Bist du es?

Es ist nicht fair

DREI WOCHEN ZUVOR

"Mum, du kannst mich doch hier nicht alleine lassen."

Shelly Higgins saß auf einem Stuhl neben dem Krankenbett ihrer Mutter und hatte den Kopf auf Carols Bauch gelegt.

"Onkel Greg wird immer für dich da sein. Und du hast auch noch Prue."

Prue Tomkins, Shelly's beste Freundin stand am Bettpfosten und kämpfte mit ihren Tränen.

"Aber ich will meine Mum. Ich brauche dich. Wir brauchen dich."

Aus den Augenwinkeln sah Carol, dass Prue zustimmend nickte.

"Nein, ihr braucht mich nicht. Ihr steht schon so lange auf eigenen Beinen und ich bin furchtbar stolz auf euch. Shelly, es gibt da noch etwas, was mir auf dem Herzen liegt. Ich weiß, all die Jahre habe ich mich dagegen gesträubt, aber ich glaube jetzt ist es Zeit. Ich möchte, dass du deinen Vater kennenlernst."

"Er kann dich nicht ersetzen."

"Es soll mich ja auch nicht ersetzen. Verdammt, ich hätte das schon früher machen sollen, aber ich wollte nur sein Bestes."

"Ich weiß Mum. Und du weißt auch, dass ich es nie fair fand, dass du mich verheimlicht hast. Er hatte doch auch ein Recht auf sein Kind."

"Ich wollte seiner Karriere einfach nie im Weg stehen. Er hat einen Job, in dem er viel unterwegs ist und ich dachte, dass da kein Platz für uns wäre. Wir waren damals noch sehr jung. Paul war gerade Einundzwanzig und ich achtzehn. Er hat mich auf Händen getragen und mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen."

"Er heißt Paul? Wow, nach all den Jahren höre ich seinen Namen."

"Als ich schwanger wurde, habe ich mich tierisch gefreut und wollte es ihm eigentlich sofort sagen. Aber zu der Zeit war er schon andauernd unterwegs. Wenn er dann nach Hause kam, war er kaputt und müde und wir sahen uns immer seltener. Dann haben wir uns immer mehr wegen Kleinigkeiten gestritten und so entschloss ich mich dazu, die Beziehung zu beenden. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich in einen anderen verliebt hätte. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion habe ich dann meine Sachen gepackt und bin zu Onkel Greg nach Daytona Beach, um mir ein neues Leben aufzubauen. Ich habe sogar den Nachnamen geändert, nur damit man mich nicht findet."

"Du bist damals schon verrückt gewesen Mum", schluchzte Shelly.

"Ich habe schon alles veranlasst. Mein Anwalt wird sich mit Paul in Verbindung setzen. Versprich mir, dass du ihn treffen wirst."

"Natürlich werde ich ihn treffen, Mum. Es sei denn, er will mich überhaupt sehen."

"Das wird er. Ich kenne Paul."

"Wie heißt er eigentlich weiter?"

"Levescue. Paul Levescue. Und du hast ihn schon oft mit mir zusammen gesehen."

Shelly hob den Kopf und sah ihre Mutter ungläubig an. "Das muss ich jetzt nicht verstehen."

"Paul ist Wrestler von Beruf. Man kennt ihn auch unter dem Namen Triple H."

"Das ist nicht dein Ernst."

Carol lächelte sie an und nickte. Nun verstand die blonde Frau, warum ihre Mutter so oft den Sportsender angeschaltet hatte, wenn Wrestling lief. Immer wieder hatte sie Shelly dazu animiert, mit zuschauen, doch so richtig angetan war sie von diesem komischen Sport nicht gewesen.

"Ja, genau der. Versprich mit, dass du ihm eine Chance gibst und das du ihm keine Vorwürfe machst. Er kann wirklich nichts dafür. Ich weiß, dass er dich genauso lieben wird wie ich. Paul ist der gefühlvollste Mensch, den ich je kennengelernt habe."