Zerrissenes Papier

5.3K 301 10
                                    

Sooo... In diesem Kapitel erfahrt ihr endlich, was hinter Lucius' geheimnissvollem Verhalten steckt... Ich hoffe, dass Kapitel gefällt euch, es war ein bisschen haarspaltend, das Ganze richtig aufzuschreiben.


Er hatte offensichtlich das erste Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte die Kontrolle über seine Gesichtsmuskeln verloren, denn klar erkennbare Sorge zeichnete sich in seinem Gesicht ab, doch ich hatte kaum geblinzelt, da war der Ausdruck auch schon wieder verschwunden und hatte der undurchdringlichen Maske Platz gemacht, die er im Alltag, sowie im Unterricht immer an den Tag legte.


„Wir reden in Hogwarts", sagte er knapp und sah mich nicht einmal mehr an. Ich schloss die brennenden Augen und als ich sie wieder öffnete war er auch schon verschwunden. Mit heißen Wangen und glasigem Blick stolperte ich aus dem Haselgebüsch hinaus. Ein Zweig kratzte mir über die Wange, doch ich kümmerte mich nicht darum.

„Isabella", vernahm ich die erstaunte Stimme meiner Mutter. „Was hast du denn angestellt?" Ihre Finger strichen über meine Wange. „Du blutest ja." Mit prüfendem Blick begann sie den Schnitt auf meiner Wange zu inspizieren, aber ich wischte ihre Hand unwirsch fort.

„Lass mich." Genervt schob ich mich an ihr vorbei, aber sie zückte den Zauberstab.

Sanft fuhr sie mit dessen Spitze über die Schnittstelle und murmelte: „Episkey". Sofort spürte ich ein kurzes, angenehmes Kribbeln und wusste, dass sich die harmlose Wunde geschlossen hatte. „Komm nimm meinen Arm, Liebes", sie warf mir einen mitfühlenden Blick von der Seite zu, ehe sie nach einer kurzen Pause hinzufügte: „Wir alle werden deinen Großvater vermissen." Ich hätte am liebsten gelacht; gelacht über die bodenlose Unwissenheit –ja Stümperhaftigkeit- meiner Mutter, aber ich erwiderte nichts, sondern griff stumm nach ihrem Arm. Lucius Malfoy nickte seiner Frau zu, während er kurz den Griff seines Sohnes um seinen Arm überprüfte, ehe er sich auf der Stelle zu drehen begann und meine Mutter seinem Beispiel keinen Augenblick später folgte.

Das Apparieren verursachte nach wie vor eine kurze Übelkeit in mir und als wir auf dem Kiesweg von Malfoy Manor aufschlugen holte ich tief Luft um wieder Leben in meine beißenden Lungen zu bringen. Sofort ließ ich den Arm meiner Mutter los und rauschte wortlos an ihr und meinem Vater vorbei und die breite Steintreppe zum Anwesen hinauf. Tränen der Wut und der Enttäuschung sammelten sich in meinen Augenwinkeln und drohten mir noch in der Eingangshalle die Wangen hinunterzulaufen, aber ich zwang sie resolut zurück. Mit raschen Schritten eilte ich die Treppe hinauf. Wie konnte Severus nur? Wie konnte er nur? Er hielt mich noch immer für das dumme, kleine Mädchen von damals. Hass stieg in mir empor. Aber nicht Hass auf ihn, sondern Hass auf mich selbst. Ich war dumm und naiv und nutzlos. Wie hatte ich nur je glauben können, dass sich jemand wie Severus ernsthaft für mich interessierte?

Schluchzend ließ ich mich auf mein Bett fallen. Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Heiß und salzig rannen sie mir die Wangen hinab und durchnässten mein Kopfkissen. Etwas Hartes bohrte sich in meine Schulter – Severus' Buch. Zornig packte ich es mit beiden Händen und schleuderte es mit aller Kraft gegen die blanke Zimmerwand. Krachend landete es auf dem teuren Parkettboden, wo es mit verbogenen Ecken und geknickten Seiten liegen blieb. Das linderte meine Wut jedoch kein bisschen. Mit festem Griff packte ich eines der feinbestickten, dunkelgrünen Kissen auf meinem Bett und pfefferte es ebenfalls gegen die Wand. Dem Buch und dem Stickkissen folgten weitere Kissen und ein antiker, angelaufener Kerzenleuchter aus Silber. Frustriert schrie ich auf und packte die teure Glaskaraffe von meinem Nachttisch. Mit einem lauten Splittern zerbarst sie an der Wand und das darin zuvor enthaltene Wasser ergoss sich auf dem Boden und durchnässte den dicken, teuren Teppich vor meinem Bett.

Irgendwann verebbte der Zorn und nur noch Schmerz und Enttäuschung blieben zurück. Nach einer Weile stand ich auf und schlurfte ins Badezimmer. Im Spiegel erschien mein bleiches Gesicht. Ich sah schrecklich aus. Meine ganze Schminke war verlaufen und hatte schwarze Ränder unter meinen Augen zurückgelassen, die Tränen hatten meine Augen gerötet und meine Wangen schienen förmlich zu glühen. Benommen drehte ich den Wasserahn auf und klatschte mir eine Ladung Eiswasser ins Gesicht.

Nachdem ich mein Gesicht gewaschen hatte sah ich um einiges ansehnlicher aus und das taube Gefühl in meiner Brust schien sich ein winziges bisschen gelockert zu haben, doch meine Brust war nach wie vor zugeschnürt und ich fühlte mich, als wenn ich ein viel zu enges Korsett tragen würde. Mit einem letzten Blick in den Spiegel band ich mir meine Haare zu einem Knoten zusammen und kroch anschließend unter die warme, beschützende Bettdecke. Die Sonne war noch nicht einmal untergangen, aber keine zehn Minuten später war ich auch schon in einen unruhigen Schlaf hinüber geglitten.

Als ich wenige Stunden später erwachte war es mitten in der Nacht. Der Mond schien hell durch den Erker in mein stilles Zimmer hinein und tauchte es in silbriges, fahles Licht. Es musste wohl kurz nach Mitternacht sein. Mein Hals war ganz trocken. Mit leicht schuldigem Blick betrachtete ich die Scherben der Glaskaraffe auf dem Boden nahe der Wand, die sonst immer neben meinem Bett stand. Leise schob ich die Bettdecke zurück, griff nach dem Glas auf dem Nachttisch und schlich auf den dunklen Flur hinaus, um es im Bad mit Wasser zu füllen und meine Durst zu stillen.

Der Korridor war völlig ausgestorben. Hinter Dracos Tür war es still, doch im Zimmer meiner Eltern brannte noch Licht. Gespannt horchte ich auf. Ihre Stimmen drangen dumpf durch die nur angelehnte Zimmertür hindurch. Sie stritten miteinander und das taten sie im Normalfall nur äußerst selten. Hastig ging ich hinter einer alten, hölzernen Barock-Kommode im Flur in Deckung.

„Aber Lucius", meine Mutter klang besorgt, „Glaubst du wirklich, dass das der richtige Weg ist?"

Ich hielt den Atem an. Was ging hier vor? Mit äußerster Vorsicht wagte ich es, hinter der Kommode hervorzukriechen und mich im Schatten der Tür zu verstecken. Ich konnte erkennen, wie mein Vater mit eiligen Schritten im Zimmer auf und ab ging und ab und zu an seinem Weinglas nippte, während meine Mutter auf dem breiten Ehebett saß und mit ausdruckslosem Gesicht den Kamin anstarrte, so als wäre sie mit den Gedanken ganz woanders.

Die Miene meines Vaters wurde steinhart, als er stehen blieb und seine Frau eindringlich musterte. „Es ist der einzige Weg, Narzissa. Um ihren Willen und um den Willen unserer Familie."

„Ist das denn wirklich nötig?", fragte meine Mutter mit leicht zittriger Stimme. „Du weißt, bei uns war es auch so, aber es war anders. Die Umstände waren weit weniger kompliziert, das war ein anderes Zeitalter und wir waren bereits volljährig..."

„Das war es durchaus", meinte mein Vater nun in geschäftsmäßigem Tonfall. „Wenn der Plan des dunklen Lords, was Harry Potter und die Sache mit der Mysteriumsabteilung betrifft, aufgeht – und das wird er zweifelsohne – brauchen wir alle verfügbaren Mittel um unsere Position zu sichern und uns unserer Stellung gewiss zu sein. Wir dürfen unter keinen Umständen negativ auffallen..." Ich hörte wie er sein Glas mit einem klirrenden Geräusch abstellte und erneut begann, in den Schlafgemächern auf- und abzuschreiten. „Wir dürfen nicht noch einmal seine ungewollte Aufmerksamkeit auf uns lenken. Ich selbst musste einsehen, dass du Recht hattest, meine Liebe... Sie ist wirklich nur ein unschuldiges Mädchen, das nicht dazu gemacht ist, Todesserin zu werden und sich dem dunklen Lord anzuschließen." Er machte eine Pause, während der ich automatisch erneut die Luft anhielt. Sie sprachen über mich.

„Und eben aus diesem Grund dürfen wir nichts dem Zufall überlassen. Was glaubst du denn, was er mit unserer Familie anstellt, wenn er erfahren sollte, dass wir nicht hundertprozentig hinter ihm stehen?! Sie ist wie du, Narzissa. Sie ist nicht wie Bellatrix. Bei Draco habe ich diesbezüglich keine Bedenken, er wird mich nicht enttäuschen. Er ist ein wahrer Malfoy... Aber bei Isabella... Wie soll es mit ihr nur weitergehen, wenn ich jetzt nicht hart durchgreife? Ich habe die Zügel schon viel zu lange schleifen lassen, habe zu wenig Druck ausgeübt, war vielleicht nicht konsequent genug. Sie geht mit Gryffindors hausieren, wie mir Draco letztens berichtet hat, wiedersetzt sich mir von Zeit zu Zeit, vergöttert diesen Snape..." Er sprach den Namen mit Verachtung aus. Narzissa wandte den Blick endlich vom Kamin ab und sah ihren Gatten an.

„Diese Heirat kann ihr nur zugutekommen. Ich werde sie noch morgen davon in Kenntnis setzen, bevor sie zurück nach Hogwarts muss –je eher desto besser- und wenn sie im Frühjahr siebzehn wird, ist es an der Zeit... Nachdem sie die Schule beendet hat, werden wir sie auf die Hochzeit vorbereiten, es wird nichts überstürzt, aber wir werden sie langsam zueinander führen. Wir leben in gefährlichen Zeiten, die Nächte werden immer finsterer und die Tage immer grauer, das Blut der Zaubererschaft immer unreiner und der Widerstand, der sich um Dumbledores dreckigeren Umhangsaum scharrt, immer größer... Das ist kein guter Zeitpunkt für ein junges Mädchen, den eigenen Träumen nachzuhängen. Du weißt, dass ich nur das Beste für unsere Tochter will, Narzissa, und ich würde ihr gerne mehr Zeit zum Träumen geben, aber das kann ich nicht." Seine Stimme war sehr heiser und sein Blick abwesend.

„Er ist ein mächtiger, junger Mann mit Einfluss und dem richtigen Blutstatus. Uns rinnt die Zeit davon, Narzissa. Wir müssen jetzt handeln. Draco wird sich dem Dunklen Lord zweifelsohne mit Stolz anschließen, aber die Zukunft unserer Tochter war zu lange ungewiss... Je eher ich sie verheiratet weiß, desto ruhiger kann ich desnachts wieder schlafen." Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und starrte für einen Moment in die Flammen des Kaminfeuers. „Sie muss endlich zur Vernunft kommen. Und das wird sie. Mit unserer Hilfe. Sie ist schließlich unsere Tochter. Eine Malfoy, wie du und ich... Und Familie bedeutet heutzutage alles." Er fuhr mit seinen langen, schlanken Fingern den Hals meiner Mutter entlang. Diese schloss für einen Moment die Augen, dann strich er ihr liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr, ließ sich langsam neben ihr auf das Bett sinken und begann fordernd ihren Hals zu küssen, bis seine Küssen nach oben wanderten und sich ihre Lippen leidenschaftlich miteinander verbanden.

Mit in der Brust berstendem Herzen schlich ich mich davon, den Flur entlang und in mein Zimmer. Erst als ich auf meinem Bett lag, dämmerte mir allmählich, welch schreckliches Geheimnis ich dort im Schatten der Tür soeben erfahren hatte...

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt