„Ich hab keine Lust", maulte Maila umeinander, während sie Tiramisu putzte. Andrés verdrehte nach der unzähligsten Wiederholung dieser Aussage nur noch entnervt die Augen, und putzte kommentarlos weiterhin Capricho, der dies sichtlich genoss.
Beide Pferde standen locker angebunden in der Morgensonne vor dem großen Stall und schauten sich hin und wieder neugierig um, wenn etwas ihre Aufmerksamkeit erweckte. Kleine Staub und Haarwolken flirrten im noch schwachen Morgenlicht, aber der strahlend blaue Himmel ließ keine Fragen offen, dass es später noch heiß werden würde.
„Ich brauch erst gar nicht reiten. Tiramisu kann das noch nicht", stöhnend stützte Maila die Arme auf dem dunklen Holzbalken zwischen beiden Pferden ab und vergrub das Gesicht in den Händen. Eine Pferdenase stieß ihr vorwitzig in die Rippen, eine zweite wühlte sanft in den Haarsträhnen, die sich aus ihrem französischen Zopf gelöst hatten und blies diese jetzt in einen noch unordentlicheren Zustand. Der zweite Stups in ihre Rippen war schon weitaus unsanfter, und Maila schaute auf. Tiramisu blickte sie schelmisch an, die dunklen Pferdeaugen vertrauensvoll. Die Stute spielte mit den Ohren, nur um Maila dann die Nüstern ins Gesicht zu stupsen und sie warm anzupusten.
„Siehst du, da sind zwei auch anderer Meinung", Andrés stand grinsend neben Capricho und genoss das Bild. Die beiden langbeinigen, großen Pferde, beide dunkel, und dazwischen, sehr klein, die blonde Maila. „Ihr könnt ja wenigstens euer Bestes geben, mehr verlangt ja niemand von euch. Aber zumindest, dass du oben drauf dich anstrengst, das ist das Mindeste, was du tun kannst, nachdem sie gestern alles für dich gegeben hat"
„Du bist schöner, wenn ich Recht habe", grummelte sie leise, bevor sie Tiramisu die fellgefütterten Gamaschen anzog. Madame war super pingelig was ihren Beinschutz anging, und stellte sich sonst an, wie als hätte man ihr Disteln um die Beine gebunden.
„Na, solang du mich irgendwann mal schön findest", lachte er auf, „aber eigentlich ist mir das egal. Schönheit ist eh nichts wert"
„Das würden aber viele anders sehen", legte Maila den Kopf schief, „immerhin ist das für manche ihr ganzes Kapital"
„Da gehöre ich netterweise nicht dazu, geschweige denn, dass ich das je wollte. Schönheit ist vergänglich, Intelligenz nicht. Und diese oberflächliche Schönheit macht Menschen auch nicht schön – es ist erst die Art, die einen Menschen wirklich schön macht. Das andere ist nur Attraktivität, und die steigt auch gewaltig, wenn ein Hirn hinter der Fassade funktioniert und nicht nur den Hohlraum füllt", mit diesen Worten warf er seinem Pferd den Sattel auf den Rücken., nur damit der Rappe gleich spielerisch nach dem baumelnden Sattelgurt angelte, während Andrés ihn umrundete.
„Du bist unmöglich", erklärte er dann dem Rappen, der unschuldig guckte.
„Wie der Herr, so sein Gescherr", amüsierte sich jetzt Maila, die auch gerade sattelte.
„Was du damit nur sagen willst", spöttelte er, „ich wäre doch nie unmöglich"
„Ist eher die Frage, wann du nicht unmöglich bist", erwiderte sie grinsend, „kippst mir Wasser über, versenkst mich im Meer, sorgst dafür, dass ich ein Auto putzen muss, jagst mich eine Klippe nach unten, belegst mein Bett mit Beschlag und und und"
„Ach ja?", tauchte er unter Caprichos Hals durch und stand damit direkt vor ihr, sie zwischen den beiden Pferden und dem Holzbalken einsperrend, „du kannst mir nicht erzählen, dass außer vielleicht der Wasserdusche, dir nichts davon gefallen hat". Überlegen grinsend und seine Größe ausspielend, schob er sich noch ein Stück dichter an sie heran, nur um dann nachlässig eine weitere halb gelöste Strähne aus ihrem Zopf zu ziehen und damit das Spielen anzufangen.
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Hufspuren im Sand
JugendliteraturEs ist der erste Sommer von vielen, den Maila nur mit Pferden verbringen möchte. Als sie durch ihren Sieg in der Juniorentour eine Einladung für einen dreimonatigen Trainingsaufenthalt im internationalen Ausbildungszentrum eines bekannten Vielseiti...