Kapitel 1

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Ich betrat das Schmuckgeschäft und bewegte mich schlendernd durch die Reihen von Vitrinen. Durch die eleganten Ballerina´s, die enge Jeans, die dunkel blaue Bluse und die riesige Designer-Sonnenbrille (alles ein Luxus den ich mir normalerweise nicht leisten konnte) wirkte ich wie eine Tochter aus reichem Haus – Absicht. Eigentlich war ich alles andere als reich – genauer gesagt konnte ich mir das nicht mal vorstellen. Ich lebte, seitdem ich mit sieben aus einem Waisenheim abgehauen war, bei einer Organisation, die mich und andere Kids als … naja Verbrecher ausbildete. Wir lebten auf engem Raum in einer kleinen „Stadt“ im Untergrund Londons, bekamen normalen Unterricht wie andere Kinder auch, aber nebenbei wurden uns halt auch Kampftechniken und der Umgang mit Waffen beigebracht. Ich war jetzt achtzehn und kannte gar kein anderes Leben als dieses, und konnte mir auch nicht vorstellen das der reichen Göre, die ich vorgab zu sein, zu leben und die jetzt erhobenen Hauptes den teuren Schmuck musterte. Zum Glück konnte man die schusssichere Weste und den Revolver in meiner Handtasche nicht sehen. Komischerweise machte mich mein Outfit – beziehungsweise mein tiefer Ausschnitt – nervöser, als die Pistole.

Eine gefälschte Kette klimperte an meinem Hals und die dazugehörigen Ohrringe besaß ich auch. In meinen Kreisen war es ein Privileg sich Ohrlöcher stechen lassen zu dürfen. Ich bekam sie als kleines Geschenk vor zwei Jahren weil ich meinen Abschluss – in allen, auch den brutaleren, Kategorien – mit Bravur gemeistert hatte.

Ich gehörte heute zum Späher- und Räum-Team, weshalb meine erste Aufgabe war die angebotene Ware „interessiert“ zu mustern, wobei ich besonders die Preise, der Karat der hübschen Steinchen und die Art wie sie unter Verschluss standen interessierten.

Bis auf ein älteres Ehepaar, das sich von einer Barbie-ähnlichen Verkäuferin beraten ließ, und einem blonden Typen, der sich ein paar Halsketten genauer ansah, war das Geschäft leer. Ich schlenderte  in die Richtung des Blondchens, denn er wäre derjenige, der bei der Mission im Weg sein könnte.

„Ist das nicht ein bisschen zu kitschig?“, murmelte er gerade. Führte er etwa Selbstgespräche? Ha, wie süß. Okay, der würde wahrscheinlich nicht stören.

„Nee, das Herz ist mir zu dämlich und sie wird es bestimmt auch nicht mögen … jaja romantisch schon, aber du weißt ja das sie´s nicht so damit hat … nee, nee, das Herz auf jeden Fall nicht.“ Er verstummte kurz und stöhnte dann genervt auf. „Boah, Harry! Halt die Klappe! Du hilfst mir gerad echt nicht weiter!“ Harry? Redete er von sich selber in der dritten Person? Oh! Erst jetzt sah ich, dass er sich ein Handy ans Ohr hielt. Ich grinste. Jungs, die sich beim Kaufen von Geschenken für ihre Freundinnen von ihren Kumpels beraten ließen waren ja echt zum Totlachen. Und ziemlich niedlich musste ich zugeben. Er raufte sich verzweifelt seine kurzen blonden Haare und öffnete den Mund, aber sein Blick fiel auf mich und eine zweite Barbie, die mich anquatschte.

„Kann ich ihnen vielleicht helfen?“, fragte sie und lächelte übertrieben hilfsbereit. Ich drückte den Alarm an meiner gefälschten Uhr. „Ja, allerdings.“

Mein Lächeln kam mir gekünstelt vor, aber sie viel drauf rein und folgte mir in Richtung Tresen. Das Ehepaar war inzwischen gegangen und die erste Barbie wollte sich gerade dem blonden Typen zuwenden, als Bastian, BJ genannt (kurz für Boss Junior), mit seiner viermannstarken und mit Skimasken vermummten Sturmtruppe herein kam und zwei von ihnen ihre Waffen zückten. Ich hielt meine an die Schläfe der zweiten Barbie und grinste fies.

„Vitrinen aufschließen!“, blaffte BJ und folgte der ersten Barbie, die hastig die Schlüssel gezückt hatte. Sie begann alle der Reihe nach aufzuschließen und die Sturmtruppe machte sich als Räum-Team nützlich. Der Schmuck wurde schnell von dreien in die Rucksäcke gefüllt, während ich und BJ die Barbies bewachten. Clarissa, ebenfalls eine aus dem Untergrund, bewachte den Eingang und vor der Tür wartete unser Van. Ich wurde ungeduldig. Die eine Barbie heulte und weigerte sich weiter aufzuschließen. Dennis, einer der Stürmer, nahm Barbie zwei in den Schwitzkasten, ich entwand Barbie eins den Schlüssel und schloss die letzten Vitrinen auf. Nebenbei checkte ich die Lage: Die Barbies wimmerten erbärmlich vor sich hin und der blonde Typ kauerte geschockt neben der Vitrine mit den Halsketten, als ich diese aufschloss und den Inhalt in einen Rucksack füllte. Seine hübschen blauen Augen waren weit aufgerissen.

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