebogen ist. Während die Hinterhand auf dem Hufschlag bleibt, wird die Vorhand in die Bahn gestellt, wobei die Abstellung zum Hufschlag etwa 30° beträgt. Die Vorderbeine kreuzen, die Hinterbeine treten seitlich über und durch Renvers werden die Hanken mehr gebogen und eine verbesserte Tragkraft der Hinterbeine – vor allem des äußeren Hinterbeins erzielt. Um zu den Hilfen zu kommen, der innere Schenkel sorgt für die Längsbiegung und zum fleißigen Vortreten des inneren Hinterbeins. Der äußere Schenkel liegt verwahrend hinter dem Gurt und sorgt für die Vorwärts-Seitwärtsbewegung des Pferdes. Der Reiter belastet vermehrt den inneren Gesäßknochen. Der äußere Zügel gibt nach, begrenzt die Stellung, lässt sie aber auch zu, für die wiederum der innere Zügel zuständig ist. Dieser kann bei Bedarf auch seitwärts weisend sein."
„Und wie beende ich die Lektion, oder möchtest du bis ans Ende deiner Reitstunde Renvers reiten?"
„Beendet wird die Lektion am Wechselpunkt am Ende der langen Seite indem die Vorhand wieder auf den Hufschlag zurückgeführt wird", antwortete Maila ihm schnell, amüsiert über die spitze Zunge des alten Haudegens, der heute noch sehr freundlich war.
„Und warum reite ich überhaupt Renvers? Valerie?", kam wie ein Pistolenschuss gleich die nächste Frage, während sich die Reiter mehr oder weniger durch die Lektion quälten und schummelten. Maila war froh, Tiramisu unter dem Sattel zu haben, anstelle von Attila. Die braune Stute machte das Beine verknoten weitaus williger und eleganter, als der Schimmel.
„Ähh. Zum Lösen des Pferdes?"
„Und was noch?", bohrte Jörg nach, „du reitest Renvers ja auch nicht unbedingt am Anfang der Stunde als erste Lektion, hm?"
„Ne, sie reitet das gar nicht, weil sie es nicht kann!", Maila musste wegen Andrés bösen Kommentar leise lachen.
„Andrés! Hast du etwas beizutragen?"
„Nichts, das ihren Maßstäben gerecht werden könnte", redete er sich heraus, was Maila wiederum zum Grinsen brachte.
„Aber unterhaltsam scheint es zu sein. Maila? Inwieweit ist Renvers für das Pferd nützlich?"
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Hufspuren im Sand
Teen FictionEs ist der erste Sommer von vielen, den Maila nur mit Pferden verbringen möchte. Als sie durch ihren Sieg in der Juniorentour eine Einladung für einen dreimonatigen Trainingsaufenthalt im internationalen Ausbildungszentrum eines bekannten Vielseiti...