Nach vier Stunden war A'kebur so ruhig wie ein Vulkanier und genauso gefühllos. Es war nicht selten die einzige Möglichkeit, sich in sich selbst zurückzuziehen. Und hier, inmitten kontrollierter, gefühlskalter Vulkanier, würde es umso wichtiger sein, dass er seine Emotionen beiseiteschob, damit sie ihn nicht ablenkten. A'kebur stand auf, fragte den Computer nach dem kürzesten Weg zum Maschinenraum und machte sich auf den Weg.
Es war ein anderes Gefühl, sich hier auf den sehr viel schmaleren Gängen zu bewegen, als auf denen der Station. Diese war zwar nicht groß, aber immer noch sehr viel größer als die Sovk. Er hatte nicht sehr viele Möglichkeiten, sich zu verlaufen, wenn er dazu eine Neigung gehabt und nicht vorab genau die Pläne des Schiffes studiert hätte.
"Ma'am", grüßte er, als er sich im Maschinenraum eingefunden hatte und dort Lieutenant T'Kash traf.
Diese nickte ihm zu. "Fähnrich A'kebur. Insgesamt arbeiten noch sieben Crew-Mitglieder ständig in meiner Station", begann sie ihn sofort mit seinen neuen Aufgaben vertraut zu machen. "Es gibt drei Schichten mit vier Besatzungsmitgliedern. Vier weitere Mitglieder der übrigen Crew übernehmen in Rotation eine Schicht im Maschinenraum. Es ist Routine auf diesem Schiff, auch andere Stationen bedienen zu können, um die Funktionen des Schiffes aufrecht zu erhalten. Ich erwarte reibungslose Kooperation. Auch Sie werden auf anderen Stationen eingesetzt werden. Laut Ihrer Akte haben Sie bisher hauptsächlich auf Raumstationen gedient. Ich hoffe, Sie wissen noch, wie ein Warpantrieb funktioniert."
Wenn A'kebur es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er behauptet, sie wollte ihn beleidigen. Er schluckte eine scharfe Erwiderung hinunter und nickte. "Ja, Ma'am. Ich bin dafür qualifiziert."
"Gut. Haben Sie sich mit den Spezifikationen der Sovk bereits vertraut gemacht?", fragte die Chefingenieurin weiter.
"Ja, Ma'am. Die Sovk hat eine Höchstgeschwindigkeit von Warp 6,2 und ist damit das schnellste Schiff seiner Klasse. Es ist ein wissenschaftliches Schiff mit voller Standard-Bewaffnung. Besatzungsstärke: vierundsechzig Crew-Mitglieder von fünf Rassen. Vor zwei Jahren wurde die Sovk in Dienst genommen. Letzte Vollinspektion vor fünf Monaten. Keine Beanstandung."
T'Kash nickte zufrieden. "Die Besonderheiten des Antriebs und insbesondere der Schilde entnehmen Sie bitte dem Computer; ich erwarte, dass Sie bis morgen darüber Bescheid wissen. Folgen Sie mir zum Materie-Wandler." Sie drehte sich um und durchquerte den Maschinenraum bis zu der pulsierenden Lichtsäule des Warp-Antriebs in der Mitte.
Ein paar der dort Arbeitenden sahen neugierig auf, aber die Vulkanier unter ihnen würdigten A'kebur keines Blickes, was aber eher an ihrer Art denn an ihm lag. A'kebur versuchte es ihnen gleich zu tun.
Er betrachtete die Anzeigen des Wandlers. Nach seinem Wissen waren alle Werte normal. Sie entsprachen exakt den Einstellungen des Handbuches.
"Ich möchte, dass Sie einen Wartungstest Stufe 3 an den Plasmareaktoren des Antriebes vornehmen", erklärte die Chefingenieurin, und obwohl ihr Ton völlig neutral war, kam A'kebur nicht umhin zu vermuten, dass etwas Amüsement mitschwang. "Bringen Sie mir die Ergebnisse in 1,2 Stunden."
A'kebur erklärte, dass er verstanden hatte. Daraufhin ließ ihn T'Kash allein. Er ging streng nach Handbuch vor. Das hier war eindeutig mehr als nur ein Test. Vielleicht glaubte die Chefingenieurin nicht, dass die Beurteilungen richtig waren. A'kebur untersuchte jeden Parameter, nahm die Konsole auseinander. Er brauchte exakt 1,2 Stunden, dann hatte er den Wartungstest Stufe 3 beendet.
"Sind Sie fertig, Fähnrich?" T'Kash erschien unvermittelt neben A'kebur und blickte ihn an.
"Ja, Ma'am, alles funktioniert innerhalb normaler Parameter. Hier sind meine Ergebnisse", übergab dieser ihr seinen Tricorder.
Es war eine mühsame und langwierige Arbeit gewesen, aber er hatte winzige Schwankungen in den Reaktoren feststellen können. Sie waren zu unbedeutend, um die Leistung zu beeinträchtigen, aber sie waren vorhanden. Außerdem hätte man diese Abweichungen leicht übersehen können, wenn man auch nur einen Hauch weniger sorgfältig gewesen wäre.
Sie sah sich die Daten an, hob eine Augenbraue, sagte aber nichts dazu. Dann gab sie ihm das Gerät zurück. "Gehen Sie bis auf weiteres Lieutenant Parr und Fähnrich Donovan bei den EPS-Leitern zur Hand." Sie deutete auf einen jungen Vulkanier und eine menschliche Frau ein Stockwerk höher. "Gute Arbeit, Fähnrich", setzte sie unvermittelt hinzu.
A'kebur blieb stehen und blickte sie verwirrt an. Dann ermahnte er sich und sah sich nach den genannten Crew-Mitgliedern um. Sie wirkten abwartend und eindeutig neugierig. A'kebur trat näher. "Hallo", grüßte er kurz angebunden. Er konnte sich nicht dazu durchringen, den Vulkanier, der genauso groß war wie er und ihm damit auf gleicher Höhe in die Augen schaute, diesen mit dem traditionellen vulkanischen Gruß zu begrüßen. Diese Schwelle war noch immer zu hoch, als dass er sie überwinden konnte.
"Willkommen, Fähnrich", grüßte Lieutenant Parr auf vulkanisch steife Art zurück, schien aber nicht unfreundlich. Fähnrich Donovan strahlte A'kebur mit großen grünen Augen an. "Auch von mir herzlich willkommen. Ich hoffe, es wird Ihnen auf dem Schiff gefallen", begrüßte sie ihn mit einer sehr jung klingenden Stimme. "Wir können hier Hilfe gut gebrauchen."
"Das Schiff ist doch bis auf diese Stelle voll besetzt", meinte A'kebur. "Es besteht auch keine Gefahr und nach den Berichten ist auch nichts Nennenswertes passiert in den letzten zwei Monaten. Warum ist meine Hilfe denn so dringend?" Er wirkte etwas ratlos. Seiner Meinung nach, war es auch möglich, ohne diese Stelle einige Zeit den normalen Betrieb aufrecht zu erhalten. Natürlich war es nicht empfehlenswert, die Besatzung auf einer niedrigen Anzahl zu halten. Es kam auf Missionen immer wieder auch zu Todesfällen. Die Arbeit musste zudem gut verteilt bleiben, um die Moral der Besatzung nicht allzu sehr zu belasten. Doch zwei Monate dürften nicht das Problem sein. Dennoch wirkte Fähnrich Donovan wirklich erleichtert.
"Nun...", die junge Frau warf einen nervösen Blick hinunter zu ihrer Vorgesetzten T'Kash, die sich gerade wieder anderen Arbeiten widmete, "es ist einiges liegengeblieben, und unsere Chefingenieurin erwartet, dass alles 110 Prozent tipptopp läuft."
"Alles andere wäre auch inakzeptabel und überdies unlogisch", erklärte Lieutenant Parr und warf seiner Kollegin einen Blick zu, den A'kebur normalerweise als entweder genervt oder nachsichtig eingestuft hätte.
Für sich nahm er nicht unbedingt an, dass wirklich etwas liegen geblieben war. Aber für einen Vulkanier schon. Menschen waren da doch anders. Er sah von Parr zu Donovan. "Ich werde sehen, wo ich helfen kann. Wobei kann ich ihnen jetzt zur Hand gehen?"
Fähnrich Donovan lächelte ihn wieder an. "Also, wenn Sie sich mal die Leitungen hier in Sektion C Alpha ansehen könnten ..."
Den Rest seiner Schicht verbrachte A'kebur damit, in diversen Jeffries-Röhren herumzukriechen und nach defekten Lichtleitern zu suchen, etwas, das er die Hälfte seiner Zeit auf Deeps Space 13 getan hatte. Aber dafür kannte er sich damit auch aus wie kaum ein anderer.
Am Ende der Schicht waren sie zu dritt endlich fertig mit der Sektion. Donovan schwor, dass sie noch einen weiteren Tag ohne ihn gebraucht hätte.
"12 Stunden und 43 Minuten", präzisierte Lieutenant Parr.
A'kebur fragte sich, wie er das berechnen konnte. Aber auf etwa 13 Stunden war er auch gekommen. Jedenfalls war Chefingenieurin T'Kash sichtlich zufrieden. "Ich habe Ihren zukünftigen Dienstplan aufgestellt", teilte sie A'kebur am Ende der Schicht mit. "Prägen Sie ihn sich ein. Sie werden in Zukunft weiter mit Parr und Donovan zusammenarbeiten." Ohne weitere Worte verschwand sie wieder.
Fähnrich Donovan grinste. "So ist sie eben", meinte sie leise, als die Vulkanierin außer Hörweite war. "Bis morgen!", verabschiedete die junge Frau sich. Parr nickte A'kebur nur zu.
Damit war er wieder allein. Er wusste, dass es hier keine Bar gab. Damit hatte er auch keine Ahnung, wie er den Abend verbringen sollte. Denn heute war ihm danach, ein gutes Ale zu trinken. Das Problem war jedoch, dass es so etwas hier nicht gab.
A'kebur ballte seine Hände zu Fäuste. Er musste etwas tun.
Aber soweit er wusste, gab es nicht viele Optionen. Die Sovk hatte nur ein ziemlich kleines Holodeck, dessen Benutzung vermutlich streng eingeteilt war, ein paar Entspannungsräume und ein Trainingszentrum. Beides klang nicht sonderlich verlockend im Moment.
A'kebur verließ den Maschinenraum, auch wenn er nicht wusste, wohin er eigentlich gehen wollte. Erst, als etwas mit einem "Uff"-Geräusch gegen ihn prallte, achtete er wieder auf das, was sich vor ihm tat. Eine zierliche Andorianerin stand vor ihm, die Arme vollbeladen mit einem Container der medizinischen Station, weswegen sie auch nicht hatte sehen können, mit wem sie zusammengestoßen war.
Ihre Fühler zitterten und ihre weißen Haare waren durcheinander. A'kebur griff reflexartig zu, damit der Container nicht doch einen Kontakt mit dem Boden aufnahm. "Haben Sie den Container wieder?", fragte A'kebur etwas aufgebracht. Warum war ihm sie so heftig in die Seite gefahren? Auf der Station hätte man ausweichen können. Hier aber war das nicht so gut möglich.
Die junge Frau gab etwas von sich, das A'kebur überrascht als einen der übleren andorianischen Flüche erkannte. "Ja, geht schon, danke", erklärte sie und stellte die sperrige Kiste kurzerhand ab, um sich über die Stirn zu wischen. Erst dann sah sie überhaupt, mit wem sie zusammengestoßen war. "Oh, Sie sind der Neue, oder? Ich habe Ihre medizinische Akte für Doktor Alario durchgesehen. Willkommen an Bord."
"Meine medizinische Akte?", echote A'kebur.
"Sicher. Bei einem Transfer wird sie automatisch weitergereicht, um über chronische Krankheiten, Allergien und so weiter gleich Bescheid zu wissen." Die Fühler der Andorianerin stellten sich neugierig auf. "Das ist Standardprozedur."
"Sie sind die Ärztin. Entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht erkannt habe." A'kebur wusste plötzlich nicht, wer sie war. Er fühlte sich etwas merkwürdig. Unsicher schüttelte er den Kopf. "Ich werde mein Quartier aufsuchen", erklärte er.
"Sicher doch. Und nein, ich bin nicht DIE Ärztin, nur die Assistentin, Lieutenant Shana." Die Andorianerin zuckte wieder mit den Fühlern und runzelte dann die Stirn. "Geht es ihnen gut?"
"Mir geht es gut!" A'kebur lächelte etwas verzerrt. Menschen ließen sich davon abschrecken. Klingonen wirkten auch ohne scharfe Zähne abschreckend. Außerdem fragte dann niemand mehr nach. "Ich habe jetzt meine Erholungsschicht."
Doch Lieutenant Shana wirkte nicht im Geringsten eingeschüchtert. Andorianer waren zwar klein und zierlich im Vergleich zu Klingonen, aber das Leben auf einem Planeten des ewigen Eises und ein jahrhundertelanger Kampf gegen andere Rassen vor Eintritt in die Föderation hatte aus ihrer Rasse ein Volk gemacht, mit dem im Ernstfall nicht zu scherzen war.
"Falls Sie möchten, ich glaube, das Holodeck ist gerade frei", meinte sie. "Sicher war der erste Tag hier recht anstrengend."
"Mir geht es gut, Ma'am. Ich bin vollkommen gesund. Danke für den Hinweis."
Shana legte zweifelnd den Kopf schief, sodass ihre weißen Haare über die Schulter fielen und hob den Container mit einem kleinen Ächzen wieder auf. "Nennen Sie mich Shana. Wir sind beide nicht im Dienst", schnaufte sie. "Viel Spaß auf dem Holodeck!"
A'kebur sah ihr erstaunt nach. Mit einem inneren Seufzer wandte er sich in die Richtung, wo er die Holosuite wusste. Vielleicht war das doch keine schlechte Idee. Er fragte sich, während er den Weg suchte, warum seine Wand wieder Risse bekommen hatte. Bisher hatte er es immer geschafft, mit der Meditation jeden Nichttelepathen auf Abstand zu halten. Vielleicht war es ja die Anspannung der letzten Tage gewesen. Nach seinem Plan musste er sich sowieso noch auf der Krankenstation melden.
Das Holodeck war schnell erreicht, und wie die Andorianerin gesagt hatte, benutzte es im Augenblick niemand. A'kebur trat ein, überlegte einen Augenblick und programmierte dann die gewünschte Umgebung.
Er nahm eine Kampfsimulation. So konnte er am besten den Druck loswerden. Sich ganz in einem Kampf zu verlieren, war perfekt. Er wählte einen klingonischen Krieger und einen Kampf mit einem Bat'leth. Die nächste Stunde kämpfte er, als ginge es um sein Leben. Er fühlte sich großartig und der Schweiß ließ ihn wie frisch gebadet wirken.
Die Simulation war darauf eingestellt, ein Unentschieden herbeizuführen, und so war der Kampf erst beendet, als A'kebur es dem Computer befahl. Er hatte das Gefühl, solch einen erfrischenden Kampf schon lange nicht mehr gemacht zu haben. Auf Deep Space 13 hatte er die Holodecks immer seltener aufgesucht.
Der Grund lag durchaus in den eher negativen Erinnerungen. Dabei war es unlogisch. A'kebur lächelte freudlos. Jetzt dachte er schon wie ein Vulkanier. Besser er beendete den heutigen Tag und ging zu Bett.
Am nächsten Tag suchte A'kebur die Krankenstation auf. Lieutenant Shana schien ihn schon erwartet zu haben. A'kebur hatte ihren Namen in der Datenbank gefunden. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass alle Rassen auf diesem Schiff von warmen Planeten kamen. Die einzige Ausnahme kannte er bis gestern nicht. Aber dennoch waren es, wie er am gestrigen Tag schon gesagt hatte, fünf Rassen an Bord des Schiffes. Und eine war eine Andorianerin - die einzige ihrer Art an Bord.
Wie er das hatte übersehen können, wusste er nicht, bis ihm eingefallen war, dass die Daten etwa ein Dreivierteljahr alt waren, die sich in der Datenbank der Station befunden hatten. Ein Datenabgleich hatte es erst nach den Tagen gegeben, wo er alles nachgelesen hatte.
Aber er war wegen seiner Arbeit nicht mehr dazu gekommen, alle Informationen nachzulesen, die neu waren. Er hatte sich mehr auf die technischen Spezifikationen konzentriert. Was ihn aber nach dieser Erkenntnis mehr beschäftigte, war, dass Andorianer, die ja von einem Eisplaneten kamen, sich für ein vulkanisch geführtes Schiff interessierten, von dem bekannt war, dass es dort wesentlich wärmer zuging. Sie musste sich sehr stark angepasst haben. Dafür konnte man sie bewundern.
"Ich melde mich zur Untersuchung", erklärte A'kebur, als er die Krankenstation betrat. Außer ihm war nur Shana, die Arztassistentin, anwesend.
Die Andorianerin lächelte prompt, als sie seiner ansichtig wurde. "Das ging aber schnell. Sie wirkten eher wie jemand, der die Krankenstation tunlichst meidet. Wenn Sie sich hinlegen würden? Die Untersuchung ist bloß Routine, da wir ja Ihre Akte haben."
A'kebur legte sich auf die Diagnoseliege. "Es ist eben Routine", erklärte er. "Worin liegt der Sinn, es hinauszuschieben?"
Shana zuckte nur mit den Fühlern, was wohl bei ihr das Äquivalent eines Schulterzuckens war, griff nach dem medizinischen Scanner und hielt ihn über A'keburs Kopf. Für Momente war nur das leise Piepen des Gerätes zu hören, dann meinte die Andorianerin unvermittelt: "Maggie Donovan und ich haben uns gefragt, ob Sie vielleicht Lust hätten, unsere Pokerrunde zu ergänzen. Wir spielen heute Abend wieder."
"Poker?"
"Sie wissen schon, das Kartenspiel. Außer Maggie und mir sind noch Michaels von der Wissenschaft und Nagano von der Sicherheit dabei. Keiner von ihnen beißt." Shanas Fühler zuckten, als sie schmunzelte. "Wir treffen uns um 20 Uhr im Erholungsraum 3."
"Sie wollen mit mir Karten spielen?" A'kebur konnte nicht verhindern, dass sein Staunen ihm anzusehen war. "Ich kann keine Karten spielen. Vielleicht sollten Sie jemanden anderes fragen."
"Poker ist einfach zu lernen. Außerdem soll es Spaß machen, es geht weniger ums Gewinnen. Auch wenn Nagano das gerne anders sieht." Shana grinste wieder. "Die Vulkanier hier an Bord halten das Spiel entweder für unlogisch oder betrachten es als Zeitverschwendung, aber es ist eigentlich sehr gut, um etwas über andere herauszufinden."
"Und was wollen Sie über mich herausfinden?"
"Alles, was Sie mir nicht erzählen", gab Shana schlicht und gerade heraus zurück. "Sie scheinen sehr interessant zu sein. Die Vulkanier sind hier ziemlich verschlossen, und die rosahäutigen Menschen meist viel zu leicht zu durchschauen."
A'kebur riss die Augen auf. Noch niemand hatte in seiner Gegenwart Menschen als rosahäutig genannt. "Ich bin nicht interessant", wehrte er noch rechtzeitig genug ab, um nicht eine zu große Pause entstehen zu lassen. "Ich weiß nicht, was Sie von mir wissen wollen. Aber warum fragen Sie nicht einfach?"
Shanas Fühler zuckten wieder. "Vermutlich würden Sie mir nicht antworten oder ärgerlich werden. Ich habe ja gesehen, wie Sie reagiert haben, als ich sagte, ich habe Ihre medizinische Akte. Und zwar inklusive Commander Noraks Bericht."
A'kebur schnellte von der Liege hoch. Deutlich war ein grüner Schimmer auf seinen Wangen zu sehen. "Das hätte er nicht tun dürfen", knurrte er.
"Es war seine Pflicht", gab Shana seelenruhig zurück und drückte mit ihren kleinen Händen gegen A'keburs Brust, um ihn wieder zum Hinlegen zu bewegen. "Außerdem werden medizinische Berichte absolut vertraulich behandelt, keine Sorge."
"Ich bin in Ordnung. Was hat er geschrieben?"
Shana drehte sich zum Computerterminal um, tippte etwas ein und reichte A'kebur dann ein Datenpad. "Hier. Es schadet ja nichts, wenn Sie es selber sehen."
Während sie weiter die Untersuchung durchführte, las A'kebur den Bericht durch. Es stand darin, dass er Telepath war und sich noch in der Ausbildung befand. "Warum hat man mich dennoch genommen?", fragte er.
Shana sah ihn an. "Ich denke, weil Ihre Referenzen ausgezeichnet sind. Ich habe nicht viel mit der technischen Abteilung zu tun, aber Commander T'Kash nimmt nur die Besten. Außerdem ist Telepathie doch keine Krankheit."
"Nein, aber ich kann es noch nicht kontrollieren. Und hier sind alles perfekte Vulkanier." A'kebur setzte sich auf und reichte Shana das Pad. "Warum sollten sie einen unvollkommenen Mischling an Bord holen, der nicht einmal die Grundzüge dessen beherrscht, was ein Schüler auf Vulkan kann?"
"Vulkanier und perfekt?" Die Andorianerin gab ein knurrendes Geräusch von sich, was man ihrer Gestalt nach weniger vermutet hätte, und legte die Fühler an. "Na, das wüsste ich aber. Sie tun gerne so überlegen und kühl, aber manchmal wissen sie einfach nicht, worauf es ankommt. Ich wollte um keinen Preis einer von ihnen sein. Außerdem sollten Sie wissen, dass nur eine Minderheit von Vulkaniern überhaupt Telepathen sind. Und jahrelang hat man in ihrer Gesellschaft Gedankenverschmelzung als etwas Schmutziges betrachtet, wussten Sie das? Das ist kaum 200 Jahre her."
A'kebur legte den Kopf schief und wirkte kaum noch klingonisch. Aber dafür überaus neugierig.
"Warum wurde es als etwas Schmutziges angesehen? Und nein, ich wusste nicht, dass es nur eine Minderheit ist, die Telepathen sind. Ich dachte immer, es sind alle bis auf ein paar Ausnahmen."
Shana lächelte wieder. "Dann schlage ich vor, Sie lesen ein bisschen in den Datenbanken nach. Die hiesige Datenbank ist ziemlich vollständig, was Vulkanier und ihre Kultur angeht. Es gibt da kaum etwas, worauf die Vulkanier stolz sind, deswegen würden sie es nie freiwillig erzählen - außer sie können es einem Computer anvertrauen, der nicht mit denen der Föderation verbunden ist. Vermutlich dachten sie wohl, ein so enger geistiger Kontakt mit einem anderen Lebewesen käme, ich weiß nicht, einem Sexualakt gleich. Und das ist nun etwas, womit die Vulkanier noch weniger klarkommen. Ein bisschen Geheimniskrämerei ist da wohl ziemlich verständlich."
Shana sah etwas erstaunt nach oben, da A'keburs Puls nach oben schnellte, als sie die Sichtweise der Vulkanier über Gedankenverschmelzung erklärt hatte. Seine Lippen bewegten sich, als wollte er etwas sagen. Tat es dann jedoch nicht. "Danke, Ma'am", murmelte A'kebur etwas steif. "Sie haben mir geholfen."
Shana zuckte mit den Fühlern. "Na ja, wenn Sie meinen. Und bitte nennen Sie mich nicht Ma'am, da komme ich mir vor, als wäre ich hundert Jahre alt." Der medizinische Scanner piepte noch einmal, und Shana schaltete ihn aus. "So, fertig. Alles in bester Ordnung mit Ihnen, aber das wussten wir ja schon vorher. Und, kommen Sie heute Abend zum Pokern?"
"Ich komme zum Pokern", entschied A'kebur kurzentschlossen. Vielleicht erfuhr er ja auch umgekehrt einige Sachen, die nicht in den Datenbanken standen. Er hatte wirklich viel recherchiert seit Etiennes Verschwinden. Trotzdem hatte er sich nicht getraut, genauer wegen seiner vulkanischen Familie nachzuforschen.
Er hatte auch einige Zeit mit dem Gedanken gespielt, seine Familie auf Vulkan ausfindig zu machen. Es war einfach mittels dem Namen seiner Mutter und seinen Genen. Aber trotzdem hatte er eher Angst davor. Vielleicht brauchte er noch mehr Zeit. Akzeptanz gehörte nicht zu seinen Wesenszügen. Shana wusste davon wenig, auch wenn sie sensibel genug war, bestimmte Dinge zu bemerken, ohne sie jedoch anzusprechen.
"Sie kommen? Klasse. Es wird Ihnen bestimmt Spaß machen. 20 Uhr, nicht vergessen. So, Sie sind entlassen." Shana trat zur Seite, damit A'kebur aufstehen konnte.
"Ich werde die Regeln für Poker nachlesen", bekannte dieser. "Dann halte ich das Spiel nicht auf." Er blieb unschlüssig stehen und sah zu, wie Shana den Tricorder wieder verstaute. Er gab sich einen mentalen Schups. "Ma'am, ähm, Lieutenant Shana, ich habe noch ein kleines Problem."
"Oh!" Sie schien sofort zu verstehen. "Nun, ich habe leider wenig Erfahrung mit solchen Dingen, aber vielleicht sollten Sie einen der Vulkanier hier an Bord um Unterstützung bitten. Wie ich schon sagte, sind nicht alle Telepathen, aber zum Beispiel Captain Lakon. Wenn ich mich recht erinnere, hat Commander Norak bei ihm für Sie gesprochen." Shana lächelte verschmitzt.
"Ich soll den Captain fragen? Ich denke, er hat genug zu tun. Wäre nicht ein anderer Vulkanier dazu in der Lage?", fragte A'kebur. Er konnte nicht glauben, dass der Captain eines Schiffes sich eines kleinen Fähnrichs annahm, um ihn die Grundlektionen der Telepathie zu lehren. Das anzunehmen, war unsinnig.
"Nun, der Captain hat sich bisher immer die Zeit genommen, wenn ein Besatzungsmitglied mit ihm sprechen wollte. Und da wir so etwas wie einen Schiffscounselor nicht haben, zu dem ich Sie sonst geschickt hätte, sehe ich nicht viele Alternativen. Außerdem ist Captain Lakon weitaus umgänglicher als manch anderes Spitzohr hier an Bord." Shanas Fühler zuckten belustigt.
A'kebur hatte das Gefühl, dass, wenn spitze Ohren bei Klingonen normal gewesen wäre, Shana filetiert worden wäre für diese Worte. Er nickte jedoch nur. Er selbst hatte spitze Ohren, trotzdem fühlte er sich nicht als Vulkanier und damit auch nicht angesprochen. Er war einfach kein Spitzohr. "Ich werde ihn fragen", erklärte er seine Bereitschaft, es zumindest zu versuchen. Er schätzte jedoch nicht, dass Captain Lakon sich wirklich mit ihm abgeben würde.
"Tun Sie das. Bis heute Abend also!"
"Bist heute Abend." A'kebur hatte noch Freischicht. Ein Blick in den Computer zeigte ihm, dass der Captain auch frei hatte. Es war also klug, ihn jetzt aufzusuchen. Besser war es wohl, wenn er sich schon jetzt eine Absage holte.
Aber vielleicht konnte ihm der Captain sagen, wer ihm helfen würde. Es war A'kebur unangenehm, überhaupt fragen zu müssen. Kein Klingone musste sich so demütigen. A'kebur presste die Zähne aufeinander. Ehe ihn weitere Zweifel überkamen, tippte er gegen seinen Kommunikator. "Captain Lakon, Fähnrich A'kebur. Darf ich Sie stören?"
Einen kurzen Moment herrschte Schweigen, und A'kebur glaubte schon fast, der Captain ignorierte ihn, oder schlimmer noch, fühlte sich gestört. Doch dann erklang die typisch kühle, neutrale Stimme eines Vulkaniers. "Natürlich. Worum geht es?"
"Es ist ... es ist etwas Persönliches. Es eilt nicht. Wenn ich störe, dann geht es auch später, Captain."
"Sie stören mich nicht. Aber vielleicht sollten wir das persönlich besprechen. Bitte kommen Sie doch in meinen Bereitschaftsraum, ich werde in fünf Minuten dort sein." Damit war die Com-Verbindung auch schon unterbrochen.
A'kebur machte sich auf den Weg in den Bereitschaftsraum. Mittlerweile hatte er jetzt alle Bereiche des Schiffes im Kopf, selbst die im Zweifel weniger mit seiner Arbeit zu tunhatten. Wie ein Hologramm konnte er im Geiste jeden Ort erreichen. Er nahm den Aufzug und wechselte die Ebene. Dann nahm er den Gang gerade aus und gelangte dort zur Brücke, wo er den Bereitschaftsraum erreichte. Niemand beachtete ihn sonderlich.
Der Captain war schon da und saß hinter seinem Schreibtisch über ein Datenpad gebeugt, als A'kebur nach einem kurzen Piepen an der Tür und der darauffolgenden Bestätigung eintrat. A'kebur war nicht wenig überrascht, als Captain Lakon aufsah: Obwohl dieser zweifelsfrei ein Vulkanier war, hatte er blaue Augen. Genau wie A'kebur selbst. A'kebur hatte sich selbstverständlich auch die Bilder der Seniorcrew einschließlich des Captains angesehen, aber die Augenfarbe war ihm dabei nicht aufgefallen. Jetzt jedoch verblüffte ihn dieser Anblick umso mehr.
"Treten Sie ein, Fähnrich", brach der Captain den Bann. "Setzen Sie sich. Ich bin gleich für Sie da." A'kebur setzte sich und wartete, bis Captain Lakon einen Bericht abzeichnete, den er gelesen hatte. Er geduldete sich.
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Borderlands * Buch 2 ~ Seelenband
FanfictionAutoren: She Seya & Neko (aka Arcaniel hier bei wattpad) Bild: pixabay A'kebur kämpft ein Jahr gegen sich selbst, sein Temperament und darum seine Fähigkeit unter Kontrolle zu bekommen, um endlich von der Station Deep Space 13 verlassen zu können. E...