"Wie konnte sie nur so dumm sein. Ich verstehe es nicht", schrie der muskulöse Blonde Mann, der noch immer auf den Brief in seiner Hand starrte.
Tränen liefen ihm die Wangen hinab und immer wieder fasste er sich kopfschüttelnd an seinen Schädel. Die brünette Frau, die vor ihm hockte, hatte Mühe ihn zu beruhigen.
"Du weißt doch, wie Carol war. Sie hat immer nur an das Glück von anderen gedacht", schluchzte seine Mutter, eine zierliche Frau mit kurzen braunen Haaren, die ihm gegenüber saß und sich mit einem Taschentuch über die Augen wischte.
Scott Church, Anwalt für Familienrechte, der die Schriftbögen vor sich gründlich studiert hatte, hob jetzt den Kopf.
"Scheint alles seine Richtigkeit zu haben. Wenn du willst, werden wir natürlich noch einen Test machen lassen."
"Ich brauche keinen Test. Ich habe Carol immer vertrauen können. Sie war kein Mensch, der auf Kohle hinaus war. Oder seht ihr das anders. Mum? Verdammt! Warum hat sie nie mit mir geredet."
"Ich sehe es genauso wie du. Carol würde so etwas nie tun. Und du siehst ja, dass sie dir nicht im Wege stehen wollte. Sie hat sich für deine Karriere entschieden."
"Ich wäre auch trotz meiner Karriere für sie dagewesen."
"Junge, ihr beide wart noch so jung", kam jetzt von dem grauhaarigen älterem Mann, der auf einem Sessel am Fenster saß. "Du weißt doch selber, wie oft ihr euch damals schon gestritten habt. Glaubst du, dass es noch lange gut gegangen wäre mit euch?"
"Mag sein, aber deswegen hätte ich sie nicht im Stich gelassen. Und das hätte sie wissen müssen."
"Sie kannte dich genau, mein Sohn." Er klopfte seinem Sohn jetzt mit einem Lächeln auf die Schulter.
Der stand auf, ging zu dem Bücherregal an der Wand und fuhr mit den Fingern über die venezianischen Verzierungen. Die Anwesenden im Raum erschraken, als er jetzt mit der Faust gegen die Wand schlug.
"Verdammt, ich habe über Zwanzig Jahre im Leben meiner Tochter verpasst. Findet ihr das fair?. Was soll ich ihr sagen? Hi, sorry das ich nicht für dich da war, aber ich wusste nicht, dass es dich gibt. Sie muss doch denken, dass ihr Vater totales Arschloch ist, der sie im Stich gelassen hat?"
Sein Anwalt legte eine Hand auf seiner Schulter ab und unterbrach ihn.
"Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe heute mit Carols Onkel Greg gesprochen, der Shelly jetzt beisteht. Shelly hat tatsächlich erst kurz vor dem Tod ihrer Mutter erfahren, dass du ihr Vater bist. Sie wusste immer nur, dass Carol dich verlassen hat. Und Carol hat dich nie im schlechten Licht stehen lassen und immer nur gut von dir geredet."
"Ja, das war meine Carol." Er schniefte kurz und sah auf seine Frau. "Sorry, mein Schatz. Ich rede hier so..."
"Es ist gut Honey. Sie muss wirklich eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein", antwortete sie und legte ihre Hände um seine Taille.
Sanft drückte sie ihm einen Kuss auf den Nacken und sofort spürte sie, wie sein Atem ruhiger wurde.
"Ja, das war sie. Carol hat zuerst immer nur an andere gedacht, nie an sich selbst. Stimmt's Mum?"
"Es stimmt. Carol war wirklich eine außergewöhnliche Person", antwortete seine Mutter Patricia, der noch immer die Tränen über die Wange liefen.
Noch einmal hob er das Papier vor sich hoch und schluckte.
Hallo, mein Champ,
du wirst dich sicher wundern, warum du jetzt nach all den Jahren von mir hörst. Zuerst einmal möchte ich dir sagen, dass es mir leid tut, weil ich damals so Hals über Kopf verschwunden bin. Champ, ich bin damals nicht gegangen, weil ich mich in einen anderen verliebt habe. Ich habe dich angelogen, weil ich keinen anderen Weg gesehen habe, denn ich wusste, dass du mich gebeten hättest zu bleiben. Doch ich wollte deiner Karriere nicht im Wege stehen. Und wie ich sehe, war meine Entscheidung vollkommen richtig. Du bist deinen Weg erfolgreich gegangen. Ich habe dein Leben natürlich im Fernsehen verfolgen können und bin furchtbar stolz auf dich. Du hast im Beruf und im Leben alles erreicht, was man erreichen kann. Und du hast deine wunderbare Familie, die dich sicher so liebt, wie ich dich einst geliebt habe.
Champ, den wahren Grund meines Weggehens siehst du auf dem beiliegenden Bild. Das ist unsere Tochter. Ja, du liest richtig. Deine Tochter Shelly. Ich muss gerade ein wenig lachen, denn ich kann mir dein verdutztes Gesicht genau vorstellen.
Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, war ich der Glücklichste Mensch auf der Welt. Ich wollte dir eigentlich sofort erzählen, dass wir ein Kind erwarten, doch am selben Tag kamst du mit dem Vertrag, der dir sämtliche Türen geöffnet hat und ich wusste, dass du diesen sofort zerrissen hättest. Denn ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der so pflichtbewusst ist, wie du. Du hättest alles aufs Spiel gesetzt für dieses Kind.
Aber ich konnte diese Bürde nicht tragen und hätte mir ein Leben lang Vorwürfe gemacht. Ich weiß, dass ich dir deine Tochter entzogen habe und ich entschuldige mich hiermit bei dir. Mein Champ, ich würde dir dies alles gerne selber sagen, doch meine Zeit hier ist abgelaufen. Wenn du diese Zeilen liest, werde ich nicht mehr hier sein.
Es tut mir leid, dass unsere Tochter erst jetzt deinen Namen erfahren wird. Jahrelang habe ich geschwiegen, obwohl ich wusste das es falsch war. Aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Ich hoffe, dass du ihr die Chance gibst, dich kennenzulernen, denn sie hat es verdient. Wie oft habe ich nachts geweint und den Entschluss gefasst dich aufzusuchen, weil du ein Recht auf deine Tochter hast. Doch dann hat mich immer der Mut verlassen und ich habe an deine Frau und deine Kinder gedacht. Es sollte nicht so aussehen, als würden wir uns in euer Leben drängen wollen.
Doch jetzt muss ich es einfach tun. Shelly hat nur noch meinen Onkel Greg und ihre Freundin Prue, die ihr beistehen. Greg ist nicht mehr der Jüngste und hat es nach vielen Einreden geschafft, dass ich den Schritt endlich wage.
Ich hoffe, du wirst mir irgendwann verzeihen können.
In Liebe deine Carol
Erneut wischte er sich die Tränen aus den Augen.
"Wirst du hingehen?" Seine Frau fuhr mit den Fingern seine Wange entlang.
"Natürlich werde ich das. Ich bin es ihr schuldig. Wirst du mich begleiten?"
"Sicher, mein Schatz."
Stephanie Levescue küsste ihren Mann Paul sanft eine Träne von der Wange.
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Bist du es?
FanfictionShellys Leben gerät von heute auf morgen total aus den Fugen. Nach über zwanzig Jahren lernt sie ihren Vater und ein völlig neues Leben kennen. Charaktere: Shelly Higgins (OC), Prue Tomkins (OC), Paul Levescue, Stephanie Levescue, Jon Good, Randy...