Danke für eure Rückmeldungen zum letzten Kapitel :)
Das Kinn auf die ineinander gefalteten Hände gestützt, saß ich vor meinem Zimmerfenster und starrte auf die in der Ferne liegenden Grafschaften und umliegenden Felder hinaus. Schnee trieb vor dem hohen Fenster umher, aber blieb nicht liegen, sondern schmolz, sobald die Flocken den Boden berührten. Severus' Worte geisterten mir noch immer im Kopf herum und das Gefühl seiner Lippen auf den meinen schien noch nicht ganz verblasst zu sein, obwohl ich mich bereits seit mehreren Stunden auf Malfoy Manor befand. Ich vermisste ihn so schrecklich, dass es wehtat und sich mein Herz auch nur bei dem Gedanken an ihn qualvoll zusammenzog. Das Abendrot hing bereits über den Wiesen von Wiltshire, als ich endlich meinen Blick vom Fenster losriss und hinter mir ein leises, vertrautes Plopp vernahm.
Eine alte und gebeugte Hauselfe war auf meinem Teppich aufgetaucht und blickte mich mit ihren großen, hässlichen Augen unterwürfig an. Die fledermausartigen Ohren der Elfe zitterten, als sie sich noch enger auf dem Boden zusammenkauerte. Angewidert wandte ich den Kopf wieder dem prächtigen rot-goldenen Sonnenuntergang zu, damit ich das elende Geschöpf nicht ansehen musste.
„Der Herr Vater lässt Sie zum Abendessen rufen, Miss", piepste die Hauselfe. „Sie warten bereits im Esszimmer auf Ihr Erscheinen, Miss." Den Blick stur aus dem Fenster gerichtet nickte ich nur und hörte, wie die Hauselfe mit einem weiteren leisen Plopp verschwand.
Langsam schob ich meine Zimmertür auf und lugte auf den leeren Korridor hinaus. Es war dunkel auf dem Gang und nur das Licht eines riesigen Kronenleuchters an der Decke spendete schummriges, kaltes Licht. Als ich etwa die Hälfte des Flures hinter mich gebracht hatte, sah ich wie ein schmaler Streifen Licht auf den Boden vor mir fiel. Zu meiner Rechten stand eine Tür offen – Dracos Zimmertür. Verwundert huschte ich darauf zu und warf vorsichtig einen Blick hinein. Ich hätte erwartet, dass Draco bereits unten bei den Eltern am Esstisch saß und nur ich mal wieder der Nachzügler gewesen wäre, auf den man ungeduldig wartete. Doch stattdessen, konnte ich sehen, wie er auf dem tadellos gemachten Bett lag, den schlanken Körper ausgestreckt, die Arme hinterm Kopf verschränkt und den Blick stur auf den Stuck an der Zimmerdecke gerichtet. Sein weißblondes Haar war verwuschelt und unordentlich.
Ich klopfte behutsam gegen den Türrahmen. „Alles okay?", fragte ich und musterte ihn eindringlich. Draco richtete sich kerzengerade auf und fuhr sich fahrig mit der Hand durchs Haar, dann nickte er langsam.
Misstrauisch betrat ich sein dunkles Zimmer und lehnte mich mit dem Rücken gegen seinen Bettpfosten. „Vater hat zum Essen gerufen", sagte ich ohne den Blick abzuwenden.
Er seufzte. „Ja, ich weiß", murmelte er.
„Wir können zusammen runter gehen", schlug ich vor.
„Ich hab keinen Hunger", brummte mein Bruder nur und ließ sich langsam wieder auf die Matratze zurücksinken, um fortzufahren, die Decke anzustarren.
„Was ist los, Draco?", fragte ich argwöhnisch.
„Nerv nicht", erwiderte er gelangweilt.
„Du bist doch sonst nicht so."
„Hau ab, Isabella."
„Los, sag schon", drängte ich.
„Zieh Leine."
Ich ließ mich auf sein Bett fallen. „Hat Vater dein Zeugnis gesehen?", fragte ich, in dem Versuch hinter sein merkwürdiges, stilles Verhalten zu kommen.
Draco zuckte mit den Schultern. „Schon möglich."
„Aber das ist es nicht, oder?", fragte ich und hob eine Augenbraue. Er zuckte wieder mit den Schultern und warf mir endlich einen kurzen Blick zu, der mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Vorsichtig beugte ich mich zu ihm hinab. „Draco?"
Dracos Augen waren sehr dunkel und seine blasse Haut glich nun einem weißen Totenschädel. „Er will mich zum Todesser machen, Bella", flüsterte er und seine Hände zitterten kaum merklich. Und wieder schien ich zu fallen. Mehrere Minuten lang, so kam es mir vor. Aus meinem Gesicht schien alle Farbe zu weichen. Ich meinte zu spüren, wie mir förmlich jemand den Boden unter den Füßen wegzureißen schien. Mein elender Vater... Das konnte er nicht ernst meinen. Wenn es bei mir nicht klappte, dann nahm er eben Draco?
Mit starrem Blick sah ich Draco an. Und mit einem Mal erkannte ich in ihm das erste Mal seit Jahren wieder meinen kleinen Bruder. Meinen kleinen Bruder, den ich liebte und um jeden Preis beschützen sollte, den ich davor bewahren sollte, die gleichen Fehler wie ich zu machen. Seine arroganten Züge waren verschwunden und er sah unserem Vater mit einem Mal so unähnlich, dass ich schlucken musste. Wie hatte ich nur je glauben können, dass Draco wie er sei? Er war nicht wie Vater, er war wie Mutter. Er war genau wie sie. Sanft und zerbrechlich.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals. „Ich habe Angst", flüsterte er so leise, dass ich seine Worte kaum verstand.
„Ich weiß", murmelte ich in sein Hemd hinein.
„Du verstehst das nicht", erwiderte er und seine Stimme gewann wieder an Schärfe, doch ich hielt ihn weiterhin umklammert, vielleicht weil ich den Halt sogar noch mehr brauchte als er, obwohl er vermutlich an dem dunkelsten Punkt seines bisherigen Lebens angelangt war. Ich brauchte ihn so sehr, wie er mich vielleicht schon all die Jahre zuvor gebraucht hatte. Und obwohl ich nur bei der Erwähnung von Voldemorts Namen rasendes Herzklopfen und eine ungeahnte Angst bekam, ließ ich Draco nicht los.
„Vertrau mir", flüsterte ich. „Ich weiß genau, wie es sich anfühlt. Noch vor einigen Monaten war ich so verzweifelt, dass ich unter all der Angst und dem Schmerz fast nichts mehr gefühlt habe. Also vertrau mir... Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, in der Dusche zu weinen, damit dich niemand hört. Ich weiß, wie es ist sich zu einem Lächeln zu zwingen oder eine Maske der Gleichgültigkeit aufzusetzen, damit niemand erfährt, wie es dir wirklich geht. Ich weiß, wie es ist, darauf zu warten, dass alle anderen einschlafen, damit du endlich zerbrechen kannst, an dem, was so sehr weh tut, so sehr, dass du es einfach nur beenden willst. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt."
Draco sah mich an und seine grauen Augen waren wie zwei Sterne in der Nacht. „Du bist viel mutiger als ich", sagte er tonlos. „Du bist so stark und manchmal erscheinst du mir nahezu unantastbar."
Ich musste lachen. „Glaub mir, ich bin in keinster Weise mutig oder stark. Ich bin schwach und verletzlich, aber der Trick liegt darin, es sich nicht anmerken zu lassen. Alles was man braucht, ist ein reizendes Lächeln, um seine geschundene Seele dahinter zu verstecken und niemand wird je erfahren, wie kaputt man in Wirklichkeit ist. Und auch hinter diesem Lächeln befindet sich eine Geschichte, die du niemals gänzlich verstehen wirst."
Seine Augen glitzerten verräterisch. „Ich werde mit Vater reden", flüsterte ich.
„Nein", rief Draco bestürzt. „Das darfst du nicht. Ich will ja ein Todesser werden, aber gleichzeitig fürchte ich mich...."
„Glaub mir, das willst du nicht", murmelte ich. „Außerdem bist du viel zu jung..."
„Vater will es ja auch nicht gleich tun, er will noch bis zum Sommer warten, wenn ich sechzehn bin." Unverhohlener Malfoy-Stolz war aus seiner Stimme zu hören.
„Draco", wisperte ich und legte ihm eine Hand an die Wange. „Du unterschätzt die Tragweite deiner Entscheidung. Mutter würde nicht wollen, dass du-"
„Aber ich will", erwiderte er kurz angebunden und jetzt erkannte ich seine gewohnte Art wieder. „Und Vater auch."
„Willst du nicht", flüsterte ich, aber Draco hörte mir nicht mehr zu. Er war aufgestanden und versuchte nun mit einem Blick auf sein Spiegelbild, sein Haar zu glätten. Dann schloss er kurz die Augen und als er sie wieder öffnete war all der Zweifel und die Unsicherheit aus seinem Blick verschwunden und ich blickte erneut in ein paar kalte graue Augen, deren Innerstes berechnend und abschätzig wirkte und die ich nur zu gut wiedererkannte.
Eine kleine, schicksalshafte Wendung, die wieder ein wenig an die Original-Bücher anknüpft. Ich habe das so hergeleitet, dass weil Isabella keine Todesserin werden wollte nun Draco immer mehr ins Sichtfeld gerückt ist (ums kurz zu fassen)... Ich halte mich im Übrigen auch immer (indirekt) an Rowlings Original-Verfassung :D
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Isabella Malfoy
FanfictionIsabella Malfoy ist eine Schande für ihre hochangesehene Familie, als sie aus Durmstrang verwiesen wird und nach Hogwarts wechseln muss. In den Augen ihres Vaters, der sie Augenblicke zuvor noch auf Händen trägt, hat sie versagt. Mit unerbitterliche...