Erwachen

5.1K 304 32
                                    

Woah!!! Vielen Dank für eure fantastischen Kommentare zum letzten Kapitel :) Dafür habe ich beschlossen, heute direkt das nächste hochzuladen :D


Ich schniefte. „Was meinst du damit?", fragte ich leise und richtete mich auf. „Wer kann mir nun nichts mehr antun?" Mit klopfendem Herzen sah ich ihm in seine grauen Augen, die eigenen bis zur Hälfte mit Tränen gefüllt. Ich dachte zuerst an Severus, aber das machte wiederum keinen Sinn. Mein Vater wusste nichts von dem, was ich für Severus empfand, noch konnte er mich ernsthaft vor ihm in Sicherheit bringen wollen, da von ihm nicht der kleinste Hauch von Gefahr ausging und mein Zaubertrankprofessor im Grunde ein enger Vertrauter, wenn nicht sogar Freund, meines Vaters war.

Mein Vater sah mit mildem Gesichtsausdruck zu mir hinab und seine Hand fuhr unentwegt über mein Haar. „Das ist unwichtig", sagte er leise, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und erhob sich vorsichtig von meinem Bett. „Ich möchte dich nur in Sicherheit wissen." Sein Blick bekam etwas Glühendes. „Du musst mir aber versprechen, dass du mir nicht mehr davon laufen wirst und keine unüberlegten Entscheidungen treffen wirst, Isabella." Er klang sehr ernst. „Versprich mir das", sagte er scharf und seine Finger umschlossen kurz mein Handgelenk.

„Aber ich verstehe nicht-"

„Versprich es mir, Isabella", zischte mein Vater nun und das erste Mal in meinem Leben konnte ich so etwas wie Unbehagen –oder war es Sorge?- in seinen grauen Augen aufflammen sehen, und das machte mir Angst. Ich spürte Furcht in mir aufkeimen. Das war falsch. Mein Vater war nie besorgt. Er war wie ein Diamant - hart und unnachgiebig-, ein Fels in der Brandung.

„Vater", wisperte ich. „Was ist passiert?"

„Versprich es!"

„Vater..."

Sein Blick war eindringlich und ließ keine Widerworte mehr zu. „Versprich es mir, Isabella."

Ich senkte den Blick. „Ich verspreche es."

Erleichtert atmete mein Vater aus und rieb sich kurz mit der Hand übers Gesicht, dann fuhr er mit seiner Hand erneut unter seine Weste und seine Finger schlossen sich um das Pergament, das er zusammen mit seinem Zauberstab in einer Innentasche verstaut hatte.

„Warum musste ich es dir versprechen? Wer sollte etwas gegen uns haben? Vor wem weißt du mich nun in Sicherheit?", fragte ich und erhob mich ebenfalls von meinem Bett, sodass ich nun wieder auf einer Ebene mit meinem Vater stand.

Er seufzte. „Das ist unwichtig", wiederholte er nur und klang dabei wieder so streng und autoritär, wie ich ihn immer kannte. Sein Blick wanderte über das Chaos in meinem Koffer. „Was ist das hier für eine Unordnung", sagte er ungehalten und warf einen missbilligenden Blick auf das Durcheinander von Büchern, Klamotten und Schulsachen auf meinem Teppich. „Lass einen Hauselfen rufen, der das in Ordnung bringt", fügte er hinzu und durchquerte mit zügigen Schritten mein geräumiges Zimmer.

Ich hörte nichts, von dem was er sagte. „Du fürchtest dich selbst vor dem Dunklen Lord", flüsterte ich so leise, dass man es kaum verstand, aber mein Vater hielt mitten in der Bewegung inne und sein Gesichtsausdruck, als er sich zu mir umwandte, war furchteinflößend.

„Sei still!", zischte er und sein Blick bekam etwas Warnendes.

„Willst du mich vor ihm in Sicherheit wissen?", fragte ich mit dem kalten Gefühl der Angst im Magen.

„Es ist nicht weiter wichtig, wichtig ist nur, dass wir seine Anforderungen nun erfüllt haben und für dich keine Gefahr mehr besteht, dafür habe ich gesorgt."

„Wie hast du dafür gesorgt?", fragte ich und hielt ihn am Arm fest. „Sag es mir", verlangte ich.

„Genug davon", erwiderte mein Vater unwirsch. Er musterte mich kurz von Kopf bis Fuß. „Nun zieh dir etwas Nettes an und komm nach unten. Deine Mutter und ich wollen, dass du Großvater etwas auf dem Flügel vorspielst."

„Großvater ist da?", fragte ich erschrocken.

„Natürlich ist er da", erwiderte mein Vater kalt. „Morgen ist schließlich Weihnachten." Mit diesen Worten schloss er die Tür hinter sich und ließ mich allein im Zimmer zurück.

Langsam drehte ich mich um und öffnete meinen Kleiderschrank. Ich hatte Kopfschmerzen und das ambivalente Verhalten meines Vaters wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Dass Abraxas Malfoy unten im Salon auf das Erscheinen seiner Enkeltochter wartete, um in den Genuss einer ihrer Klavierstücke zu kommen verbesserte meinen Gemütszustand auch nicht gerade. Ich hatte nach wie vor immer ein schummriges Gefühl im Magen, wenn ich ihm unter die Augen treten musste. Seine Blicke konnten noch kälter sein, als die meines Vaters und seine Stimme klang meist abweisend und emotionslos. Trotz der Tatsache, dass er bereits seit mehreren Monaten an Drachenpocken erkrankt war schien es ihm erstaunlich gut zu gehen.

Mit pikiertem Gesichtsausdruck zog ich ein Kleid nach dem anderen aus dem Schrank, aber keines traf meinen Geschmack auch nur im Geringsten. Schließlich entschied ich mich für etwas das nicht mir, aber sicherlich den Anwesenden unten im Salon gefallen würde. Es war hochgeschnitten, aus hellblauem, leichtem Stoff mit cremefarbener Schleife an der Taille und furchtbar eng. Mit geübten Handgriffen steckte ich meine Haare zu einem Knoten zusammen und beeilte mich, nach unten zu kommen.

Meine Großmutter hatte bereits neben meiner Mutter auf dem Divan in der Nähe des Kamines platzgenommen und mein Großvater untersuchte gerade mit prüfendem Blick die Tasten des gewaltigen Flügels zu meiner Rechten. Mein Vater lehnte sich mit dem Rücken gegen das teure Holz und stellte sein Weinglas ab, als er sah, dass ich den Raum betreten hatte.

Draco saß mit gelangweiltem Blick in einem der teuren Sessel und starrte missmutig den bernsteinfarbenen Inhalt seines Glases an. Die stahlgrauen Augen Abraxas Malfoys durchbohrten mich, als ich einen Knicks andeutete und ihm zittrig zulächelte. Kurz wagte ich, zu meinem Großvater empor zu blicken. Sein weißes Gesicht war noch fahler als sonst und ein gelblicher Unterton durchzog seine Haut. Die Drachenpocken schienen ihm von Jahr zu Jahr mehr zuzusetzen. Im Frühjahr hatte er noch deutlich jünger gewirkt und jetzt stach die eine oder andere Narbe, die die Krankheit hinterlassen hatte, rötlich hervor und entstellte seine arroganten, einst sicherlich stattlichen, Gesichtszüge ein wenig. Er atmete schwer und musste sich nun an dem Flügel abstützen, aber der Blick seiner grauen Augen war nach wie vor stechend und kalt. Schnell senkte ich wieder den Kopf.

„Guten Abend, Sir", grüßte ich ihn schüchtern. Abraxas Malfoy jedoch wandte sich nach einem knappen Nicken ab, nahm ächzend auf dem dunkelgrünen Divan Platz und ließ sich von meiner Mutter ein Glas gutgestandenen Elfenwein reichen.

„Hallo Isabella", sagte meine Großmutter und lächelte mir zu. Sie war eine große, schlanke Frau und hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit meiner Mutter, obwohl die beiden nur durch Narzissas Ehe mit Lucius verwandt waren, und demnach keine Blutverwandten waren. „Schön dich zu sehen." Sie stand auf und kam zu mir herübergeschritten. Sie steckte mir eine herausgelöste Haarsträhne hinters Ohr und strich mir kurz über die Wange. „Du bist schon wieder so blass, meine Liebe", sagte sie besorgt. „Ist dir nicht wohl?"

„Oh doch", erwiderte ich rasch und tauschte einen kurzen Blick mit meinem Vater. Dieser nickte mir zu und somit nahm ich hinter dem dunklen Flügel Platz und richtete mein Augenmerk dankbar auf die schwarzen Noten vor mir. Auf eine Handbewegung meines Vaters hin, begann ich mit zitternden Händen, die ersten Takte zu spielen. Schon bald flogen meine Hände über die schwarz-weißen Tasten, sicher und geübt. Das Stück war sehr lang. Doch irgendwann erklang der letzte Ton. Wohlwollendes Nicken der Anwesenden, ein versonnenes Lächeln meiner Mutter und ein Erheben der Gläser auf das Wohl unserer Familie. Ich schwieg und war die einzige, die ihr Glas bei dem Toast nicht erhob. Sie waren eben doch alle Malfoys. Durch und durch.

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt